Im Porträt

Alte Schule in neuer Zeit

Die Köpfe hinter dem Digital Leaders Fund warnen vor falschen Gewinnerwartungen und sehen sich in der Tradition klassischer Investoren.

Alte Schule in neuer Zeit

An der Börse greife wieder Euphorie um sich, warnt Stefan Waldhauser. Einige Aktienneulinge hätten mit der Auswahl bestimmter Titel ihre Ersparnisse in nur einem Jahr in etwa verdoppelt und erwarteten auch von einem Fonds horrende Wertzuwächse. Der ehemalige Software-Unternehmer, der gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Baki Irmak 2017 die Fondsfirma Pyfore Capital gegründet hat, erhält auf seine Blogeinträge regelmäßig Leserzuschriften, die eine zu vorsichtige Ausrichtung des Digital Leaders Fund beklagen, des breit investierenden Fonds der Firma. Der nächste Kursrutsch werde für Ernüchterung sorgen. „Gier und Angst wechseln sich an der Börse stetig ab.

Momentan ist die Gier angesagt.“

Dabei zählt das Duo selbst zu den erfolgreichen Investoren, die von dem Boom diverser Technologieaktien in der Coronakrise profitiert haben. Per Mitte Februar hat der Fonds, der federführend von Irmak geleitet wird, auf Jahressicht einen Wertzuwachs von 45 % erzielt. Seit Gründung im März 2018 legte das Vehikel sogar um 110 % zu. Einen ähnlichen Erfolg weist auch das Portfolio von Waldhauser auf, das über die Plattform Wikifolio einsehbar und für Privatanleger investierbar ist: Es hat auf Jahressicht 51 % gewonnen und seit Auflage im Juni 2016 rund 252 %. Weil digitale Geschäftsmodelle in der Pandemie besonders erfolgreich waren, sind auch die Aktien der Unternehmen der letzte Schrei.

Von Graham und Buffett lernen

Doch manche Börsenphänome sind Irmak und Waldhauser nicht geheuer. Von einer Aktie wie der Computerspielladenkette Gamestop, die zeitweise als Spielball und Spekulationsobjekt von Kleinanlegern aberwitzige Kursgewinne erzielt hatte, nimmt der Fonds Abstand, wie die beiden Gründer betonen. Auch wenn sie die Digitalisierung als Leitmotiv auserkoren haben, so wollen sie den Digital Leaders Fund nicht als reinen Themenfonds verstanden wissen. Benjamin Graham und Warren Buffett, zwei altehrwürdige Vordenker der gezielten Unternehmensauswahl, sind ihre Vorbilder, wie Irmak deutlich macht. Wie in der Schule der sogenannten Value-Investoren üblich, ergründeten er und Waldhauser den inneren Wert eines Unternehmens und setzten diesen mit dem Börsenwert in Beziehung, um unterbewertete Firmen aufzuspüren.

Einen Fonds „für eine neue Zeit“ verspricht das Unternehmen vollmundig. Das Vehikel, das mittlerweile ein Volumen von 105 Mill. Euro hat, geht mit seinem Portfolio beinahe noch als gewöhnlicher Aktienfonds durch. Das Produkt investiert in etliche klassische Firmen, die aus Sicht Irmaks und Waldhausers den digitalen Wandel besonders gut meistern. Walt Disney steht demnach nicht nur für Mickey Mouse, Kinofilme und Vergnügungsparks, sondern hat mit dem Digitalkanal „Disney plus“ ein Angebot aufgebaut, das Netflix Konkurrenz macht. Goldman Sachs ist nicht nur eine mächtige US-Investmentbank, sondern hat mit der Online-Plattform Marcus ein digitales Angebot geschaffen, das im Massengeschäft mit privaten Anlegern erfolgreich ist. Walmart schließlich ist mit ihrem Netz aus Großmärkten nicht bloß ein Umsatzgigant der alten Zeit, sondern hat auch einen Internethandel aufgebaut und ist laut Irmak gut für Online-Lebensmittelverkauf positioniert. Einige Titel im Portfolio sind aber für einen Fonds der Digitalisierung keine Überraschung, etwa der Halbleiterhersteller Taiwan Semiconducter, das Speicherunternehmen Pure Storage, die Netzwerktechnikfirma Arista und – na klar! – Facebook.

„Das KGV ist irrelevant“

Doch in der Bewertung der Unternehmen weichen Irmak und Waldhauser dann doch von den traditionellen Vorbildern ab. Im digitalen Zeitalter seien zunehmend immaterielle Firmenwerte wie Netzwerkeffekte, Patente oder der Markenname relevant, sagt Irmak. Noch weiter geht Waldhauser, der Unternehmen mit Wachstumschancen aufspüren will und sich von verbreiteten Kennziffern wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) distanziert. „Klassische Kennziffern wie das KGV sind irrelevant, weil diese Unternehmen noch keine Gewinne im engeren Sinne machen.“

Relevant seien vielmehr die Cash-flow-Marge, die über das Verhältnis aus Kosten und Erträgen Auskunft gibt, in Verbindung mit dem Umsatzwachstum einer Gesellschaft, Übernahmen herausgerechnet. Diesen Wert könne eine Konzernführung weniger beeinflussen als den ausgewiesenen Gewinn. Investoren könnten dabei etwa von der Private-Equity-Branche lernen, die erfolgreiche Unternehmen jenseits der Börse aufspüren will. Auch Kennziffern zum Nutzerverhalten auf einer Internetplattform ziehen die Manager heran. „Klassisches Value-Investing mit neuen Spiel-

regeln“ nennt Waldhauser den Ansatz.

Um die Börsenneulinge wie auch erfahrene Anleger von ihren Ideen zu überzeugen, pflegen sie einen Blog, auf dem sie zahlreiche Aktien besprechen. „Das schärft den Blick auf die Unternehmen ungemein“, sagt Irmak. Wer über eine Aktie schreibe, stelle damit seine eigene Haltung zum Unternehmen auf den Prüfstand. Zugleich erreiche das Duo so neue Anleger. Für viele Sparer handele es sich um ihr erstes Fondsinvestment, sagt Waldhauser. Wer mit dabei sei, empfehle den Digital Leaders Fund oft weiter. Auch die klassischen Fondsvermittler und Vermögensverwalter, die das Produkt einsetzten, informierten sich über den Blog über die Haltung der beiden Gründer.

Der Weg zur Börse gelinge über verschiedene Instrumente, sagt Waldhauser. Als Fondsmanager stünden sie für ein aktives Management ein, aber auch für Anleger, die Einzelaktien auswählen oder über ETFs ihr Vermögen aufbauen, bekunden die Gründer Sympathie. Verärgert zeigt sich Irmak über Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der öffentlich erklärt hat, dass er sein Geld auf einem Sparbuch liegen lasse, weil ihm für eine andere Anlage zu wenig Zeit bleibe.

Um die eigene Aktienanlage kümmerten sich ohnehin nur wenige Anleger aktiv, sagt Irmak, doch das ändere sich langsam mit der „Robinhood-Generation“, wie er sie nennt: junge Menschen also, die über digitale Broker nach dem Vorbild des US-Anbieters Robinhood erste Erfahrungen als Anleger an der Börse sammelten.

Als Aktionär könne jeder nicht nur als Kunde, sondern auch als Eigentümer am Unternehmen teilhaben, schwärmt Irmak und verweist auf die Gründer von Facebook und Amazon. „Ich kann Mark

Zuckerberg und Jeff Bezos für mich arbeiten lassen.“ Die Gefahr von Kursverlusten sieht er gelassen. „Wer sich einmal mit Kapitalmärkten beschäftigt, kommt nicht mehr davon weg.“

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