IPO-Welle

Auto1-Börsengang bringt 1,8 Mrd. Euro ein

Binnen eines halben Jahres hat der Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1 seinen Wert verdoppelt. Beim Börsengang bringt das Unternehmen aus Berlin eine Marktkapitalisierung von 7,6 Mrd. Euro auf die Wage.

Auto1-Börsengang bringt 1,8 Mrd. Euro ein

cru Frankfurt

Der Börsengang des Online-Gebrauchtwagenhändlers Auto1 trifft auf große Nachfrage. Mit einer erwarteten Marktkapitalisierung von 7,6 Mrd. Euro und 1,8 Mrd. Euro Emissionserlös bringt das erste deutsche IPO des Jahres 2021 mehr auf die Waage als alle deutschen Börsengänge des Vorjahres zusammen. Das Berliner Unternehmen hat seinen Wert binnen eines halben Jahres verdoppelt. Auto1 wird damit zum größten deutschen Börsengang seit der VW-Lastwagensparte Traton im Juni 2019 und ist das mit Abstand wertvollste Start-up Deutschlands vor der ebenfalls an die Börse strebenden Internetbank N26.

Hohe Nachfrage

Die Auto1-Aktien werden aller Voraussicht nach am Dienstag zu 38 Euro am oberen Rand der Preisspanne zugeteilt, wie aus den begleitenden Banken verlautet, zu denen federführend BNP Paribas, Citigroup, Deutsche Bank und Goldman Sachs gehören. Investoren müssten damit rechnen, dass ihre Orders massiv gekürzt würden, weil die Nachfrage das Angebot bei weitem überschreite.

Zu den Ankerinvestoren mit einem Investment von 300 Mill. Euro gehören die US-Wagniskapitalgesellschaft Sequoia Capital und der US-Hedgefonds Lone Pine. Das Berliner Start-up und seine Aktionäre, darunter vor allem die beiden Gründer – CEO Christian Bertermann und Hakan Koc – sowie der japanische Technologieinvestor Softbank können mit einem Erlös von 1,83 Mrd. Euro rechnen. Zu dem voraussichtlichen Ausgabepreis würde Auto1 mit 7,6 Mrd. Euro bewertet – mehr als das Doppelte vom Umsatz des Unternehmens, das nach vorübergehend schwarzen Zahlen im vergangenen Jahr wegen der anstehenden Investitionen erst in drei Jahren wieder einen Gewinn plant.

Wert verdoppelt

An der jüngsten Finanzierungsrunde vor genau einem halben Jahr hatten sich Investoren noch zu einer Bewertung von 2,9 Mrd. Euro beteiligt. Die Zeichnungsfrist läuft noch bis Dienstag, die offizielle Preisspanne liegt bei 32 bis 38 Euro.

Am Donnerstag soll Auto1 als erste Neuemission in diesem Jahr das Debüt an der Frankfurter Börse feiern. Auto1 selbst fließt dabei unabhängig vom Zuteilungspreis 1 Mrd. Euro zu, die in Wachstum und in die Rückzahlung einer Wandelanleihe investiert werden soll; bei einer Festlegung auf 38 Euro gibt das Unternehmen 26,3 Millionen Aktien aus. Die Altaktionäre – darunter die Firmengründer Hakan Koc und Christian Bertermann – werfen bis zu 21,9 Millionen der rund 200 Millionen Aktien auf den Markt. Der größte Auto1-Aktionär, der japanische Technologieinvestor Softbank mit 20%, verkauft keine Aktien, lässt seine Beteiligung aber von knapp 20% auf 16,9% verwässern. Vorstandschef Bertermann und Gründer Koc, bisher mit 15,7% beteiligt, halten nach dem Börsengang noch 12,6 und 12,4%. Gut 26% an Auto1 sind künftig im Streubesitz, wenn wie erwartet auch die Platzierungsreserve verkauft wird.

Ausnahme-Januar

Mit dem IPO von Auto1 spitzt sich die ungewöhnliche Entwicklung in Europa zu. In den vergangenen Jahren gab es im Januar entweder überhaupt keine IPOs, oder sie waren sehr selten. Jetzt zieht eine ganze Welle von Börsengängen im Januar genügend Nachfrage auf sich, um in weniger als zwei Stunden der Bookbuilding-Phase einen Preis zu erzielen, der über den Prognosen liegt. Beim Börsengang des polnischen E-Commerce-Lieferdienstes Inpost in Amsterdam – dem bis dato größten europäischen IPO dieses Jahres – wurde die Mehrzuteilungsoption (Greenshoe) ausgeübt, wodurch die Erlöse von 2,8 Mrd. auf 3,2 Mrd. Euro stiegen, da die Aktien deutlich über dem IPO-Preis von 16 Euro gehandelt wurden.

Die Kombination aus kurzen Zeitplänen und guten Marktbedingungen hat zu einer beispiellosen Emissionstätigkeit geführt. Fünf IPOs wurden in diesem Monat an den europäischen Börsen gepreist und brachten 6,4 Mrd. Dollar ein. Zum Vergleich: In den vergangenen fünf Jahren gab es im Januar keinen einzigen Börsengang, und die Erlöse in diesem Monat entsprechen der Summe der vorangegangenen 17 Januare zusammen.

Schon im vergangenen Jahr hatten die Veränderungen damit begonnen, dass die Roadshows vollständig virtuell durchgezogen wurden und sich die Zeitpläne auf zwei Wochen verdichteten. Als weitere Neuerung hat sich jetzt die Funktion der Ankerinvestoren verändert. Bisher kamen die „Cornerstone“-Investoren zum Einsatz, um das Absatzrisiko zu mindern. Inzwischen werden sie offensiv eingesetzt, um – wie bei Auto1 der bekannte Wagniskapitalfonds Sequoia Capital – das Vertrauen zu stärken und den Preis nach oben zu treiben.

Ein Dutzend Kandidaten

Neben Auto1 stehen in Deutschland zu Jahresbeginn nun ein Dutzend Börsenkandidaten in den Startlöchern. Am konkretesten sind die Pläne von Vantage Towers, der Funkmasten-Sparte von Vodafone, die mit einem Börsenwert von rund 20 Mrd. Euro im Frühjahr an die Frankfurter Börse gehen will.

Auch der Mode-Versandhändler About You aus dem Otto-Konzern, der Labordienstleister Synlab und der Betriebssystem-Anbieter Suse arbeiten an Börsengängen. BASF will ebenfalls mit dem Ölkonzern Wintershall Dea einen neuen Anlauf nehmen.

„Der US-Boom bei Börsengängen überträgt sich auch auf Europa. Durch die staatlichen Hilfsprogramme und die Nullzinspolitik der Notenbanken ist viel Liquidität im Markt. Treiber für IPOs sind neben den hohen Liquiditätsbeständen vieler Investoren vor allem die derzeit attraktiven Unternehmensbewertungen an den Börsen“, sagte Jan Kupfer, Leiter des Corporate & Investment Banking der Unicredit in Deutschland, der Börsen-Zeitung.

„Hier lassen sich oft tendenziell bessere Preise erzielen als etwa beim Verkauf an Finanzinvestoren. Viele Unternehmen nutzen die gute Gelegenheit. Wir sind auch mit einigen Firmen im Gespräch. Es würde mich wundern, wenn 2021 weniger als zehn Unternehmen an die Börse in Frankfurt gehen. Die Kandidaten stammen vor allem aus den Branchen, die von Covid-19 nicht betroffen sind oder sogar davon profitieren – vor allem E-Commerce, Digitalisierung und Healthcare“, ergänzt Jana Hecker, Leiterin Equity Capital Markets der Unicredit.

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