Auf dem Sprung
Grüne und nachhaltige Geldanlagen sind keine Nische mehr, sie werden immer mehr zum Mainstream. Sie stehen vor enorm hohen Wachstumsraten in den nächsten Jahren.Von Kai JohannsenGreen und Sustainable Finance wird sich an den internationalen Kapitalmärkten in den kommenden fünf Jahren etabliert haben”, sagt Mandy DeFilippo, Chair des internationalen Kapitalmarktverbandes ICMA (International Capital Markets Association) und Head of Fixed Income and Commodities Risk Management bei Morgan Stanley in London. “Denn immer mehr Anleger – vor allem junge Investorengenerationen – fragen diese Kapitalanlageformen nach. Sie wollen nicht nur eine finanzielle Rendite erwirtschaften. Für sie ist es wichtig, mit ihrem Geld auch einen breiteren Impact zu erzielen. Mit wachsender Nachfrage der Investoren dürften Banken und Emittenten verstärkt solche nachhaltigen Produkte anbieten.”Green und Sustainable Finance – also grüne und nachhaltige Kapitalanlageformen – ist eine vergleichsweise junge Anlageform. Hinter sogenannten grünen Investments verbergen sich ganz konkrete Finanzierungen für Projekte im Bereich des Klima- und Umweltschutzes. Das können durchaus Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien wie etwa Wind, Solar oder Wasserkraft sein. Es geht aber auch um Themen wie Energieeffizienz, die Verschmutzungsprävention, also eine Reduktion der Luftverschmutzung, sauberen Transport sprich E-Mobilität, das Abwassermanagement oder die Anpassung an den Klimawandel sowie den Küstenschutz und das Management natürlicher Ressourcen, womit die Land- und Forstwirtschaft und die nachhaltige und artgerechte Tierhaltung angesprochen sind. Solche Projekte werden etwa über die Begebung von grünen Bonds finanziert. Die Erlöse aus einer solchen grünen Anleihe fließen dann in derartige Klima- und Umweltprojekte. Daneben gibt es auch soziale Themen, die finanziert werden, und folgerichtig wird von Social Bonds gesprochen. Haben Projekte sowohl einen grünen als auch einen sozialen Bezug, spricht man von nachhaltig. Was sich hinter solchen Projekten verbirgt, lässt sich sehr gut an der Definition des Begriffs Nachhaltigkeit seitens der EU ablesen: “Eine nachhaltige Entwicklung deckt die Bedürfnisse der heutigen Generationen ohne Beeinträchtigung der Möglichkeiten künftiger Generationen.” Green und Sustainable Finance ist an den internationalen Kapitalmärkten klar auf dem Vormarsch. Immer mehr Anleger wollen zwar weiterhin mit ihrem Geld eine finanzielle Rendite erzielen. Das ist immer noch ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, überhaupt in ein bestimmtes Kapitalanlageprodukt zu investieren. Aber es gibt eben auch immer mehr Anleger, die nicht nur diese finanzielle Rendite wünschen, sondern die mit ihrer Geldanlage auch einen Einfluss – den sogenannten Impact – erzielen wollen. Dabei handelt es zum Beispiel um die noch recht junge Anlegergeneration der Millennials – auch die “Jahrtausender” genannt. Das sind Menschen, die im Zeitraum der frühen 1980er Jahre bis in die späten 1990er Jahre geboren wurden, also in etwa kurz vor der Jahrtausendwende. Studien verdeutlichen, dass bei ihnen nicht etwa ein erneuter Krieg die größte Sorge ist. Sie machen sich mehr um den Klimawandel Gedanken. Das Thema nimmt auch bei viel jüngeren Generationen einen hohen Stellenwert ein, wie die Freitagsdemonstrationen (Fridays for Future) heute zeigen.Diese Anleger wollen, dass die auf dem Pariser Klimagipfel vereinbarten Ziele erreicht werden. Sie wissen, dass dies gewaltige Anstrengungen in Form von Projekten mit sich bringt und auch erhebliche Investitionen. Viele Experten sind sich darüber einig, dass die insbesondere in Deutschland immer wieder herumgereichten Multimilliardenbeträge dafür bei weitem nicht ausreichen werden. Bei Green und Sustainable Bonds handelt es sich um klassische herkömmliche Anleiheformen, wie bei einer Staatsanleihe oder Unternehmensanleihe auch. Der Unterschied ist, dass der Anleiheerlös konkreten Zwecken zugeführt wird, d. h., das Geld aus der Anleihe fließt etwa in die Finanzierung eines Offshore-Windparks in der Nordsee oder geht in ein Projekt des Abwassermanagements. Im Laufe der Jahre hat sich gezeigt, dass diese Anleihen die gleichen Zinsen (Renditen) abwerfen wie herkömmliche Anleihen. Der Emittent muss, obwohl er schon einen höheren Aufwand schultert, eben nicht auch noch einen höheren Zins bezahlen. Anders ausgedrückt: Anleger bekommen eben nur so viel Zinsen wie bei einer herkömmlichen Anleihe auch, aber sie wissen, dass sie mit ihrem Geld auch etwas Gutes, etwas Grünes oder Nachhaltiges tun. Das kommt bei vielen sehr gut an, und die Zahl derer, die auf diesen Zug aufspringen, wird immer größer. Ursprung in LuxemburgIhren Ursprung haben die grünen Anleihen im Großherzogtum Luxemburg. Dort ist die Europäische Investitionsbank (EIB) beheimatet, die Bank der EU. Sie hob im Jahr 2007 die grünen Anleihen aus der Taufe, ist also der Pionier dieser Anleiheform. Die grünen Bonds der EIB heißen korrekt Climate Awareness Bonds – kurz CAB. Mit diesen Bonds finanziert die Bank Klima-/Umweltschutzprojekte. Es erfolgt auch eine klare Zuordnung der Projekte zu den jeweiligen Bonds, ein Anleger kann sich also den Bond schon nach seinen eigenen Vorstellungen über den Finanzierungsgegenstand, d. h. das konkrete Projekt, heraussuchen, und dann diesen Bond für sein Portfolio auswählen. Anfangs wurde die EIB für ihre Idee der Klimaschutzanleihen von manchem ein wenig belächelt. Als Nische wurde der innovative Markt angesehen, dem kaum das Potenzial für ein kräftiges Wachstum und damit auch nicht die Fähigkeit der Etablierung eines anerkannten Marktes zugetraut wurde, der von Emittenten unterschiedlichster Lager bedient wird. In den vergangenen Jahren hat der Markt indes einen gewaltigen Boom erlebt (sieht Grafik der Green-Bond-Emissionen auf Seite 20). Betrugen die Emissionen im Jahr 2007 gerade 800 Mill. Euro, waren es im 2017 bzw. 2018 schon 147 bzw. 138 Mrd. Euro. Insgesamt verfügt der Green-Bond-Markt per Ende des ersten Quartals 2019 über ein ausstehendes Volumen von Schuldpapieren in der Höhe von umgerechnet mehr als 576 Mrd. Dollar. Das ist gemessen etwa am Staatsanleihemarkt – allein Deutschland kommt auf ein in etwa doppelt so hohes Volumen ausstehender Bundeswertpapiere – noch recht überschaubar. Doch ist der Markt noch recht jung und kann deshalb noch nicht die Volumina etablierter Schuldtitelmärkte haben; zudem wächst er recht kräftig. Sein Nischendasein hat er auf dem aktuellen Niveau auf jeden Fall hinter sich gelassen. Substanzielles Wachstum erwartetExperten gehen davon aus, dass der Markt weiterhin substanziell wachsen und auch weiterhin Rekordmarken bei den Emissionsvolumina aufstellen wird. Die EIB hat bis heute Green Bonds über rund 24 Mrd. Euro emittiert und ist weiterhin die bedeutendste Emissionsadresse dieses Segments weltweit, macht sich für den Markt aber auch noch in anderer Hinsicht verdient. Sie ist Standardsetzer und arbeitet fortwährend an der Weiterentwicklung mit. Dafür sitzt sie in verschiedenen Gremien und Arbeitsgruppen – auch auf EU-Ebene. Jüngste Innovation der EIB war im vorigen Jahr der erste Nachhaltigkeitsbond des Hauses, er läuft unter der Bezeichnung Sustainability Awareness Bond (SAB). Die Gelder gehen in Wasserprojekte. Angedacht ist, die Verwendung der Gelder auch auf soziale Themen auszuweiten. Im Gespräch sind hierbei Projekte im Bereich Gesundheit, Erziehung und sozialer Wohnungsbau.Längst sind es nicht mehr nur die multilateralen Entwicklungsbanken wie die EIB, die mit solchen Green Bonds am Markt auftreten. Staaten sind ebenfalls eine gut vertretene Emittentengruppe bei grünen Anleihen. In Europa hat etwa Frankreich grüne Staatsanleihen emittiert, seit dem vorigen Jahr sind auch Belgien und Polen mit von der Partie. Deutschland hält sich beim Thema grün und nachhaltig allerdings ausgesprochen bedeckt, was nicht überall auf Verständnis trifft, geht es doch um die Finanzierung und somit auch Realisierung wichtiger Klimaschutz- und Umweltprojekte, die für die heutige aber insbesondere für künftige Generation von essenzieller Wichtigkeit und Tragweite sind. Des Weiteren sind auch nationale Förderbanken, Geschäftsbanken und Unternehmen bei der Emissionen von grünen Anleihen mit von der Partie. Doch bei grünen Bonds und nachhaltigen Anleihen ist nicht Schluss. Es gibt auch noch andere Kapitalmarktformen, die auf Green oder Nachhaltigkeit ausgerichtet sind, zum Beispiel grüne oder nachhaltige Fonds. Vermögendere Kunden können sich bei Assetmanagern auch grüne oder nachhaltige Portfolios einrichten lassen, die dann nach ihren individuellen Kriterien verwaltet werden. In diesem Zusammenhang ist von ESG die Rede. E steht für Environment, also Umweltaspekte. S steht für Social, d. h. soziale Punkte und G für Governance, also die Unternehmensführung. Bei vielen Assetmanagern werden heute schon substanzielle Anteile der verwalteten Gelder nach ESG oder grünen und nachhaltigen Kriterien verwaltet. Die Tendenz ist steigend.Und verschiedene Finanzplätze in Europa haben sich klar auf die Fahnen geschrieben, dass sie das Thema Green und Sustainable verfolgen und zu einem grünen Finanzmarkt werden wollen. Das ist beispielsweise das erklärte Ziel der Franzosen. Aber auch im Nachbarland Luxemburg tut sich in dieser Hinsicht so einiges. Bei diesjährigen Ranking des Global Green Finance Index belegen Amsterdam, Zürich, Kopenhagen, Luxemburg, London, Stockholm, Paris, Montreal, Vancouver und Hamburg die Top Ten der Städte mit der ausgeprägtesten Infrastruktur in Sachen Green Finance. Luxemburg etwa hat in der zweiten Hälfte des Jahres 2016 eine grüne Börse ins Leben gerufen, die Luxembourg Green Exchange, die bereits heute die Hälfte aller weltweit begebenen grünen Anleihen listet, und ihr Angebot wächst stetig. “Mit der Luxembourg Green Exchange wollen wir nicht nur einen Listingplatz für grüne und nachhaltige Kapitalmarktprodukte anbieten und damit die Entwicklung von Green und Sustainable begleiten. Wir wollen damit auch ein klares Zeichen setzen, dass sich unser Finanzplatz klar in Richtung eines grünen und nachhaltigen Finanzplatzes entwickelt. Und da sind wir schon sehr weit, wie man am Global Green Finance Index ablesen kann. Dort liegen wir unter den Top Five weltweit”, sagt Robert Scharfe, CEO der Luxemburger Börse und der Luxembourg Green Exchange. Green und Sustainable ist für sich genommen eine positive Angelegenheit. Die Marktentwicklung selbst, der Boom und die Bewegung hin zum Mainstream, geben ebenfalls Anlass zur Freude. Aber es gibt auch ein Problem in diesem Markt, und das sind Definitionen und Standards. Derzeit gibt es keine einheitliche Antwort auf die Frage: Was ist denn eigentlich grün oder was ist nachhaltig? Das kann jeder Emittent immer noch in großen Teilen selbst für sich definieren. Das macht es insbesondere für Privatanleger schwer, sich im dichten Angebot an Produkten zurechtzufinden. Positiv ist, wenn sich Emittenten den Green/Social/Sustainable Bond Principles der ICMA verpflichtet sehen. Das gibt schon mal Sicherheit. Des Weiteren sind auch Labels eine wertvolle Hilfe, also wenn eine unabhängige Institution die Inhalte eines Kapitalmarktproduktes prüft und dann eine Zertifizierung vornimmt. “Ein Label gibt Anlegern Orientierung und auch Sicherheit. Denn das Label steht als Garant dafür, dass das Produkt auch hält, was es verspricht. Wir sehen uns an, ob diese Produkte grün oder nachhaltig sind, und vergeben dann erst eine entsprechende Zertifizierung. Und Anleger können sich auch gern persönlich bei uns über Inhalte von Produkten erkundigen, die wir zertifiziert haben”, sagt Mario Mantrisi, General Manager von Luxflag, einer auf grüne und nachhaltige Kapitalmarktprodukte ausgerichteten Labeling-Agentur in Luxemburg. Luxflag genießt den Vorteil einer Non-Profit-Organisation. Labels werden also nicht deshalb vergeben, weil das Ziel der Profitmaximierung dahintersteht.Das Problem nicht vorhandener einheitlicher Definitionen und fehlender Standards, die dem Markt und seinen Akteuren einen klaren Rahmen vorgeben und Anleger damit Sicherheit geben, wird aber bald ein Ende haben. Denn die EU-Kommission erarbeitet derzeit einen Aktionsplan für Sustainable Finance. Die Ergebnisse sollen im nächsten Jahr vorgelegt werden. Erarbeitet wird bei der EU-Kommission ein komplettes Rahmenwerk für grüne und nachhaltige Investments. Dazu zählt etwa ein Klassifizierungssystem, eine sogenannte Taxonomie. Das bedeutet: Es werden einheitliche Definitionen – wenn man so will, eine gemeinsame Sprache – für alle Akteure am Finanzmarkt geschaffen. Dann weiß man auch, was “grün” oder “nachhaltig” heißt. Wer sich dem nicht unterwirft, dessen Produkt kann der Anleger dann auch getrost aussortieren. Das soll auch dem Green Washing einen Riegel vorschieben. Denn Scharlatane, die sich als Trittbrettfahrer einen Vorteil verschaffen wollen, indem sie einfach nur etwas grün anmalen, was im Grunde genommen aber nichts mit Green Finance zu tun hat, werden kaum noch einen Fuß auf den Boden bekommen. Anleger können sie leicht identifizieren und aussortieren. Des Weiteren soll es einen EU-Green-Bond-Standard geben, um die Bonds klar einzugrenzen, und andere wichtige Maßnahmen mehr. Das ist genau der richtige Schritt, der den Markt voranbringen wird und der benötigt wird, um den Markt in Richtung des Retailanlegers zu bekommen – mit klaren Regeln, Definitionen und Standards.—- BUNDDer Bund erteilt grünen Staatsanleihen derzeit eine Absage. Auf absehbare Zeit wird es somit keine grünen Bundesanleihen geben. Die Deutsche Finanzagentur, die für das Schuldenmanagement des Staates verantwortlich ist, sieht ihre Aufgabe darin, den Staat so kostengünstig wie möglich an den Kapitalmärkten zu refinanzieren. Da grüne Bundesanleihen keine Kostenvorteile im Sinne niedrigerer Anleiherenditen bieten, kommen diese Instrumente für den Bund nicht in Frage. Auch bei jüngsten Prüfungen zu Green und Sustainable ist der Bund wiederum zum Ergebnis gekommen, dass Green Bonds nicht auf die Agenda kommen werden. Am Markt wird hingegen die Ansicht vertreten, dass grüne Bundesanleihen dieses Segment weiter voranbringen würden. Es würde dem Markt guttun, wenn auch der Bund – als bedeutendster Emittent der Eurozone – mit grünen Anleihen aufwarten würde und damit ein klares Zeichen setzt.