Bei Problemkrediten steigt der Leidensdruck
Bei Problemkrediten steigt der Leidensdruck
Im Gespräch: Thomas Landschreiber und Markus Dickopf
Mehr Leidensdruck bei Problemkrediten
Die Partner der Investmentboutique 777 Capital Partners erwarten eine verstärkte Abgabe von Non Performing Loans (NPL)
Von Thomas List, Frankfurt
Thomas Landschreiber, Founding Partner der auf NPL spezialisierten Investmentboutique 777 Capital Partners, rechnet in Zukunft nicht mit einer größeren NPL-Welle wie nach der Lehman-Pleite. Im Gegensatz zu den meisten Banken dürften Mezzanine-Kreditgeber mit ihren höheren Beleihungswerten und dem höheren Zinsdienst größere Probleme haben. „Jetzt dürften immer mehr Stillhalte-Vereinbarungen, die vor ein oder zwei Jahren abgeschlossen wurden, auslaufen“, sagt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Daher habe 777 jetzt mehrere NPL-Transaktionen in der Pipeline. „Zwei kommen von kleineren ausländischen Banken, die in Deutschland zu Boomzeiten finanziert haben, aber über kein lokales Immobilien-Knowhow verfügten.“ Dabei geht es um acht bis zehn Darlehen über insgesamt 20 bis 30 Mill. Euro. Solche Größen sind nach Landschreibers Beobachtung im Moment typisch. Neben Kreditpaketen würden aber auch Einzeldarlehen im einstelligen oder niedrigen zweistelligen Mill. Euro Bereich angeboten. „Insgesamt sehen wir im Moment NPLs zwischen 5 und 50 Mill. Euro.“
Pensionskassen haben sich verführen lassen
Auch einige Pensionskassen haben in der Null-Zins-Phase Mezzanine-Kredite vergeben. „Viele dieser Pensionskassen verfügen für Projektentwicklungen oder Repositionierungsobjekte keine Darlehens- und Immobilienspezialisten. Verführt wurden sie durch die Aussicht auf 7 oder 8% Zinsen und eine Immobilie als Sicherheit.“ Über eine Workout-Abteilung, die sich um die Sanierung oder Sicherung von finanziellen Engagements kümmert, die durch Ausfall bedroht sind, verfügten die Pensionskassen erst recht nicht, gibt Landschreiber zu bedenken. „Da kommt jetzt das eine oder andere auf den Markt, auch von den Adressen, die sich vor ein oder zwei Jahren noch in einer komfortablen Position wähnten“, so seine Prognose.
Markus Dickopf, Managing Partner von 777, verweist auf regulatorische Vorgaben: „Als Bank muss ich unbesicherte notleidende Kredite stufenweise erst nach drei Jahren nach der Klassifizierung als NPL voll mit Eigenkapital hinterlegen. Bei besicherten Darlehen ist das erst nach sieben und bei immobilienbesicherten Darlehen erst nach neun Jahren der Fall. Sprich wir haben jetzt die ersten Fälle, bei denen die Eigenkapitalrücklagen langsam steigen. Das erhöht den Druck auf die Banken.“
Seit der Lehman-Krise agieren die Banken bei der Kreditvergabe vorsichtiger, sprich mit niedrigeren Beleihungshöhen. Daher gibt es nach der jüngsten Immobilienkrise deutlich weniger gefährdete Kreditengagements. Mit ihnen gehen deutsche Banken zurückhaltender vor als angelsächsische. „Bei Problemen spricht man mit dem Kunden, trifft Stillhalte-Vereinbarungen, stellt Pläne auf, hofft auf Verbesserungen, vielleicht auch durch sinkende Zinsen“, beobachtet Dickopf.
Wenig sichtbar
Das hatte für das auf die NPL-Verwertung spezialisierte Gesellschaft gravierende Auswirkungen: „Wir haben in den vergangenen fünf Jahren sehr wenige leistungsgestörte Kredite gesehen", berichtet Landschreiber. „Die Banken sagen, sie hätten keine Probleme mit ihrer Bilanz. Selbst Mezzanine-Kreditgeber, bei denen wir von Problemen wussten, äußerten uns in Gesprächen, sie fühlten sich komfortabel.“ Vermutlich wollten sie die Pensionskassen nicht bloßstellen. „Jeder versuchte seinen Ruf zu retten und durch Verlängerungs- und Stillstands-Vereinbarungen Zeit zu gewinnen.“
Immerhin konnte 777 nach eigenen Angaben im September ein Non-Performing-Loan (NPL)-Portfolio mit einem Nennwert (Face Value) von 40 Mill. Euro erwerben. Die enthaltenen 30 Darlehen sind mehrheitlich durch Immobilien besichert. Das Paket stammte von einer kleinen Regionalbank, die von der BaFin abgewickelt wurde. In diesem Falle gab es nur einen Abwickler für die komplette Bank. Damit war keine spezielle Immobilienexpertise vorhanden. „Die Kunden, die mit ihren Zahlungen im Rückstand waren, haben jede Möglichkeit genutzt, nicht zu zahlen.“
Unentgeltliche Arbeit
„Wir haben die Bank im Zuge des Ankaufs des Portfolios mehr als ein Jahr unentgeltlich unterstützt und ihr dabei geholfen, aus dem Immobilien-Portfolio so viel Geld wie möglich zurückzubekommen“, sagt Dickopf. Als der Erfolg der Gesamtabwicklung absehbar war, wurde die NPL-Transaktion abgeschlossen: „Dabei haben wir der Bank die rückständigen Kredite, die sie noch auf den Büchern hatte, mit einem Abschlag abgekauft.“ Bis auf acht Darlehen seien schon alle zurückgeführt, „größtenteils im Einvernehmen mit den Kreditnehmern“, ergänzte Dickopf. „Vom Volumen ist das etwa die Hälfte. Zwangsversteigerungen mussten wir bisher nicht einleiten.“
Geldgeber sind bei Investmentboutiquen wie 777, neben den Inhabern mit 5 bis zu 30% (Alignment of Capital), Family Offices und kleinere Immobiliengesellschaften. NPL-Portfolien können auch über eine Spezialfinanzierung beliehen werden (Loan-on-Loan). „Nach der Akquise müssen wir jeden Deal unseren Investoren vorstellen und genehmigen lassen.
Die Zeiten für diskretionäres Kapital sind vorüber“, stellt Landschreiber fest.
Landschreiber erläuterte an einem Beispiel die Vorteile einer privaten Gesellschaft im Umgang mit den Schuldnern. „Ein Darlehen von 1 Mill. Euro übernehmen wir zum Beispiel für 600.000 Euro. Dann könnten wir auf den Darlehensnehmer zugehen und ihm anbieten, das Darlehen innerhalb einer bestimmten Zeit für 800.000 Euro abzulösen. Er hätte dann 200.000 Euro gespart und wir hätten 200.000 Euro im Vergleich zum Kaufpreis gewonnen.“ So könne eine Bank nicht vorgehen denn: „Steht das in der Zeitung, würden alle Kreditkunden der Bank ihre Zahlungen einstellen und einen Abschlag bei den Tilgungen verlangen.“
Vorteile im Atmosphärischen
Das ist allerdings nicht der einzige Vorteil eines Players wie 777. Es geht auch um Atmosphärisches. „Wenn die Rückstände steigen, Mahnung auf Mahnung folgt, der Ton immer schärfer wird und schließlich die Zwangsvollstreckung angedroht wird, ist es fast unvermeidlich, dass sich die Stimmung zwischen Bank und Kreditnehmer immer weiter verschlechtert.“ Ein neutraler Dritter wie 777 könne die Gespräche neu aufnehmen und leichter eine einvernehmliche Lösung finden.
Businessplan für Immobilien
Landschreiber skizzierte drei typische Wege zur Abwicklung leistungsgestörter Kredite. Erstens, der Kreditnehmer zahlt den Kredit zurück. „Gelingt ihm das nicht, überlegen wir uns einen Businessplan für die Immobilie. Der sieht dann mit unserer Unterstützung Änderungen an der Immobilie vor. Nach deren Umsetzung verkaufen wir sie mit Vollmacht des Eigentümers freihändig am Markt.“ Dritte und letzte Variante ist die Zwangsversteigerung.
Den Abschlag vom Nennwert des Kreditportfolios berechnet Landschreiber, indem er bei jedem einzelnen Darlehensnehmer prüft: Wie wahrscheinlich ist es, dass er Zins und Tilgung bezahlen kann? Kann er nicht bezahlen, wird das zugrundeliegende Asset betrachtet: Zu welchem Preis ist es am Markt verkäuflich? Wie schnell lässt sich dieser Preis realisieren? „Wir brauchen opportunistische Returns, sprich sie müssen im mittleren Bereich zwischen 10 und 20 Prozent liegen. Anhand dieser Kapitalkosten lässt sich ermitteln, was wir der Bank zahlen können.“
Der Einzelfall zählt
Die Höhe der Abschläge ist stark einzelfallbezogen, betont Dickopf. „Ist das Darlehen besichert? Wenn ja, wie hoch ist die Besicherung? Sind wir nicht die einzigen Begünstigten, sind die Abschläge natürlich viel höher. Letztlich geht es hauptsächlich um den Loan to Value LTV, der den Abschlag vorgibt.“
Haben Adressen wie 777 die leistungsgestörten Kredite erstmal übernommen, drücken sie aufs Gas. „Wir sind ein Schnellboot. Wir nehmen rasant schnell Kontakt mit den Kreditnehmern auf und versuchen, mit ihnen eine Einigung zu finden. Das kann innerhalb weniger Wochen geschehen“, so Landschreiber. Muss sich der Schuldner das Geld zur Kreditrückzahlung bei seiner Bank beschaffen, kann dort die Entscheidungsfindung heute leicht drei Monate dauern. „Alles, was man einvernehmlich lösen kann, lässt sich innerhalb von zwölf Monaten abschließen.“ Eine Zwangsvollstreckung dauert eher ein, zwei oder mehr Jahre. „Innerhalb von zwei Jahren sind solche NPL-Transaktionen, mit Ausnahme von harten Problemfällen, abgewickelt.“
Der Einbruch am Immobilienmarkt mit der Zinswende hat zwar zu einem Anstieg der leistungsgestörten Kredite (Non Performing Loans NPL) geführt. Bisher versuchen Banken, damit in Eigenregie fertig zu werden. Das könnte sich langsam ändern und spezialisierten Investmenthäusern oder Abwicklern (Servicer) zugute kommen.
