Luftfahrt

Airline-Chefs im Clinch

Mit einer Lockerung der Regeln für die Vergabe von Zeitfenstern an Flughäfen will die Europäische Union der Airlinebranche unter die Arme greifen. Doch die Hilfe kommt nicht bei jedem CEO gut an.

Airline-Chefs im Clinch

Von Lisa Schmelzer, Frankfurt

Mit einer Lockerung der Regeln für die Vergabe von Zeitfenstern an Flughäfen (Slots) will Brüssel der Luftfahrtbranche unter die Arme greifen. Doch die Hilfe kommt nicht bei jedem Airline-CEO gut an. Für die Chefs der Billigfluglinien Ryanair und Wizzair, Michael O’Leary und József Váradi, etwa ist der sogenannte Slot Waiver, der schon seit Beginn der Coronavirus-Pandemie in Kraft ist, wettbewerbswidrig. Dieser sieht vor, die Slot-Regeln noch bis Ende März gänzlich auszusetzen. Für die Sommersaison 2021 werden die Regeln nun nicht weiter komplett ausgesetzt, aber gelockert. Airlines müssen mindestens 25% ihrer Start- und Landepositionen nutzen, um sie nicht im folgenden Jahr zu verlieren, statt der üblichen 80%. Die neue Regelung wird vom 28. März bis Oktober gelten, so die am Donnerstag verabschiedete Gesetzgebung.

Ohne Ryanair

Bei dem Kommentar zur Neuregelung verwies der Verband Airlines for Europe darauf, dass man die Entscheidung begrüße, Mitglied Ryanair „diese Position aber nicht teilt“. Ryanair-Chef O’Leary hatte den Slot Waiver stets als verbraucherfeindlich kritisiert, da er Billig-Airlines künstlich am Ausbau ihres Angebots hindere, was seiner Ansicht nach die Ticketpreise hoch hält.

Laut Wizzair hat die Entscheidung, die Regeln für Start- und Landerechte an Flughäfen mit begrenzten Slots auszusetzen, das Unternehmen daran gehindert, in London-Gatwick zu expandieren, wo Konkurrent Easyjet eine dominante Position innehat. Deren Chef Johann Lundgren (54) wischte die Bedenken der Wettbewerber nun bei einer Diskussion vom Tisch. „Das ist eine unsinnige Debatte, absoluter Blödsinn“, sagte Lundgren, der den Billigflieger seit Ende 2017 führt. „Es gibt keinen Beweis dafür, dass dies in irgendeiner Weise den Wettbewerb einschränkt.“ Easyjet selbst übernahm kürzlich Slots der angeschlagenen Norwegian und baute damit das Geschäft in London-Gatwick aus. „Wir haben in diesem Fall einen Deal mit Norwegian gemacht. Dies ist ein freier Markt. Jeder kann tun und lassen, was er will.“

Wizzair-Chef Váradi gilt in der Airlinebranche als ähnlich streitbarer Geist wie Ryanair-CEO O’Leary, ist aber außerhalb der Luftfahrtblase weniger bekannt als sein irischer Kollege. Der 55-Jährige Ungar ist einer der Gründer von Wizzair und steht seit 2003 an der Spitze des Unternehmens. Im November 2020 hat der Manager einen unbefristeten Vertrag als CEO erhalten. Die Ausnahmeregelungen von Slot-Zuteilungen auf Flughäfen habe zur Folge, dass Airlines „ganz ohne Aktivität“ auf diesen Slots säßen, was anderen wiederum zum Nachteil gereiche. Die meisten Airlines würden angesichts der Lage in einem ineffizienten Status quo verharren und dazu insgesamt 33 Mrd. Euro an europäischen Staatshilfen kassieren. „Keine der so unterstützten Ge­sellschaften wird jemals in der Lage sein, diese Gelder zurückzuzahlen. Das ist verschwendetes Staatsbudget, und bei diesen Fluglinien ändert sich auch in Zukunft nichts“, hatte Váradi im vergangenen Herbst gepoltert. Wizzair selbst habe ein Ansuchen um Staatshilfen niemals ins Auge gefasst. „Das ist nicht unsere Auffassung von Geschäftspraktiken. Wir wollen nicht dem Steuerzahler auf der Tasche liegen, sondern möchten unser Unternehmen nach den Regeln des Marktes führen.“

Ganz zufrieden mit der in Brüssel vereinbarten Neuregelung dürften allerdings auch die Chefs der großen Netzwerk-Airlines nicht sein. Deren Interessenvertreter hatten die Möglichkeit gefordert, vorübergehendend ganze Slot-Serien während des kommenden Sommers zurückgeben zu können, ohne sie dauerhaft zu verlieren. Noch besser hätte ihnen wohl eine Aussetzung der Nutzungspflicht bis in den Herbst hinein gefallen. Lufthansa-Chef Carsten Spohr etwa hatte anderenfalls mit Leerflügen gedroht.

Auf der Intensivstation

Liegen die Airline-Chefs in Sachen Slot-Regeln auch im Clinch, herrscht bei einem anderen, derzeit bestimmenden Thema Einigkeit: Fliegen sei auch in Coronazeiten sicher und die Luft an Bord von Verkehrsmaschinen könne „qualitativ mit jener auf Krankenhaus-Intensivstationen“ gleichgesetzt werden, so Váradi. Dem würden auch O’Leary, Lundgren und Spohr nicht widersprechen.