InterviewRaffael Gasser, Deutsche Bank

„Die Flächenorganisation ist das Rückgrat unseres Geschäfts“

Er hat für Credit Suisse und UBS gearbeitet. Doch als Leiter des Geschäfts mit vermögenden und hochvermögenden Kunden der Deutschen Bank sieht Raffael Gasser die Sparkassen als wesentlichen Wettbewerber. Für den größten Teil der Kunden in Deutschland sei die räumliche Nähe sehr wichtig, sagt der Schweizer.

„Die Flächenorganisation ist das Rückgrat unseres Geschäfts“

„Die Flächenorganisation ist das Rückgrat unseres Geschäfts“

Er hat für Credit Suisse und UBS gearbeitet. Doch als Leiter des Geschäfts mit vermögenden und hochvermögenden Kunden der Deutschen Bank sieht Raffael Gasser die Sparkassen als wesentlichen Wettbewerber. Für den größten Teil der Kunden sei die räumliche Nähe sehr wichtig, sagt der Schweizer.

Herr Gasser, Sie haben das deutsche Geschäft mit vermögenden Privatkunden der Deutschen Bank übernommen. Wie möchten Sie den Bereich prägen?

Die Deutsche Bank ist in den vergangenen Jahren im Wealth Management immer sehr erfolgreich gewesen. Wir sind in unserem Heimatmarkt auch klarer Marktführer. Aber ich sehe einige Bereiche, in denen wir noch besser werden können. Voraussetzung dafür war aber, dass wir das Wealth Management und das Private Banking, also bei der Deutschen Bank historisch zwei separate Bereiche, zusammenführen. Wir harmonisieren damit Infrastruktur, Prozesse, und Instrumente. Das wird Skaleneffekte bringen, die wichtig sind in einer Industrie, die sehr viel Disruption erfahren und damit durch Innovation geprägt sein wird.

Warum fiel die Wahl auf „Wealth Management“ und nicht auf „Private Banking“?

Der Begriff ist etabliert und wird im Markt, aber auch innerhalb der Deutschen Bank, für die Betreuung vermögender Kunden verwendet. So ist es nun eindeutig: Das Wealth Management der Deutschen Bank ist die Anlaufstelle für wohlhabende und vermögende Kunden. Außerdem hätte es zu Irritationen führen können, wenn wir uns für „Private Banking“ entschieden hätten…

Wegen der Abgrenzung zum gehobenen Retailsegment?

Genau. Denn historisch hatten das Private Banking und das Retail oder Personal Banking, wie wir es bei der Deutschen Bank nennen, eine gemeinsame Führungsstruktur. Mit der Entscheidung, das Geschäft mit wohlhabenden und vermögenden Kunden, die nachhaltig ansparen und einen entsprechenden Investitionsbedarf haben, ins Wealth Management zu überführen, richten wir uns noch konsequenter am Kundenbedarf aus.

Diesen Anspruch hat jede Bank. Wie differenzieren Sie sich vom Wettbewerb?

Ein Alleinstellungsmerkmal ist die Kombination aus hochwertiger lokaler Beratung, globaler Expertise und der Zusammenarbeit mit unserer Unternehmensbank, unserer Investmentbank und unserem Vermögensverwalter DWS. Diese Kombination gibt es in Deutschland nur einmal, die gibt es nur bei der Deutschen Bank.

ABN Amro und BNP Paribas verstärken sich durch die Übernahmen gerade in der Fläche. Auch sie bieten Zugang zum Corporate und Investmentbanking – und sie verfügen über sehr leistungsfähige IT-Plattformen.

Wir haben mehr als 300 Standorte in der ganzen Republik. Das ist eine völlig andere Größenordnung. Eine Auslandsbank kann das nicht leisten, da spreche ich aus Erfahrung. Nehmen Sie zum Beispiel unsere Präsenz in Gotha: Das kann man nicht einfach nachbauen, wenn man von außen kommt. Natürlich geht es nicht darum, vor Ort in Gotha Family Offices mit hochkomplexem Bedarf zu betreuen, um die sich auch die US-Wettbewerber und die anderen internationalen Spieler bemühen. Aber diese Kundengruppe macht den deutlich kleineren Teil des Wealth Managements bei uns aus. Mehr als 80% des Geschäfts ist deutlich weniger komplex. Und für diese Kunden ist die räumliche Nähe zum Berater sehr relevant. Daher ist die Flächenorganisation das Rückgrat unseres Geschäfts.

Dann sind die internationalen Adressen gar nicht Ihr wichtigster Wettbewerber?

Bei dem Teil des Geschäfts, bei dem die persönliche Beratung vor Ort im Vordergrund steht, sind sie es nicht. Dort sind es eher die Sparkassen.

In vielen Unternehmerfamilien vollzieht sich derzeit eine Generationenwende. Wie wollen Sie verhindern, dass die Nachfolger Ihrer Alt-Kunden ihre Gelder abziehen und zu Fintechs wechseln?

Wir brauchen ein gutes Digitalangebot und investieren in diesen Bereich, das ist gar keine Frage. Ob ein Digitalangebot allein unseren jüngeren Kunden über die verschiedenen Lebensphasen hinweg ausreicht, würde ich aber mit einem Fragezeichen versehen. Denn auch die nächste Generation hat ein Bedürfnis nach persönlicher Beratung. Das gilt sogar für die Fintech-Gründer selbst: Sie sind so lange gerne rein digital unterwegs, bis es etwas mehr „unter die Haut geht“ z.B. um die Finanzierung der ersten Immobilie für die Familie. Dann wünschen sie sich zusätzlich einen Berater bei der Deutschen Bank. Insofern konkurrieren wir mit den Fintechs in bestimmten Bereichen, in denen wir besser werden wollen, in anderen sind sie aber noch nicht konkurrenzfähig.

Warum überlassen Sie das Digitalangebot dann nicht ihren Kollegen vom Personal Banking?

Weil wir eine sehr wichtige Gruppe verlieren würden: die wohlhabenden Kunden, „Affluent“ in der Fachsprache, die erst anfangen, ihr Vermögen aufzubauen. Primäre Quelle hierfür ist In der Regel ihr Einkommen. Daher sind sie meist beruflich sehr engagiert. Sie haben wenig Zeit für Beratung, deshalb ist eine gute digitale Plattform für sie extrem wichtig. Wir haben mit der jüngsten Verlagerung unserer Deutsche Bank-App in die Cloud einen wichtigen Grundstein gelegt, um hier unser Angebot deutlich zu verbessern. Wir wollen diesen Kunden künftig digital auch Leistungen anbieten, die sie bei unseren Wettbewerbern so nicht bekommen.

Geht es nicht im Grunde darum, dass die persönliche Beratung bei kleineren Vermögen zu kostenintensiv wäre?

Es geht uns um den Bedarf. Wir wollen jedem unserer Kunden im Wealth Management sowohl kompetitive digitale Erlebnisse und auch Zugang zu einem festen Ansprechpartner bieten. Diese Kunden erledigen vieles selbst und können somit individuell entscheiden, ob sie den Berater einschalten oder nicht. Am anderen Ende des Spektrums stehen die komplexen Bedarfe. Für diese Kunden kann ein einzelner Berater die Beratung gar nicht mehr allein leisten. Er ist dann für die Beziehung zum Kunden verantwortlich, arbeitet mit einem Anlagespezialisten im Tandem und zieht Experten aus den unterschiedlichen Bereichen der Bank hinzu, auch aus der Investment- und Unternehmensbank. In diesen Fällen ist die räumliche Nähe der Experten dann wieder weniger relevant.

Das volle Programm bekommen also die Kunden mit den größten Vermögen?

Nochmals: Es kommt auf den Kundenbedarf an. Bei den wirklich sehr großen Vermögen – wir nennen sie Strategic Ultra High Net Worth Clients – sprechen wir über das einzelne Anlagegeschäft oftmals gar nicht mehr mit dem Vermögenden selbst. Dieses Geschäft, das Stefanie Rühl-Hoffmann verantwortet, ist im Grunde eine institutionelle Interaktion. Unsere Berater sprechen mit den Beratern des Vermögenden, also den Verantwortlichen der Family Offices.

Können Sie mir konkrete Ziele nennen, die sie in den nächsten fünf Jahren mit Blick auf Wachstum, Kundenbindung und Verzahnung innerhalb der Bank erreichen möchten?

Wir möchten über dem Markt wachsen, also Marktanteile hinzugewinnen, dafür legen wir heute den Grundstein. Im Einklang mit unserer Strategie der globalen Hausbank wollen wir unseren Kunden im Wealth Management ein strategischer Partner sein in allen Bereichen, also auf der Unternehmensseite wie auch im privaten Bereich. Das führt automatisch dazu, dass wir einen höheren Anteil ihrer finanziellen Geschäfte abdecken. Diese Verzahnung der verschiedenen Bereiche der Bank funktioniert heute schon sehr gut und unterscheidet uns vom Wettbewerb. Aber wir wollen Anreize schaffen, um die Zusammenarbeit zu intensivieren. Deshalb wird es in jeder Zielvereinbarung meiner Mitarbeiter auch um die Zusammenarbeit mit anderen Bereichen der Bank gehen – qualitativ und quantitativ.

Die Ausschüttungsversprechen an die Investoren setzen alle Bereiche der Deutschen Bank unter hohen Renditedruck. Wie wollen Sie es schaffen, ihren Kunden trotzdem ein vertrauensvoller Partner zu sein?

Wenn Sie in den Geschäftsbericht der Deutschen Bank schauen, dann sehen sie, dass das Wealth Management bereits ein sehr profitabler Bereich ist. Indem wir die Steuerungslogik noch konsequenter an die Kundeninteressen angleichen, können wir hier sicher noch stärker mit unseren Kunden gemeinsam wachsen. Darauf muss die Incentivierung ausgerichtet sein und nicht auf kurzfristige Profite wie zum Beispiel Transaktionserträge. Diese langfristige Sicht stärkt das Vertrauen. Und dieses Vertrauen spiegelt sich im Wachstum der Vermögen wider, die wir verwalten dürfen.

Was meinen Sie konkret?

Wir wollen das von uns verwaltete Vermögen weiter steigern und dort den Anteil der an uns delegierten Vermögensverwaltung erhöhen. Kunden, die uns ein diskretionäres Mandat erteilen, fahren mit Blick auf die erwarteten Renditen bei gleichbleibendem Risiko im Schnitt deutlich besser, als wenn sie es selbst oder mit dem Berater auf der Basis von einzelnen Wertpapieren versuchen. Und auch für uns als Bank ist es gut, weil es wiederkehrende und damit stabile Erträge bedeutet.

Fällt das den Kunden und auch den Beratern nicht schwer?

Natürlich wird es immer Kunden geben, die ganz oder zumindest teilweise selbst entscheiden wollen. Das werden wir auch künftig ermöglichen. Aber wenn man Vermögen erfolgreich verwaltet, wird man relativ viele Kunden davon überzeugen können, uns ein Mandat zu erteilen. Das führt zu besseren Resultaten für den Kunden und auch für die Bank, es ist am Ende eine Win-Win-Situation. Dem Berater eröffnet es die Möglichkeit mit dem Kunden über andere Lebensbereiche zu sprechen als darüber, ob eine bestimmte Aktie heute höher steht als gestern. Die Beratung wird so an Qualität gewinnen.

Das Interview führte Anna Sleegers.