Zahlungsdienstleister

Angriff auf den Wirecard-Kronzeugen

Am elften Hauptverhandlungstag im Wirecard-Strafprozess streut der Anwalt des Hauptangeklagten Markus Braun erneut Zweifel an den Aussagen des Kronzeugen Oliver Bellenhaus.

Angriff auf den Wirecard-Kronzeugen

sck München – Am elften Hauptverhandlungstag im Strafprozess um den Betrugsfall Wirecard hat die Verteidigung des Hauptangeklagten, Ex-Konzernchef Markus Braun, versucht, Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Kronzeugen der Staatsanwaltschaft zu streuen. Bei Letzterem handelt es sich um den mitangeklagten Oliver Bellenhaus, den früheren Dubai-Statthalter des Zahlungsabwicklers aus Aschheim bei München.

In dem Mammutverfahren konnte erstmals Brauns Rechtsbeistand Al­fred Dierlamm direkt Fragen an Bellenhaus stellen. Dierlamm benötigte für den Vortrag seines 50-seitigen Schriftsatzes mehr als zwei Stunden. Seine finale Frage dabei lautete: „Haben Sie irgendeinen Sachbeleg dafür, dass Herr Dr. Braun von Manipulationen im Zusammenhang mit dem Drittpartnergeschäft von Wirecard Kenntnis hatte?“

Schweigerecht greift

Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Markus Födisch bekräftigte Bellenhaus zuvor, bei der Befragung durch die Anwälte der beiden Mitangeklagten – neben Braun ist das der ehemalige Konzern-Chefbuchhalter Stephan von Erffa – von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen.

An den zurückliegenden Verhandlungstagen zeigte sich Bellenhaus bei seiner Vernehmung durch den Vorsitzenden Richter und anschließend durch die Strafermittlungsbehörde sehr auskunftsfreudig. Die ihm gestellten Fragen beantwortete er umfassend. Dabei bezichtigte er Braun mehrmals der Haupttäterschaft und Mitwisserschaft bei den Bilanzbetrügereien. So zum Beispiel am zurückliegenden zehnten Verhandlungstag (vgl. BZ vom 26. Januar). Dort berichtete der Kronzeuge von einem Gespräch auf oberster Führungsebene am 24. Oktober 2019. Daran habe auch Braun teilgenommen. Seinerzeit ging es nach den Angaben des Kronzeugen um die Nachbearbeitung von damals echten Transaktionsdaten, um diese als (gefälschtes) Informationsmaterial aus dem angeblichen Drittpartnergeschäft (TPA) dem Wirtschaftsprüfer nachzureichen. Das zielte darauf ab, den Bilanzprüfern die Echtheit dieser TPA-Transaktionen vorzutäuschen.

Seinerzeit begann KPMG im Auftrag des Wirecard-Aufsichtsrats, die Bücher des Unternehmens genauer zu durchleuchten. In dieser Sonderprüfung stellte sich später heraus, dass das TPA-Geschäft eine jahrelange Luftbuchung war. Im Juni 2020 brach das einstige Dax-Mitglied unter der Last hoher Schulden zusammen.

Am siebten Verhandlungstag bezeichnete Bellenhaus den Hauptangeklagten als „Spiritus Rector“, also als denjenigen, der den Bilanzbetrug des Konzerns koordinierte (vgl. BZ vom 13. Januar).

Vor Gericht gestand Bellenhaus bereits, an den umfangreichen Bilanzfälschungen beteiligt gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft wirft den drei Angeklagten vor allem „gewerbsmäßigen Bandenbetrug“ vor. Nach dem früheren Wirecard-Vorstand Jan Marsalek wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Medienberichten zufolge soll er sich seit seiner Flucht im Frühsommer 2020 in Russland versteckt halten.

Die Justiz führt als Beschuldigten unter anderem auch Ex-Finanzvorstand Burkhard Ley, der bis Ende 2017 für Wirecard tätig war. Dessen damaligen Nachfolger, Alexander von Knoop, behandelt die Staatsanwaltschaft dem Vernehmen nach ebenfalls als beschuldigte Person.

Schuld zuvor zurückgewiesen

Nach Dierlamm wird auch von Erffas Verteidigung einen Schriftsatz von Fragen an den Kronzeugen vor Gericht vortragen. Dessen Anwältin Sabine Stetter kündigte an, dass das ebenfalls über zwei Stunden dauern wird. Auch diese Fragen wird Bellenhaus nicht beantworten. Ursprünglich war erwartet worden, dass Braun sich in der laufenden Woche zu den Tatvorwürfen direkt äußert. Das verschiebt sich nun. Kurz nach dem Prozessauftakt im Dezember wies Dierlamm die Vorwürfe der Strafermittler bereits zurück und wies dem Kronzeugen die alleinige Schuld an dem Betrug zu (vgl. BZ vom 13.12.2022).