Impact Investing

„Das muss verwirklicht werden“

Grüne Anlagen gibt es heute viele. Doch wird deren nachhaltige Wirkung auch gemessen? Diesen Anspruch erhebt das Impact Investing.

„Das muss verwirklicht werden“

Von Thomas List, Frankfurt

In ein Schulgebäude investieren, ist ein durchaus lobenswertes Unterfangen. Aber springt dabei neben der ideellen Rendite auch eine materielle heraus? Ja, beides, sagen die Geldgeber für den Neubau des Schulgebäudes der Offenen Schule Köln (OSK). „Wir wollen wirkungsgerecht in Immobilien investieren“, betont Oliver Grossmann, Gründer und Ge­schäftsführer Next Generation Invest, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Es geht also um Impact Investing. „Wir machen uns Gedanken über die Wirkungsketten unserer Investments: Was können wir bewirken auf gesellschaftlicher Ebene, wenn wir in eine solche integrative Bildungseinrichtung investieren?“, ergänzt Sophie Kazmierczak, Leiterin des Bereichs Impact und Sustainable Finance, bei der Investmentgesellschaft.

Seit Sommer 2018 dabei

Grossmann wurde im Sommer 2018 auf das Projekt angesprochen. Er war bald vom Schul- und Gebäudekonzept überzeugt. „Für mich war klar: Das muss verwirklicht werden.“ Grossmann wollte mit seinem Fonds aber erst einsteigen, wenn das Schulgebäude fertiggestellt ist. Es musste also zuvor eine Projektfinanzierung her. Dazu wurde ein Paket geschnürt. Zuerst kauften die Initiatoren, engagierte Kölner Bürger, das Grundstück, auf dem das Gebäude errichtet werden sollte. Grossmann nutzte seine Kontakte zu Markus Zeilinger, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Fair-Finance Vorsorgekasse in Wien. Der stellte rund 4 Mill. Euro Mezzaninekapital zur Verfügung. Mit der Zusage von Next Generation Invest, das fertige Schulgebäude zu kaufen, gelang es, zwei regionalen Banken für einen Konsortialkredit von 36 Mill. Euro zu gewinnen. Damit stand das Projekt und der Bau konnte begonnen werden.

Dem Einstieg sowohl von Zeilingers Vorsorgekasse als auch Grossmanns Fonds gingen umfangreiche Prüfungen voraus. „Wir als nachhaltiger Investor“, so Zeilinger, „haben ein eigenes Immobilien-Rating entwickelt, das über die üblichen Zertifizierungssysteme, die auf Energieeffizienz ausgelegt sind, hinausgeht und auch soziale oder ethische Aspekte berücksichtigt“. Auf Basis der Planung erstellte ein gerichtlich beeideter Sachverständiger ein Vor-Gutachten, nach Fertigstellung des Objekts folgt ein Endbericht, der mindestens gleich, möglichst aber besser aussehen sollte als der Vorbericht.

Zu den fast 100 Kriterien gehören der Standort, Energie- und Ressourcenverbrauch, Baustoffe und soziale Aspekte. „Insgesamt ergab sich eine Ratingnote von 2,7.“ Zeilinger be­zeichnete dies als „Goldstandard“, der eine Reduktion des Zinssatzes auf 5,5% p.a. mit sich brachte – ein für Mezzaninekapital sehr niedriger Wert. Ursächlich dafür waren um­fangreiche Vorgespräche des Vorgutachters mit den Bauherren, bei denen Maßnahmen wie neue Fenstersysteme und eine veränderte Dachisolierung besprochen wurden. „Diese Verbesserungen konnten durch den reduzierten Darlehenszinssatz zu­mindest teilweise refinanziert werden“, so Zeilinger.

Bei Next Generation Invest besteht der Prüfprozess aus zwei Teilen: einem externen durch einen externen Dienstleister (Envirosustain) und einem unternehmensinternen. „Der externe Dienstleister prüft jedes Objekt mit Hilfe von mehr als 70 In­dikatoren auf seine ESG- und Im­pact-Performance und erstellt zwei Scores: einen ESG und einen Impact Score“, erläutert Kazmierczak. Die ökologische und die soziale Dimension machen jeweils 40% des Scores aus, Governance die restlichen 20%. Ein Umweltindikator ist zum Beispiel der Kilowatt-Ausstoß pro Quadratmeter – liegt er unter einem bestimmten Wert oder darüber? Oder: Wie weit ist die Immobilie vom ÖPNV entfernt? Weniger als fünf Gehminuten, zwischen fünf und zehn etc. „Die 70 In­dikatoren werden anschließend den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen zu­ge­ordnet. Anschließend wird bewertet, wie hoch der Beitrag dieses Indikators zu den Zielen ist. Aus dem Zielerreichungsgrad der Indikatoren und dem festgelegten Beitrag – unerheblich, niedrig oder hoch – wird anschließend der Impact Score abgeleitet.“

Andere Akzente gesetzt

Der interne Ansatz von Next Generation Invest basiert zwar auch auf einem Scoring-Ansatz, setzt aber andere Akzente. „Wir haben über 60 Indikatoren unter anderem zu Gebäudeeigenschaften sowie Nutzerkomfort bzw. -zentrierung“, so Kazmierczak weiter. „Neben diesem Scoring versuchen wir den Impact über einen multidimensionalen Ansatz abzudecken.“ Am Anfang stehe die Frage: „Welches Problem wollen wir lösen? Auf welche Wirkungskette zielen wir ab? Wir sehen Impact nicht auf Ebene der Immobilie allein, sondern wir wollen gesellschaftliche Veränderungen herbeiführen.“ Für den Investor stellt sich die Frage: Welchen Mehrwert konnte ich schaffen im Vergleich zu dem Zustand, wenn ich nicht investiert hätte?

Bei der Immobilienbewertung fließen auch Risiken ein – physische wie Klimarisiken, transitorische, die sich aus veränderten regulatorischen Rahmenbedingungen ergeben, aber auch das Impact-Risiko, also die Möglichkeit, dass sich der beabsichtigte Impact mit dem Zielobjekt nicht erreichen lässt. Sind diese Risiken identifiziert, fragt Kazmierczak: „Was können wir schon heute tun, damit dieses Risiko sich nicht materialisiert?“ Die externe und unsere interne Bewertung wird alle ein bis eineinhalb Jahre wiederholt, um zu wissen, wo die Immobilie in ihrer Entwicklung steht und welche weiteren Verbesserungspotenziale gehoben werden können.

Für Kazmierczak zeigt die OSK, wie Impact Investing in der Praxis funktionieren kann. „Sie vermittelt qualitativ hochwertige Bildung mit Hilfe eines hoch individuellen Schulkonzeptes, das sich speziell auf sozial benachteiligte und förderungsbedürftige Kinder ausrichtet. Gleichzeitig werden ökologische Faktoren in der Bauphase und in der Betriebsphase berücksichtigt. Das ist der ganzheitliche Ansatz, von dem immer wieder gesprochen wird. Damit wird ein Beitrag zu einer chancengerechteren Zukunft für die nächste Generation geleistet. Deswegen finde ich das Projekt so spannend.“

Wichtig ist Grossmann, dass er sich nicht nur als Kapitalgeber, sondern mit seinen Mitarbeitern auch aktiv in die Gestaltung des Schulgebäudes einbringen kann. „Wir sind seit knapp drei Jahren in das Projekt involviert und haben die Nähe zu den Mietern und Nutzern gesucht und gefunden.“ Es habe sich ein sehr gutes Vertrauensverhältnis entwickelt. „Sonst hätten wir auch den Zuschlag nicht bekommen. Denn die OSK hätte das Schulgebäude auch selbst behalten können.“ Aktives Assetmanagement und Stakeholder Engagement ist für Grossmann zen­tral, um Impact zu generieren. „Das machen wir bei all unseren Objekten, nicht nur der OSK.“ Die regelmäßigen Gespräche mit dem Mieter, aber auch Schülern und Schülerinnen und Lehrkräften dienten auch dazu, herauszufinden, wie zum Beispiel der Nutzerkomfort weiter erhöht oder der CO2-Fußabdruck des Gebäudes weiter verringert werden kann.

Kauf am 1. August 2022

Nach Fertigstellung kauft der Next Impact Fund, ein in Luxemburg domizilierter Fonds der Next Generation Invest das Schulgebäude zum 1.8.2022 und löst die Fremdkapitalgeber ab. „50% des Kaufpreises wird langfristig über Hypothekendarlehen refinanziert, der Rest ist Eigenkapital aus dem Fonds“, sagt Grossmann. Den Konsortialkredit von 25 Mill. Euro vergeben zwei Banken je zur Hälfte. „Wir prüfen genau, wie ernst es die finanzierende Bank mit Nachhaltigkeit und Impact Investing meint.“ 

Der „Next Impact Fund“ hat aktuell rund 150 Mill. Euro Assets under Management und will bis Ende 2023 etwa 600 Mill. Euro erreichen. „Schwerpunkte sind Bildung und be­zahlbarer Wohnraum mit einer Allokationsquote von 80 bis 90%.“ Die Objekte sollen in Deutschland und Österreich liegen und zwischen 25 und 70 Mill. Euro kosten. Die deutschen und österreichischen Institutionellen müssen mindestens 5Mill. Euro investieren, üblich sind zwischen 10 und 30 Mill. Euro. „Aktuell hat der Fonds sechs Investoren.“ Grossmann zeigte sich zuversichtlich, dass er spätestens bis Mitte 2022 alle Eigenkapitalzusagen hat.

Der Fonds hat kein Ablaufdatum und will die Schule mehr als zehn Jahre im Portfolio halten. Die Netto-Ausschüttung liegt bisher bei 4,5%. Die Fondsobjekte haben nur öffentliche Mieter mit Ausnahme der OSK, die sich aber über eine staatliche Grundlage refinanziert, das Ersatzschulfinanzierungsgesetz von Nordrhein-Westfalen. „Darüber werden 85 bis 89% der Kosten abgedeckt, der Rest kommt über ein soziales Beitragsmodell rein.“

Einen Mangel an passenden Objekten konnte Grossmann bisher nicht feststellen. „Wir haben ein breites Netzwerk, über das wir unsere Objekte bisher ohne Vermittler erwerben konnten.“ Immer mehr Projektentwickler haben darüber hinaus die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit erkannt und entwickeln vermehrt nachhaltige Produkte. „Unsere Investitionspipeline mit Objekten, in die wir kurzfristig investieren können, hat ein Volumen von 250 bis 300 Mill. Euro.“

Für den Fondsgeschäftsführer wird Impact Investing die Investitionsform der Zukunft sein. Bei Aktien und Anleihen sei man in dieser Hinsicht schon weiter, bei Immobilien gebe es aufgrund ihrer zentralen Bedeutung im Leben der Menschen ein großes Wirkungspotenzial. Die Zahl der „dunkelgrünen“ Immobilienfonds nach Art. 9 der EU-Transparenzverordnung ist bisher aber noch sehr überschaubar. „Wir wollen Vorreiter sein, Standards etablieren und qualitativer Marktführer beim Impact Investing in Immobilien werden.“

Bisher erschienen:

Die „Tesla-Klasse“ der Londoner Bürotürme ist gefragt (19. August)

Datenströme werden mit Proptechs erschlossen (18. August)  

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