Auslandsbanken haben Appetit auf die Commerzbank
Der deutsche Bankenmarkt ist der attraktivste in ganz Europa, Auslandsbanken haben sich erhebliche Marktanteile gesichert. Die wollen sie ausbauen und dafür rücken auch Zukäufe auf die Agenda. Von daher kommen Großbanken wie Unicredit und ING gar nicht drum herum, eine Opportunität wahrzunehmen, sollte die Commerzbank auf den Markt kommen. Noch allerdings ist die Deutsche Bank am Zuge und könnte sich den bei der Transaktion entstehenden Badwill zunutze machen – Berlin sollte diesen keinem ausländischen Käufer überlassen.Von Björn Godenrath, FrankfurtFalls noch irgendjemand Zweifel daran hegt, dass die Commerzbank ein äußerst attraktives Asset im europäischen und deutschen Bankenmarkt darstellt, hier nur ein paar Fakten: Mehr als 18 Millionen Privat- und Unternehmerkunden vereint das Frankfurter Institut auf sich, bis 2020 werden 14 Millionen davon Privatkunden bei derzeit 1 000 Filialen sowie der Direktbank Comdirect sein. Hinzu kommen über 70 000 Firmenkunden, multinationale Konzerne, Finanzdienstleister und institutionelle Kunden weltweit. Außerdem hat die Bank ihre bilanziellen Altlasten beseitigt und in der Amtszeit von CEO Martin Zielke auch die strukturelle Verschlankung mit der Digitalisierung ihrer Prozesswirtschaft angegangen. Zudem arbeitet das Institut trotz hoher Sanierungskosten profitabel und ist (marginal) dividendenfähig.Da ist es kein Wunder, dass sich alles, was in Europa im Retail- und Firmenkundengeschäft Rang und Namen hat, zumindest grundsätzlich für eine Übernahme der Commerzbank interessiert. Von Unicredit und ING ist das verbürgt, andere leugnen gerne, weil allein das Blinzeln den Preis treibt – und man natürlich erst beim Großaktionär in Berlin vertraulich vorfühlen muss, ob der Bund an einen ausländischen Bieter verkaufen würde.Die unausgesprochene Antwort lautet nein. Denn Bundesfinanzminister Olaf Scholz und sein Staatssekretär Jörg Kukies verfolgen den geopolitischen Plan, dass es zumindest eine heimische Großbank mit globalen Ambitionen geben soll und haben von daher Deutsche Bank und Commerzbank ermutigt, eine Fusion mit den Blauen als aufnehmende Gesellschaft formal zu prüfen. Bis spätestens Ende kommender Woche soll das Ergebnis vorliegen – und je länger es dauert, desto wahrscheinlicher ist es, dass es tatsächlich zu einer Offerte kommt. Denn wenn bislang kein Dealbreaker gefunden wurde, dürfte es jetzt nur noch um Details gehen. So muss der Preis für Commerzbank-Aktien stimmen, sodass Zielke den Deal allen Aktionären zur Annahme empfehlen kann – ein Aufschlag von 20 % auf den Schnitt der letzten 30 Handelstage ist üblich. Günstige KonstellationDass Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing die Übernahmepläne so weit vorantreiben kann, liegt an einer äußerst günstigen Konstellation: Die Commerzbank notiert weit unter ihrem Buchwert, sodass die Deutsche Bank bei einer Übernahme damit rechnen kann, einen erheblichen Badwill von maximal 16 Mrd. Euro buchen zu können – je nachdem, wie viel dann doch im Zuge des M&A-Prozesses an Abschreibungen auf beiden Seiten anfällt und wie generös sich europäische und deutsche Bankenaufsicht bei der Anerkennung des Badwill-Postens zeigen, dient dieser Effekt doch der Aufrechterhaltung der Kapitalquote des fusionierten Instituts, das sofort heftige Restrukturierungskosten ansetzen dürfte. Außerdem stellt das eine einmalige Gelegenheit dar für die Deutsche Bank, bilanzielle Altlasten zu bereinigen, ohne gleich wieder bei den Aktionären vorstellig zu werden, die seit 2008 gut 30 Mrd. Euro in die Bank gegeben haben. Unbestätigten Gerüchten zufolge steht Großaktionär Katar bereit, um eine überschaubare Kapitalinjektion unter Ausschluss des Bezugsrechts zu zeichnen.Rein analytisch betrachtet, stellt der Badwill-Effekt einen Hebel zur Realisierung einer Transaktion dar, der natürlich auch den Auslandsbanken nicht entgangen ist. An der Stelle muss man allerdings anmerken, dass es aus bankenpolitischer Sicht ein wenig naiv wäre, solche M&A-Effekte einer ausländischen Großbank zugutekommen zu lassen – bis heute sind selbst viele ausländische Beobachter darüber verwundert, dass Deutschland 2005, ohne die politische Karte zu zücken, den Verkauf der HVB an die Unicredit für läppische 15 Mrd. Euro durchwinkte. Die italienische Großbank profitierte gigantisch von dieser Akquisition und wurde dank der Dividenden aus München – die kumuliert den Kaufpreis inzwischen überstiegen haben dürften – in der Finanzkrise über Wasser gehalten. Diese Form der Nachbarschaftshilfe ist sozusagen der Blueprint für die seit letztem Jahr von Politik und Regulierern geforderten grenzüberschreitenden Fusionen im EU-Bankenmarkt.Allerdings betreiben die jeweiligen Regierungen lieber zunächst die nationale Konsolidierung, wie es in Spanien, Italien und Portugal bei notleidenden Instituten zu beobachten war. So wurde 2017 im Rahmen einer Notrettung Banco Popular der Santander zugeschlagen, obwohl die Unicredit gerne mal einen Blick in den Datenraum geworfen hätte (siehe Text unten).Das ist die Ausgangslage – und da zumindest auf EU-Ebene großes Wohlwollen für grenzüberschreitende Bankenübernahmen herrscht, können sich ausländische Institute eingeladen fühlen, auf den Pitch für die Commerzbank einzusteigen: Sollte keine Fusion mit der Deutschen Bank zustande kommen, hätte der Bundesfinanzminister Argumentationsprobleme, um ausländischen Banken die Tür zu weisen. ING als deutsche Filialbank?So manche Konstellation wäre auch zu hinterfragen: Die ING würde zur Filialbank in Deutschland, was überhaupt nicht zum Direktbanken-Ethos passt, außer man würde sich nur die Comdirect einverleiben oder alle Privatkunden auf die Direktbank migrieren. Außerdem dürfte es sich bei dem angeblichen Angebot, den Firmensitz im Erfolgsfall von Amsterdam nach Frankfurt zu verlegen, um eine Ente handeln. Für die Unicredit wären beide Commerzbank-Geschäftsbereiche eine Bereicherung, da Synergieeffekte mit der HypoVereinsbank (HVB) bestehen – der ehemalige CoBa-Firmenkundenchef Markus Beumer ist mittlerweile in derselben Funktion in München tätig und bräuchte keine Einarbeitung, da er das Portfolio kennt.Immer wieder genannt als Interessent wird auch BNP Paribas, die aber fleißig dementiert. Sollte die Commerzbank auf dem Markt sein, ließe es sich für BNP-Chef Jean-Laurent Bonnafé kaum vermeiden, den Dialog mit Zielke und Scholz aufzunehmen: Als im Oktober 2017 Gerüchte über eine Annäherung an die CoBa aufkamen, erklärte ein Pariser Regierungssprecher bezüglich des Gerüchts der Unterstützung einer Transaktion durch Präsident Emmanuel Macron, es sei gut, dass sich die BNP “auch Deutschland und einer so wichtigen Bank wie der Commerzbank” zuwende. So viel dazu – Bankenfusionen sind nie feindlich und immer politisch aufgeladen, sofern es grenzüberschreitend wird. Von daher könnte ein Deal zustande kommen, sofern sich im politischen Prozess Spielraum für einen Kuhhandel eröffnet, frei nach dem Motto, dass Deutschland als Dankeschön für eine Commerzbank-Zustimmung im Gegenzug Unterstützung bei einem anderen EU-Projekt erfährt. Kostendegressive EffekteAber das ist blasse Theorie. Sollte die Deutsche Bank für geschätzte 12 Mrd. Euro inklusive Übernahmeprämie zum Zug kommen, begänne die Kärrnerarbeit der Integration. Das ist ja der Punkt, an dem die Zweifler ansetzen: Ist die Deutsche Bank in der Lage, die Synergien zu realisieren, die sich aus den kostendegressiven Effekten bei der Abschaltung von Infrastruktur der Commerzbank grundsätzlich ergeben? Und gibt es ausreichend Wachstumssynergien, welche den geschätzten Verlust operativer Erträge von rund 1,5 Mrd. Euro aus dem Zusammenschluss überkompensieren? Und wie sieht das Personaltableau aus? Dort muss die Commerzbank ausreichend Repräsentanz finden, sonst droht eine vergiftete Atmosphäre zu explodieren. Der Commerzbank bleibt für den Moment nur eine Genugtuung: Ihre Aktie sieht bei 8,092 Euro zumindest optisch besser aus als die Deutsche bei 7,825 Euro.