Virtuelle Generalversammlung

Credit Suisse beschwört den Kulturwandel

Ein bisschen hörte es sich an wie das österliche „Urbi et orbi“ des Papstes, als der frisch gewählte Verwaltungsratspräsident António Horta-Osario am Freitag die Teilnehmer der virtuellen Generalversammlung der Credit Suisse mit feinem...

Credit Suisse beschwört den Kulturwandel

Von Anna Sleegers, Frankfurt

Ein bisschen hörte es sich an wie das österliche „Urbi et orbi“ des Papstes, als der frisch gewählte Verwaltungsratspräsident António Horta-Osario am Freitag die Teilnehmer der virtuellen Generalversammlung der Credit Suisse mit feinem portugiesischen Akzent in vier Sprachen begrüßte. Selbstredend gehört die multilinguale Ansprache für eine global tätige Großbank aus der dreisprachigen Schweiz zum guten Ton. Doch nach den jüngsten Debakeln mag es manchem Anteilseigner auch so vorgekommen sein, als ob ihm der Nachfolger von Urs Rohner Wunder verheißen würde.

So versprach Horta-Osório neben der gründlichen Aufarbeitung der kostspieligen Kreditersatzgeschäfte mit dem Hedgefonds Archegos und dem Lieferkettenfinanzierer Greensill und einer Überarbeitung der Strategie auch einen Kulturwandel. „Ich bin fest davon überzeugt, dass jede Bankangestellte und jeder Bankangestellter im Herzen ein Risikomanager sein sollte“, so der frühere Chef des britischen Versicherungskonzerns Lloyds. Er wolle eine Kultur fördern, die nicht nur die Bedeutung des Risikomanagements stärkt, sondern auch bei der Vergütung die richtigen Anreize setzt und das Augenmerk auf die „persönliche Verantwortung und Rechenschaft“ konzentriert. Angesichts der 1,8 Mrd. sfr, die von den Anteilseignern aufgebracht werden müssen, um die Bilanz nach den jüngsten Eskapaden wieder auf Vordermann zu bringen, sicher kein schlechter Plan.

Wohlwollend betrachtet könnte man den personellen Umbau des Verwaltungsrats auch als gutes Omen für die Umsetzung der von Horta-Osório formulierten Ziele interpretieren. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass das Gremium bei der Bereitschaft, persönliche Verantwortung und Rechenschaft an den Tag zu legen, durchaus noch Luft nach oben hat. So zog der eigentlich zur Wiederwahl nominierte Andreas Gottschling, der seit 2018 den Risikoausschuss leitet, offenbar nur sehr widerwillig Konsequenzen aus den fatalen Fehlern, die das traditionsreiche Institut sage und schreibe 5 Mrd. sfr kosteten. Erst dreieinhalb Stunden vor Beginn der Veranstaltung teilte das Institut mit, dass der 54-jährige Deutsche nicht für die Wiederwahl zur Verfügung stehe. Zuvor hatten Stimmrechtsberater und einflussreiche Aktionäre wie der norwegische Staatsfonds, der knapp 3,5% der Anteile hält, und der US-Großaktionärin Harris (5,2%) öffentlich gegen seine Wiederwahl Front ge­macht. Mehr Stehvermögen bewies der wegen seiner Mitgliedschaft im Risikoausschuss ebenfalls unter Druck geratene Severin Schwan, Chef des Schweizer Pharmakonzerns Roche und seit 2014 Mitglied des Verwaltungsrats. Die öffentliche Kritik an seinem Wirken hinderte ihn nicht daran, erneut als stellvertretender Präsident zu kandidieren. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass er mit großer Mehrheit in diesem Amt bestätigt wurde.

Abschied nach Plan

Und der scheidende Präsident Rohner? Auch sein Rückzug ist weder Konsequenz aus den jüngst publik gewordenen Fehltritten noch aus der öffentlichen Kritik an der unsäglichen Beschattungsaffäre, mit der die Credit Suisse im vergangenen Jahr negative Schlagzeilen gemacht hatte. Lapidarer Grund für seinen planmäßigen Rückzug ist vielmehr der Umstand, dass er nach zwölf Jahren die maximale Amtsdauer erreicht hat. Gleiches gilt für John Tiner, der neun Jahre lang das Audit Committee leitete und unter anderem dem Risikoausschuss angehörte.

Nach nur fünf Jahren ebenfalls ausgeschieden ist Joaquin J. Ribeiro. Seinen Platz im Audit Commitee nimmt die neugewählte Clare Brady (Jahrgang 1963) ein, die als eine der Mütter des Credit Default Swaps gilt und wie ihre britische Landsfrau Blythe Masters (52) neu in den Verwaltungsrat eingezogen ist.