Bausparkassen dringen bei EZB auf regulatorische Erleichterungen
Im Interview: Jörg Münning
„Wir würden bestraft, wenn wir uns zusammenschließen“
Der LBS-Nordwest-Chef und Bundessprecher der Landesbausparkassen über die Forderung regulatorischer Erleichterungen an die europäische Finanzaufsicht
Die Bausparkassen in Deutschland dringen im Gespräch mit der EZB auf regulatorische Erleichterungen. Die europäischen Anforderungen müssten sich am Risiko und nicht allein an der Größe der Institute orientieren und sollten nationalem Recht nicht widersprechen, sagt Jörg Münning für die Landesbausparkassen.
Herr Münning, Sie hören Ende September als Vorstandschef der LBS Nordwest auf. Ihre Nachfolge ist seit vorigem Herbst geregelt. Wie sieht es beim Posten des Vorsitzenden der LBS-Bausparkassenkonferenz aus, den Sie seit 2018 innehaben?
Mein Nachfolger als Vorsitzender der Bausparkassenkonferenz wird nach unserer Sitzung am 18. September bekannt gegeben.
Zur Person
Seit November vergangenen Jahres steht fest, dass Jörg Münning die Führung der LBS Nordwest Ende September 2025 an Vorstandsmitglied Frank Demmer abgeben wird. Münning wechselt nach 45 Jahren Tätigkeit in der Sparkassenorganisation in den Ruhestand. Wer den bald 65 Jahre alten gebürtigen Ostfriesen, der seine berufliche Laufbahn 1980 mit einer Banklehre bei der Sparkasse Bremen begann, als obersten Repräsentanten aller heute noch fünf Landesbausparkassen in Deutschland ablösen wird, steht offiziell noch nicht fest. Die Nachfolge für den Vorsitz der LBS-Bausparkassenkonferenz läuft wohl, wie aus Berlin verlautet, auf Stefan Siebert hinaus, Vorstandschef der LBS Süd. Münning war Vorstandsmitglied der Kreissparkasse Steinfurt, ehe er 2012 zur damaligen LBS West und damit ins Lager der öffentlich-rechtlichen Bausparkassen wechselte. Zwei Jahre später übernahm der Diplom-Kaufmann den Vorstandsvorsitz des Instituts, das sich 2023 mit der LBS Nord zur LBS Nordwest zusammenschloss. Bundessprecher der LBS-Gruppe wurde Münning Anfang 2018. Auf diesem Posten wurde der Werder-Bremen-Fan zweimal wiedergewählt. Verabschiedet wurde Münning im Sparkassenlager bereits. Noch kurz vor der Übergabe seiner Aufgaben setzt er sich aber noch im Dialog mit der Finanzaufsicht für die Interessen der Bausparkassen ein. Und in wenigen Tagen will der begeisterte Fußballer noch bei einer Begegnung der Werder-Traditionsmannschaft gegen die Preußen-Münster-Legenden an seinem westfälischen Wohnort für einige Minuten auf dem Platz stehen.
Zu Beginn Ihrer Amtszeit als Bundessprecher gab es acht Landesbausparkassen, heute sind es noch fünf. Hat Ihnen diese Flurbereinigung so vorgeschwebt?
Konsolidierung hat es in der Gruppe der Landesbausparkassen ja auch vorher schon gegeben. Ich erinnere an die Übernahme der LBS Bremen durch die LBS West im Jahr 2014 oder an die 2016 vollzogene Fusion zwischen der LBS Baden-Württemberg und der LBS Rheinland-Pfalz zur LBS Südwest. Über Zusammenschlüsse, wie sie dann 2023 zwischen der LBS Bayern und der LBS Südwest, der LBS West und der LBS Nord sowie der LBS Ost und der LBS Schleswig-Holstein-Hamburg vereinbart wurden, entscheiden die jeweiligen Eigentümer. Aber Konsolidierung voranzubringen und notwendige Voraussetzungen zu schaffen, war schon auch Teil meiner Agenda als Vorsitzender der Landesbausparkassenkonferenz.
Dass es in der LBS-Gruppe Konsolidierung geben müsste, erschien mir auch als amtierender Sparkassenvorstand bis 2012 schon naheliegend.
Warum?
Dass es in der LBS-Gruppe Konsolidierung geben müsste, erschien mir auch als amtierender Sparkassenvorstand bis 2012 schon naheliegend. Ein damals noch knappes Dutzend Landesbausparkassen musste doch nicht auf Dauer mit drei unterschiedlichen IT-Systemen arbeiten. So wurde ein großes mehrjähriges Projekt aufgesetzt, das dazu führte, dass seit 2019 alle Landesbauparkassen in Deutschland eine einheitliche IT-Plattform unseres Dienstleisters Finanz Informatik nutzen. Diese Vereinheitlichung, die es ermöglichte, im Sinne der Sparkassen Kosten zu senken, habe ich als Vorsitzender der LBS-Bausparkassenkonferenz aus tiefer Überzeugung unterstützt.
Was hat die IT-Zentralisierung gekostet?
Rund 100 Mill. Euro. Die Investitionen haben wir damals im Lager der Landesbausparkassen trotz des Drucks auf die Ertragslage während der Niedrigzinsphase gestemmt. Das war nicht erfreulich, aber eben sinnvoll.
Das war nicht erfreulich, auch weil Sie zugleich in den Sicherungsfonds der Landesbausparkassen einzahlen mussten?
Ja, das kann man so sagen. Wir als fusionierte ehemalige LBS West und LBS Nord haben über ein Jahrzehnt hinweg zusammen knapp 130 Mill. Euro in den Sicherungstopf geleistet. In Anspruch genommen wurde er natürlich nicht. Inzwischen gibt es auf Geheiß der Bankenaufsicht aber einen Nachfolgetopf, den wir ebenfalls jetzt als Spezialinstitute mit unserem risikoarmen Geschäftsmodell ab 2025 auffüllen müssen.
Regulatorische Anforderungen, Niedrigzinsphase und die IT-Zentralisierung haben dann auch die
Fusionswelle unter den Landesbausparkassen 2023 gefördert?
Die Umstände haben die Verständigung zwischen den LBS-Eigentümern sicherlich erleichtert.
Rechnen Sie mit weiteren Zusammenschlüssen im LBS-Lager?
Ich will das nicht ausschließen, aber wie gesagt: Entscheiden müssen die jeweiligen Eigentümer. Derzeit sind mir keine Gespräche über Fusionen bekannt. Wir würden ja auch eher bestraft, wenn wir uns weiter zusammenschließen und zu größeren Bilanzsummen kommen.
Mein Eindruck ist, dass es im Moment kein großes Interesse gibt, den Aufwand durch neue Fusionen weiter zu erhöhen.
Weil Ihr Haus im Falle einer Fusion mit der LBS Nordost wie bereits heute die LBS Süd auf eine Bilanzsumme von über 30 Mrd. Euro käme, als systemrelevant eingestuftes Kreditinstitut der direkten Aufsicht durch die EZB unterstellt würde und damit einen noch höheren Aufwand durch Regulierung zu bewältigen hätte?
Mein Eindruck ist, dass es im Moment kein großes Interesse gibt, den Aufwand durch neue Fusionen weiter zu erhöhen. Was nicht heißen soll, dass Zusammenschlüsse von Landesbausparkassen in Zukunft nicht mehr sinnvoll sind. Aber die Zahl der Landesbausparkassen in Deutschland hat sich innerhalb der vergangenen zehn Jahre schon auf fünf halbiert. Fusionen müssen auch verdaut werden. Es gibt ja noch andere Formen der Zusammenarbeit.
Konsolidierung wird für Ihren Nachfolger als LBS-Bundessprecher weniger dringlich sein als für Sie?
Weitere Fusionen von Landesbausparkassen werden sicherlich nicht ganz oben auf der Agenda stehen. Wichtig für unsere Gruppe ist die Zusammenarbeit mit den Sparkassen und die Einbindung in Projekte. Dabei hilft uns die verbesserte Position innerhalb der Sparkassenorganisation als vollwertiges Mitglied im Gesamtvorstand des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV).
Was meinen Sie damit?
Der regulatorische Aufwand hat auch für eine Landesbausparkasse wie die LBS Nordwest mit einer Bilanzsumme von unter 30 Mrd. Euro erheblich zugenommen, weil wir auf nationaler Ebene nur aufgrund der Größe als potenziell systemrelevantes Institut und aus europäischer Sicht als sogenannte High-Impact Less Significant Institution eingestuft werden. Das hat zur Folge, dass die nationale Aufsicht über die LBS Nordwest mehrmals im Jahr an die EZB berichten muss, obwohl wir der direkten Aufsicht durch die EZB nicht unterstehen.
Das heißt für Ihr Haus?
Wir führen zweimal im Jahr Aufsichtsgespräche. Wir müssen eine Vielzahl an Szenarien durchrechnen. Die Parameter passen aber zum Teil nicht für das Bauspargeschäft, da hier das seit über 50 Jahren funktionierende deutsche Bausparkassengesetz greift. Wir bemühen uns gemeinsam mit den privaten Bausparkassen darum, im Dialog mit der EZB und den nationalen Aufsichten passende Parameter zu finden, die die Besonderheiten der deutschen Bausparkassen als Spezialkreditinstitute regulatorisch berücksichtigen. Das ist nicht zuletzt auch für den Vorsitzenden der LBS-Bausparkassenkonferenz eine wichtige Aufgabe. Der nächste Stresstest steht dann im Frühjahr 2026 an.
Wir möchten den Konflikt, inwieweit europäisches oder nationales Recht gilt, gerne auflösen.
Worum geht es in den Gesprächen mit der EZB?
Es geht darum, die Eigenarten des Geschäftsmodells von Bausparkassen zu verdeutlichen. Zugleich weisen wir darauf hin, dass geltendes nationales Recht zu berücksichtigen ist. Wir möchten den Konflikt, inwieweit europäisches oder nationales Recht gilt, gerne auflösen.
Die EZB versteht das Geschäftsmodell der deutschen Bausparkassen nach wie vor nicht, obwohl mit Wüstenrot und der LBS Süd zwei Häuser doch seit diesem Jahr direkt von ihr beaufsichtigt werden?
Wir sprechen mit der EZB über die Eigenschaften und Anforderungen der Bausparkassen. Vorgaben für die gesamte europäische Bankenbranche lassen sich aus unserer Sicht nicht einfach auf die überschaubare Anzahl von einzelstaatlich tätigen Bausparkassen übertragen, die Spezialkreditinstitute sind. Die Bundesbank hat für die Aufsicht der einzelnen Bausparkassen in Deutschland ein spezielles Kompetenzzentrum errichtet, was ich sehr begrüße. Die EZB baut jetzt für zwei Institute in Deutschland spezielle Expertise auf, obwohl es doch sinnvoller wäre, die Aufsicht über das Bausparkassenwesen in Deutschland Institutionen zu überlassen, die sich mit den Eigenschaften schon lange auskennen. Die EZB übt damit Einfluss auch auf andere Institute aus mit Vorgaben, die nicht passen.
Sie kritisieren, dass die EZB ihren Einfluss als europäische Finanzaufsicht unangemessen ausdehnt?
Die Bilanzsummengrenze von 30 Mrd. Euro auch auf Bausparkassen mit ihrem risikoarmen Geschäftsmodell anzuwenden, ist zu hinterfragen. Die LBS Nordwest ist aus dem Zusammenschluss von LBS West und LBS Nord hervorgegangen und kommt auf eine Bilanzsumme von rund 22 Mrd. Euro. Wir sind sicherlich nicht mehr klein, aber nach wie vor nur in vier Bundesländern regional tätig. Die Geschäftsmodelle der beiden Vorgängerinstitute waren risikoarm. Durch die Fusion haben die Risiken nicht zugenommen.
Das Aufsichtsrecht muss sich am Risiko orientieren und nicht allein an der Größe.
Sie zielen auf ähnliche Erleichterungen ab, wie sie die deutsche Finanzaufsicht derzeit für kleinere und mittlere Kreditinstitute erwägt?
Die Anforderungen müssen risikoarme Geschäftsmodelle angemessen berücksichtigen. Das Aufsichtsrecht muss sich am Risiko orientieren und nicht allein an der Größe.
Heißt das auch, Bausparkassen in Deutschland sollten unabhängig von ihrer jeweiligen Größe allein durch nationale Behörden beaufsichtigt werden?
Aus meiner Sicht: Ja. Ich nenne Ihnen auch noch einen anderen Grund: In vielen Branchen, auch in der Kreditwirtschaft, reden wir doch davon, dass Bürokratie abgebaut werden muss. Wir erleben derzeit, dass aufsichtsrechtlich genau das Gegenteil passiert. Der Aufwand in diesem Zusammenhang nimmt stetig zu. Wachsen aber die Kenntnisse über uns Bausparkassen, wenn wir nun mehrere Aufsichtsgespräche im Jahr führen und über 200 Stressszenarien im Jahr rechnen müssen? Wir haben im Juli den jährlich aktualisierten Sanierungsplan eingereicht, in dem wir uns anhand von 20 Parametern selbst einem künstlichen Stresstest unterziehen müssen. Wir dürfen dabei alle Instrumente anwenden, die uns als Bausparkasse auf nationaler Basis zur Verfügung stehen. Auch dieser Bericht mit fast 500 Seiten verdeutlicht unser seriöses Geschäftsmodell.
Nach europäischen Stresstest-Vorgaben dürfen Sie nicht alle Instrumente nutzen?
Das ist so. Liquidität beispielsweise können wir uns nicht nur durch den Verkauf von Wertpapieren beschaffen.
Wenn Sie mit Ihren Erläuterungen des Geschäftsmodells von Bausparkassen bei der EZB nicht durchdringen: Fehlt es an Rückendeckung?
Sie können davon ausgehen, dass unsere Positionen als Landesbausparkassen in Gesprächen bei der EZB mit dem DSGV abgestimmt sind und auch die BaFin und die Bundesbank informiert sind.
Es wäre schon ein Fortschritt, wenn es europäische Anforderungen an Bausparkassen gäbe, die dem nationalen Recht nicht widersprechen.
Wird die Beschäftigung mit dem Aufsichtsregime die wichtigste Aufgabe Ihres Nachfolgers als Bundessprecher der Landesbausparkassen sein?
Es wäre schon ein Fortschritt, wenn es europäische Anforderungen an Bausparkassen gäbe, die dem nationalen Recht nicht widersprechen. Darauf hinzuwirken, bleibt eine wichtige Aufgabe, nicht nur für den Vorsitzenden der LBS-Bausparkassenkonferenz.
Wenn jetzt Banken oder einzelne Institutsgruppen immer mehr aufsichtsrechtliche Ausnahmen oder Erleichterungen bei den Anforderungen durchsetzen, verliert die Aufsicht Wirkung.
Ich verstehe diese Bedenken sehr wohl. Sind aber Bausparkassen in der Lage, mit ihrem Geschäftsmodell eine Systeminstabilität zu verursachen? Ich bin zuletzt davon überzeugt, dass das nicht der Fall ist. Umgekehrt erweisen wir uns in Krisen als stabil. Denn auch in der langen Niedrigzins- und Negativzinsphase und dem Zinssprung haben wir uns behaupten können.
Wenn alle Landesbausparkassen miteinander fusionieren würden, würde ein Institut mit einer Bilanzsumme von mehr als 80 Mrd. Euro entstehen. Das wäre aus Ihrer Sicht nicht systemrelevant?
Ich betone noch einmal: Größe ist angesichts der Besonderheiten der Bausparkassen nicht der entscheidende Maßstab. Die Geschäftsrisiken werden nicht größer, weil fusioniert wird. Das Geschäftsmodell der Bausparkassen hat sich über die vergangenen 100 Jahre hinweg immer bewährt. Es wird angespart, Darlehen werden weiterhin aus dem Kollektiv vergeben. Es gibt nach wie vor Bewertungszahlen, mit denen gesteuert wird. Es bleibt Aufgabe des Managements, Zinsmanagement zu betreiben. Krisenfälle gab es im Lager der Bausparkassen nicht.

LBS Nordwest
Aus Ihrem Geschäftsbericht 2024 geht eine Gelbeinstufung der LBS Nordwest im DSGV-Risikomonitoring zu den Stichtagen 30. Juni und 30. September hervor. Das nimmt auch eine europäische Finanzaufsicht wahr.
Die sieht das, keine Frage. Die Einstufung ergab sich aber zum einen im Zusammenhang mit unserer Fusion und den Kosten. Zum anderen wirkte sich die Zinsentwicklung und die Bewertung von Wertpapieren aus. Bausparkassen verfolgen eine Buy-and-hold-Strategie in der Gelanlage. Wir handeln nicht mit Wertpapieren, dürfen das auch nicht. Wir kaufen Wertpapiere und halten diese über einen bestimmten längeren Zeitraum. Kursveränderungen in der Zwischenzeit sind im Grunde nicht maßgeblich. Aufgrund einer von der EZB über das Sicherungssystem festgelegten Kennzahl, die die Relation der Reserven betrifft, müssen wir die Kurse aber mit allen Abschlägen bewerten. Würden wir verkaufen, hätten wir Kursverluste buchen müssen. Das tun wir aber nicht. Seit 2025 sind wir übrigens wieder im Grün-Status.
Per Ende 2024 standen mit insgesamt rund 431 Mill. Euro erhebliche zinsinduzierte stille Lasten bei den Geldanlagen zu Buche. Ein kurzfristiger Abfluss von Liquidität könnte den Verkauf von Geldanlagen erfordern und zur Realisierung der stillen Lasten führen, was auf Ergebnis und Kapital durchschlagen würde. Sie erwarten aber 2025 die dauerhafte Rückkehr zum Grünstatus im Risikomonitoring, heißt es im Bericht weiter.
Ja, und außerdem gibt es andere Mittel zur Liquiditätsbeschaffung. Aber wie gesagt: Es gibt Kündigungsfristen. Kunden können ihre Verträge heute kündigen, das Geld aus dem Vertrag gibt es aber erst in sechs Monaten. Das ist so geregelt. Was die Geschäftsentwicklung angeht, sind wir mit dem vergangenen Jahr vor dem Hintergrund der Fusion zufrieden. Die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sehen wir insgesamt als gut an. In diesem Jahr erwarten wir infolge der Schließung eines Spezialfonds, der Realisierung von stillen Lasten im einstelligen Millionenbereich sowie der weiteren Mittel zur Liquiditätsbeschaffung ein deutlich geringeres Risikoergebnis als im vergangenen Jahr. Das Vorsteuerergebnis wird das Vorjahresergebnis von knapp 47 Mill. Euro voraussichtlich leicht übertreffen – wobei wir im vergangenen Jahr einen positiven Sondereffekt von 24 Mill. Euro hatten, sodass sich das operative Ergebnis verdoppelt hat. Auch bei der Kernkapitalquote erwarten wir einen leichten Anstieg.
Das Neugeschäft verlief 2024 nach Einführung Ihres neuen Tarifsystems im Zuge Ihrer Fusion deutlich schwächer als geplant. Die Bruttobausparsumme sank um 20% auf 9 Mrd. Euro, das eingelöste Neugeschäft schrumpfte um 17% auf 8,3 Mrd. Euro. Läuft es in diesem Jahr besser?
Wir haben die erste technische Möglichkeit im Zuge der Fusion genutzt, die Tarifmodelle der beiden Vorgängerinstitute zu harmonisieren. Das war für das Zusammenwachsen des Hauses wichtig. Im Nachhinein kann man sagen, dass es angesichts der Zinsentwicklung besser gewesen wäre, die neuen Bauspartarife einige Monate später einzuführen. Wir mussten aber den Tarif schon fast ein Jahr im Voraus anmelden, das heißt im Spätsommer 2023 für Juni 2024. Die Zinsentwicklung nach dem Zinssprung ließ sich zu dem Zeitpunkt nicht genau abschätzen. Beim Einlagenzins, der heute gegenüber dem Darlehenszins wieder wichtiger geworden ist, müssen und wollen wir wieder attraktiver werden. Im kollektiven Kreditgeschäft, das heißt im reinen Finanzierungsgeschäft, liegen wir über Plan. 2025 werden wir an die 900 Mill. Euro herankommen, rund 150 Mill. Euro mehr als geplant. Und erfreulich: Das außerkollektive Geschäft entwickelt sich deutlich über Plan – das bestätigt, dass wir auf dem richtigen Kurs sind.

Wo verdienen Sie derzeit Geld?
Geld verdienen wir derzeit weniger im Neugeschäft als vielmehr dadurch, dass die später in Anspruch genommenen Darlehen uns Zinserträge generieren.
Wie beurteilen Sie denn die Vertriebsleistung nach der Fusion?
Wir sehen auch im Vertrieb noch Raum für Optimierung. Die Fusion ist insofern auch noch nicht abgeschlossen, auch wenn wir beim Zusammenwachsen weit fortgeschritten sind. Unser Fusionsmotto lautete: funktionieren vor optimieren. Nicht zuletzt können wir mit den rund 110 Sparkassen in unserem Geschäftsgebiet zukünftig noch enger zusammenarbeiten. Zunächst kam es auf die Harmonisierung der Vertriebssysteme an, jetzt muss auch dort optimiert werden.

LBS Nordwest
Die im vergangenen Jahr genannten Mittelfristziele bis 2028 gelten noch?
Ja. Das eingelöste Neugeschäft soll mindestens bei 10 Mrd. Euro liegen, das außerkollektive Kreditgeschäft bei 750 Mill. Euro. Beim Vorsteuerergebnis halten wir 2028 nach wie vor 160 bis 170 Mill. Euro für möglich, beim Jahresüberschuss, der im vergangenen Jahr auch wegen Sondereffekten bei 29 Mill. Euro lag, streben wir weiterhin 100 Mill. Euro an.
Bleibt es auch dabei, die Vollzeitstellenzahl auf 725 zu senken? Oder wird Ihr Nachfolger als LBS-Chef nachjustieren?
Nein, davon gehe ich nicht aus. Die Rolle des „bad guy“ hätte ich sonst auch noch vor meinem Ausscheiden übernommen (lacht).
Wird es eine neue Strategie mit Ihrem Nachfolger geben?
Die Planungen dazu sind noch nicht abgeschlossen, aber auch Anpassungen wird es sicherlich geben. Vieles ist aber schon vorgegeben. Wir wollen noch enger mit den Sparkassen zusammenarbeiten, gerade im Vertrieb. Auch im Bereich von einzelnen Zielgruppen wie Wohnbaugesellschaften oder im Bereich von Kommunalkrediten können wir uns stärker engagieren.
Kommunen würden viel stärker im Wohnbereich investieren, wenn sie könnten.
Das trifft zu. Die Finanzlage in vielen Kommunen ist prekär. Deshalb sind jetzt Entlastungen so wichtig, etwa durch Zuwendungen aus dem Sondervermögen des Bundes oder durch regulatorische Erleichterungen. Letztlich muss es ja darum gehen, die Wohnbautätigkeit wieder zu verstärken, bezahlbares Wohnen zu ermöglichen und den Erwerb von Wohneigentum zu vereinfachen. Das selbstgenutzte Wohneigentum ist immer noch die beliebteste Form der Altersvorsorge.
Wie beurteilen Sie die Pläne der neuen Bundesregierung?
Die Lage ist wirklich ernst. Bezahlbares Wohnen gerade in Ballungsräumen ist wesentlich für den sozialen Zusammenhalt in der Zukunft. Selbst genutztes Wohneigentum ist wichtig, denn Studien zeigen ja, dass bei Umzügen in ein Eigenheim häufig Mietwohnräume frei werden. Im Moment ist aus meiner Sicht nicht klar erkennbar, ob die Bundesregierung entschlossen genug handelt. Politische Neubauziele wurden in den vergangenen Jahrzehnten ständig verfehlt. Bei der Wohneigentumsquote ist Deutschland nach wie vor Schlusslicht in der EU, in Europa hat nur die Schweiz einen noch niedrigeren Anteil. Dafür gibt es Gründe. Einer davon ist unverändert, dass die Baunebenkosten und die Bauanforderungen zu viel Kapital erfordern. Wichtig wäre aus meiner Sicht, dass Wohneigentum als Form der Altersvorsorge stärker unterstützt wird. Dieser Appell ist aber auch nicht neu, muss aber endlich umgesetzt werden.
Das Interview führte Carsten Steevens.