Bewertungsfragen bei Non-Bankable Assets

Wie Machine Learning bei der Preisfindung und Risikoeinschätzung hilft

Bewertungsfragen bei Non-Bankable Assets

Gery ZollingerHead of Data Science & Analytics bei AvaloqEin Großteil der auf der Welt existierenden Vermögenswerte ist derzeit noch gar nicht handelbar. Distributed-Ledger-Technologie wird dies ändern. Zu den illiquiden Vermögenswerten, den Non-Bank­able Assets (nbAs), zählen beispielsweise Direktinvestitionen in Eigenmittel von Unternehmen, der Kauf oder Miterwerb von Haupt- oder Zweitwohnsitzen, von Kunstwerken oder Oldtimersammlungen. Digitale Security Token erschließen diese Welt der nbAs. Banken und Wealth Manager stehen allerdings vor der Herausforderung, den Preis der neuen Assets einzuschätzen und das Risiko zu bewerten. Moderne Machine-Learning-Algorithmen können dazu einen wichtigen, wenngleich nicht erschöpfenden Beitrag leisten. Distributed-Ledger-Technologie wird auch die Demokratisierung des Wealth Managements vorantreiben. Banken können Security Token in so kleinen Stückelungen ausgeben, dass sie für kleinere Anleger attraktiv werden, von Mass Affluent Clients bis zum Retailmarkt. Ein weiterer wichtiger Vorteil liegt in der Diversifizierungswirkung – denn bei Portfolios aus risikoreichen Finanzanlagen in hoch korrelierten Volkswirtschaften ist es immer komplizierter geworden, sich gegen systemische Risiken abzusichern. Zudem erhalten Investoren durch Token gegebenenfalls nicht nur ein Miteigentum, sondern auch Mitnutzungsrechte. Bei Kunstsammlungen etwa sind ebenso Property Token wie Experience Token denkbar. Eine der großen Herausforderungen bei Non-Bankable Assets liegt darin, Bewertungsansätze für eine verlässliche Preiseinschätzung zu finden. Dass viele nbAs nur selten auf dem Markt sind und es nur wenige historische Transaktionsdaten gibt, erschwert die Wertbestimmung. Eine zweite große Aufgabe ist es, die mittel- und langfristige Spannbreite der Asset-Werte zu bestimmen. So geht etwa die Arbitrage Pricing Theory (APT) von linearen Beziehungen zwischen den Prädiktoren (Faktorrenditen) und der Zielvariablen (Kapitalrendite oder Asset-Preis) aus. Ein fälschlich lineares Modell führt in der Vermögensverwaltung aber zu hohen Betriebs- und Portfoliorisiken. Ein flexibleres Machine-Learning-Modell kann hier die Risikoexposition deutlich mindern. Einige Kandidaten sind schon seit Jahren im Portfoliomanagement im Einsatz: logistische Regression, polynomiale Regression, nichtlineare Regression, Ridge- und Lasso-Regressionen sowie künstliche neuronale Netze (KNN). Die breite Kategorie der KNN-Modelle umfasst insbesondere Feedforward und rekurrierende neuronale Netze (RNN). Sie dienen im Finanzsektor hauptsächlich dazu, komplexe Regressions- und Zeitreihenvorhersage-Probleme wie etwa Intraday-Transaktionen und Marketmaking zu lösen.Sogenannte hedonische Preisbildungsmodelle werden beispielsweise für Immobilien benutzt. Dabei ist der Vermögenswert durch eine spezifische Mischung intrinsischer und lokaler Merkmale beeinflusst. Für solche Schätzungen nutzt man oft nichtlineare Regression. Denn Immobilien haben messbare inhärente Merkmale wie Baujahr, Zimmerzahl, Wohnfläche usw. Der Immobilienwert hängt auch von geografischen Merkmalen wie Standortattraktivität oder regionalen Lebenshaltungskosten ab. Ein vollständiges hedonisches Modell hat aber hohe Datenanforderungen, von der Aktualisierung der Daten ganz zu schweigen. Damit ist ein Vollzeitteam mit einem hohen Maß an Immobilienbewertungswissen ausgelastet. Für alle nicht bankfähigen Vermögenswerte gilt dies ganz analog. Ein Bewertungsmodell für nbAs zu definieren und anzuwenden, ist eine gewaltige Aufgabe. Dennoch: In einem weitgehend deregulierten Markt wie dem der nbAs sollten Portfoliomanager eine gewisse Unabhängigkeit von externen Dienstleistern und Marktmachern bewahren. Machine Learning kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Veröffentlichungen der letzten Zeit haben die Leistungsfähigkeit künstlicher neuronaler Netze und der traditionellen hedonischen Regression bei der Vorhersage der Transaktionspreise von Immobilien verglichen. Eine peer-reviewte, häufig zitierte Studie stellte den Vergleich anhand der Verkaufspreise von Häusern in der Türkei an und kam zu dem Schluss, dass im spezifischen Anwendungsfall die Vorhersagekraft künstlicher neuronaler Netze der allgemeinen hedonischen Regression ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen ist (vgl. Abbildung).KNNs sind weit flexibler als die traditionelle hedonische Regression. Bei ihnen müssen keine funktionalen Abhängigkeiten spezifiziert werden – das neuronale Netzwerk kann die optimale Preisfunktion, die den Schätzfehler minimiert, lernen. Dazu müssen über den Vermögensgegenstand und seine Umgebung genügend Daten verfügbar sein. Gegenüber vielen ökonometrischen Zeitreihen und anderen Machine-Learning-Modellen haben KNNs und besonders rekurrente neuronale Netze einen weiteren wichtigen Mehrwert: RNNs des Typs Long Short-Term Memory (LSTM) können auch unregelmäßige und verstreute Daten, die nicht in einer bestimmten Frequenz anfallen, berücksichtigen. Spezifisches Expertenwissen im Feld der jeweiligen Non-Bankable Assets bleibt dennoch unverzichtbar. Machine Learning und neuronale Netze sind allein kein Ersatz dafür. Sie verschaffen Finanzintermediären und Anlegern aber mehr Unabhängigkeit und Einsicht in diesem Bereich. Sich jetzt mit tokenisierten nbAs zu beschäftigen, lohnt in jedem Fall: Ihnen gehört die Zukunft.