Eike Walters, Tele Columbus

Aktionäre brauchen „sehr langen Atem“

Tele-Columbus-CFO avisiert Investitionen von 300 Mill. Euro im Jahr – Druck auf Ergebnis

Aktionäre brauchen „sehr langen Atem“

Heidi Rohde.

Herr Walters, den Tele-Columbus-Aktionären liegt ein Übernahmeangebot von Morgan Stanley In­frastructure Partners vor, dass die Gesellschaft mit gut 400 Mill. Euro bewertet. Ist diese Bewertung angemessen für einen „führenden Glasfaseranbieter“?

Morgan Stanley Infrastructure Partners übernimmt ja nicht nur das Eigenkapital, sondern auch unsere Schulden. Und das ist der viel größere Posten. Inklusive der Nettoverschuldung liegt der Enterprise Value bei dieser Transaktion bei rund 1,7 Mrd. Euro. Im Übrigen garantiert der Bieter auch noch eine signifikante Kapitalerhöhung. Der Angebotspreis von 3,25 Euro je Aktie wurde nach marktüblichen Bewertungsmethoden geprüft und als fair und angemessen beurteilt. Dies bestätigen auch die Fairness Opinions von Value Trust und Rothschild. Zudem sind die 3,25 Euro je Aktie das Ergebnis eines kompetitiven Bieterprozesses.

Indes haben Sie erst vor wenigen Jahren die Konkurrenten Primacom und Pepcom, also deren Netze und Kunden gekauft, jeweils für gut beziehungsweise knapp 700 Mill. Euro. Wie sind diese Werte denn nun komplett verdampft?

Davon kann keine Rede sein. Auch dank dieser Zukäufe haben wir heute über drei Millionen Haushalte angeschlossen und damit eine kritische Größe im deutschen Breitbandmarkt erreicht. Um möglichst viele davon künftig auf Glasfaser umzustellen, brauchen wir massive Investitionen. Dazu dient die Transaktion mit Morgan Stanley Infrastructure Partners.

Wie ist denn das Echo aus dem Streubesitz, also jenseits der Großaktionäre United Internet und Rocket Internet, die ja bereits signalisiert haben, dass sie ihre Anteile andienen?

Unsere Investoren setzen sich inhaltlich sehr tief und intensiv mit dem Angebot auseinander — und kommen zu unterschiedlichen Schlüssen, je nach Anlageprofil und -horizont. Manche, die sehr langfristig orientiert sind, signalisieren, dass sie auch über einige Jahre einen negativen Cash-flow akzeptieren können, wenn jetzt diese Investitionsphase kommt, die in Summe ca. 3 Mrd. Euro – davon mit rund 2 Mrd. Euro der Großteil in unser Netz – über die nächsten zehn Jahre beanspruchen wird. Andere wiederum wollen eine solche Entwicklung eher nicht mitgehen und werden stattdessen das Angebot annehmen. Das hängt natürlich auch davon ab, zu welchem Kurs sie eingestiegen sind. Doch eines ist eindeutig: Wenn nicht genügend Aktionäre ihre Aktien andienen, dann kommt auch die von Morgan Stanley Infrastructure Partners garantierte Kapitalerhöhung nicht zustande. Damit würden wir auch die in unserer Strategie vorgesehenen Investitionen nicht tätigen können. Und das hätte voraussichtlich eine negative Kursentwicklung zur Folge. Insofern ist es im Interesse aller Aktionäre, dass die Annahmeschwelle von 50% erreicht wird. Wir sind aber zuversichtlich, dass das gelingt.

Welche Eigentümerstruktur zeichnet sich denn für die Bietergesellschaft ab?

Derzeit ist sie zu 100% im Besitz von Morgan Stanley Infrastructure Partners. Allerdings wird United Internet ihren Anteil an Tele Columbus von rund 29,9% einbringen, sodass sich ein Verhältnis von rund 70% zu 30% abzeichnet. Wir sind sehr froh, dass wir Morgan Stanley Infrastructure Partners gewonnen haben, die Eigenkapital selbst einbringen, uns also keine Schulden aufbürden, und die einen langen Haltehorizont haben.

Die mehrstufige Transaktion geht auch mit einer Kapitalerhöhung einher. Die dient komplett der Entschuldung, oder?

Es ist richtig, dass wir unmittelbar nach einer erfolgreichen Transaktion auch eine Kapitalerhöhung über 475 Mill. Euro vornehmen wollen. Sie dient primär der Schuldenreduzierung, allerdings nicht komplett. Wir möchten die Finanzverbindlichkeiten signifikant zurückrückführen, aber wir benötigen auch Mittel für den Glasfaserausbau. Dafür wollen wir zumindest die Anschubfinanzierung aus der Kapitalerhöhung nehmen. Aber nochmal: Die Kapitalerhöhung, die Schuldenreduzierung und die Investitionen sind nur möglich, wenn die Transaktion zustande kommt, indem mehr als 50% der Aktien angedient werden.

Wie schnell können Sie denn eigentlich welche Schulden dann loswerden?

Im Grunde können wir alle Verbindlichkeiten schnell loswerden. Wir haben eine große Anleihe über 650 Mill. Euro und einen großen Term Loan über 707 Mill. Euro. Hinzu kommen zwei kleinere Term Loans über 75 Mill. bzw. 40 Euro und ein Revolver über 10 Mill. Euro. Das ist die Zusammensetzung. Unser Ziel ist es, die Verschuldung in Höhe des 6-fachen Ebitda auf das 5-fache oder etwas weniger zu senken. Die Tele Columbus kann aus unserer Sicht als Telekommunikationsanbieter eine Schuldenlast in Höhe des 4- bis 5-fachen Ebitda tragen. Unsere Gläubiger finden die Transaktion auch wegen der Schuldenreduktion gut. Sie haben daher dem sogenannten Kontrollwechselverzicht zugestimmt. Damit ist eine wichtige Bedingung für die Transaktion erfüllt.

Wie hoch ist denn der durchschnittliche Zinssatz auf die Finanzverbindlichkeiten?

Das variiert. Die Anleihe trägt Zinsen von 3,875%. Das sind Konditionen, die durchaus wettbewerbsfähig sind, vor allem wenn man den hohen Verschuldungsgrad bedenkt. Die kleineren Term Loans haben wir teurer abgeschlossen. Deshalb macht es sicherlich Sinn, diese zuerst zurückzuführen.

Wenn Sie die Zinslast wie angekündigt um 50 Mill. Euro reduzieren, ist das bei dem avisierten Investitionsbedarf in das Netz aber noch nicht ausreichend, um die Lücke zu den Investitionen von 200 Mill. Euro im Jahr zu schließen, die Sie anstreben, oder?

Lassen Sie mich kurz auf die beiden genannten Zahlen eingehen: Unsere Zinslast beträgt insgesamt gut 50 Mill. Euro pro Jahr. Diese wird sich durch die geplante Schuldenreduktion reduzieren, aber nicht um die kompletten 50 Mill. Euro. Und die 200 Mill. Euro im Jahr beziehen sich, wie zuvor erläutert, nur auf die Investitionen ins Netz. Wir investieren derzeit bereits rund 150 Mill. Euro im Jahr insgesamt, mit der Anschubfinanzierung aus der Kapitalerhöhung und geringeren Zinszahlungen möchten wir die Investitionen substanziell erhöhen. Außerdem stehen eventuell weitere 75 Mill. Euro bereit, die Kublai (die Bietergesellschaft, Anm. d. Red.) noch zugesagt hat. Aber schließlich muss der Cash-flow auch ein Stück weit helfen. Denn wir wollen natürlich auch neue Kunden auf unser Netz holen und so den operativen Cash-flow steigern, um den Netzausbau rentierlich voranzutreiben.

Bisher operieren Sie aufgrund der hohen Zinslast unterm Strich auch mit Verlust. Wird sich das ändern?

Nach der Transaktion treten wir ganz bewusst in eine Investitionsphase, die unter anderem ein Investitionsvolumen in unser Netz von ca. 2 Mrd. Euro über die nächsten zehn Jahre vorsieht. Wir benötigen für unsere Ausbaupläne auch mehr Personal, und wir wollen auch unsere Marke stärken, das heißt auch Marketing- und Vertriebskosten werden steigen. Deshalb kann es durchaus sein, dass das Ebitda in der nächsten Zeit stagniert oder unter Druck gerät, bevor sich das Kundenwachstum auszahlt.

Können Sie das zeitlich etwas genauer eingrenzen?

Das ist derzeit noch schwierig, denn noch haben wir keine Transaktionssicherheit. Die künftige Entwicklung des Ebitda wird auch entscheidend davon abhängen, ob wir weitere Wholesale-Partnerschaften schließen können und wie sich das Kundenwachstum insgesamt entwickelt. Im TV-Segment haben wir wie alle Kabelnetzbetreiber strukturelle An­schlussverluste, die es zu kompensieren gilt, und dann muss Wachstum hinzukommen.

Bei den Investitionen rechnen Sie nach einem erfolgreichen Ab­schluss der Transaktion also mit mehr als 200 Mill. Euro im Jahr?

Bisher kann die Tele Columbus jährlich maximal 150 Mill. Euro stemmen, nach der Transaktion sollten es im Mittel jährlich 200 Mill. Euro für den Netzausbau sein, anfangs noch etwas weniger, dann wird es eine Investitionsspitze geben, aber im Durchschnitt ist diese Summe über zehn Jahre angedacht. Und wie zuvor erwähnt werden auch in Zukunft noch weitere Investitionen von rund 100 Mill. Euro pro Jahr auftreten.

Für die Investoren, die an Bord bleiben, heißt das, dass mit Dividenden auf Sicht nicht zu rechnen ist, oder?

Nein, Überlegungen für eine Dividendenausschüttung stehen erst einmal nicht an. Ich denke auch, jeder Aktionär hat Interesse, das Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen und seine Substanz zu erhöhen, anstelle kurzfristiger Ausschüttungen. Die Aktionäre, die das vorliegende Angebot nicht annehmen werden, müssen also einen sehr langen Atem beweisen.

Wie viel Glasfaser haben Sie denn derzeit überhaupt verlegt?

Wir haben 3,3 Millionen Kunden, von denen sind 2,3 Millionen an unserem eigenen Breitbandnetz angeschlossen. Und diese sollen in den nächsten Jahren zum größten Teil auf Glasfaser umgerüstet werden. Derzeit haben wir noch relativ wenige reine Glasfaseranschlüsse. Sie beschränken sich auf einige Leuchtturmprojekte, etwa mit Wohnungsbaugesellschaften.

Was bedeutet das für Ihr Wholesale-Geschäft?

Unsere Kooperation mit Telefónica Deutschland soll in diesem Jahr anlaufen und dann hoffentlich bald Zugkraft entwickeln. Außerdem haben wir im Zuge der Investmentvereinbarung einen Vorvertrag zum Abschluss einer Wholesale-Vereinbarung für Breitband-Anschlüsse mit 1&1 Drillisch AG unterzeichnet. Wir benötigen dafür aber nicht zwingend Glasfaser. Das Kabel kann auch auf Basis von Docsis 3.0 schon sehr hohe Bandbreiten bereitstellen.

Wo stehen Sie denn gegenwärtig im laufenden Geschäft im Hinblick auf die Ziele, die Sie ausgegeben hatten?

Wir hatten im November unsere Prognose bestätigt, das heißt, wir rechnen mit Umsätzen von 465 bis 475 Mill. Euro und einem Ebitda von 225 Mill. bis 230 Mill. Euro sowie Investitionen von 140 bis 150 Mill. Euro. Dies gilt nach wie vor.

Es ist auch nicht mit weiteren Sonderposten und Bereinigungen zu rechnen, die früher bei Tele Columbus die Regel waren?

Nein, wir haben bewusst auf das Reported Ebitda als Prognosewert umgestellt und dieses seither auch um rund 25 Mill. Euro ausgebaut. Für 2020 sind wir sehr zuversichtlich. Allerdings treten im vergangenen Turnus Einmalposten im Zusammenhang mit der Transaktion auf. Und das wird auch im ersten Quartal 2021 der Fall sein.

Das Interview führte