Vorschläge zur Entlastung der Banken

Die EZB übt sich im Bürokratieabbau

Selbst der EZB geht die Vielzahl an Vorschriften, Ge- und Verboten in der Finanzwelt offenbar zu weit. Mit einem Maßnahmenpaket, das an die Europäische Kommission gerichtet ist, will sie dem Wildwuchs deshalb Einhalt gebieten. Angestoßen wurden erste zaghafte Vereinfachungen zwar schon 2022, doch der Vorstoß zum beabsichtigten großen Wurf fällt in eine Zeit, in der in den USA die Deregulierung vorangetrieben wird.

Die EZB übt sich im Bürokratieabbau

Die EZB übt sich im Bürokratieabbau

Am Donnerstag präsentiert die Notenbank Vorschläge zur Entlastung der europäischen Banken

Von Tobias Fischer, Frankfurt

Selbst der EZB geht die Vielzahl an Vorschriften, Ge- und Verboten in der Finanzwelt offenbar zu weit. Mit einem Maßnahmenpaket, das an die Europäische Kommission gerichtet ist, will sie dem Wildwuchs deshalb Einhalt gebieten. Angestoßen wurden erste zaghafte Vereinfachungen zwar schon 2022, doch der Vorstoß zum beabsichtigten großen Wurf fällt in eine Zeit, in der in den USA die Deregulierung vorangetrieben wird.

„Vereinfachung ohne Deregulierung“, unter dieser Prämisse stehen die Vorschläge, welche die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag vorstellen wird, um Europas Banken zu entlasten. Das an die Europäische Kommission gerichtete Maßnahmenbündel hat eine vom EZB-Rat bestellte Taskforce unter Vorsitz von EZB-Vizepräsident Luis de Guindos erarbeitet. Dem Gremium gehören außerdem fünf Notenbankchefs an, darunter der Präsident der Bundesbank, Joachim Nagel, sowie Sharon Donnery als Mitglied der EZB-Bankenaufsicht.

Sechs Schwerpunkte

Auf sechs Punkte zur Straffung von Finanzregulierung, Aufsicht und Meldewesen fokussiert sie sich dabei: schnellere Entscheidungsfindung der EZB durch verstärkte Digitalisierung, Überarbeitung der internen Modelle zur Ermittlung des Eigenkapitals der Banken, Straffung von Kapitalpuffern, Erleichterungen bei Stresstests, im Meldewesen und bei Vor-Ort-Prüfungen.

Klar ist dabei auch, dass an der finanziellen Widerstandsfähigkeit und Solvenz des Bankensektors nicht gerüttelt werden soll. Das haben all die EZB-Notenbanker und -Aufseher klipp und klargemacht, die in den vergangenen Wochen und Monaten auf die Pläne eingingen.

Thomas Weck, Associate Professor für Öffentliches Recht, Regulierungsrecht und Rechtsvergleichung an der Frankfurt School of Finance & Management
Frankfurt School

„Das Ziel ist Vereinfachung, nicht Deregulierung“, machen auch Thomas Weck, Associate Professor für Öffentliches Recht und Regulierungsrecht, sowie Maximilian Jager, Assistant Professor für Finance, von der Frankfurt School of Finance & Management, gegenüber der Börsen-Zeitung deutlich. Klarere und effizientere Regeln seien folglich das Gebot der Stunde, nicht Schwächung der Standards.

Maximilian Jager ist Assistant Professor für Finance an der Frankfurt School of Finance & Management

Die Vorschläge halten sie grundsätzlich für sinnvoll, seien doch „Überkomplexität und regulatorische Unsicherheit“ ein grundsätzliches Problem. Insbesondere die Vereinfachung des sogenannten Capital Stack begrüßen die Experten. Gemeint sind die verschiedenen regulatorischen Kapitalanforderungen, die Banken in der Europäischen Union erfüllen müssen. Je nach Institut können das bis zu neun unterschiedliche Kapitalpuffer sein, die ihnen von EU, EZB und nationalen Aufsehern auferlegt werden.

Skeptisch zeigen sich Weck und Jager jedoch, ob die Vorschläge geeignet sind, echte Erleichterungen herbeizuführen: So könnten sie zwar zu Vereinfachungen und Verbesserungen für Investoren und die Aufsicht führen, indem sie deren Risikoeinschätzung erleichtern, doch seien diese positiven Effekte unsicher. „Die Vereinfachungen dürften zudem zu langsam und in zu geringem Umfang kommen, um substanziell zu wirken“, so ihr Resümee.

Sie plädieren für einen Neuansatz, der nach vorne weist: „Die Regulierung muss insgesamt flexibler werden“, lautet ihre Forderung. Entlastungen seien vornehmlich für kleinere Banken zu erwarten. Ein Kleinbankenregime hatten jüngst bereits Bafin und Deutsche Bundesbank gefordert.

Experten beklagen blinde Flecken

Die Forscher bemängeln jedoch, dass die Betrachtung Schattenbanken und damit zum Beispiel Versicherungen und Direct Credit Lending ausblende. „Die Regulierung stellt in diesen Verhältnissen einen Flickenteppich dar, der das „same risk, same rule“-Prinzip nicht konsequent denkt.“

Einen Deregulierungswettlauf in der Finanzregulierung erwarten Weck und Jager nicht. Fundamentale Unterschiede zwischen US- und EU-Regulierung sprechen ihrer Ansicht nach dagegen, dass die EU durch die diskutierten Vereinfachungen innerhalb ihres Regulierungssystems nennenswerte Wettbewerbsvorteile gegenüber den USA schaffen kann.

So sei die US-Regulierung zwar ebenfalls risikoorientiert und in vielen Bereichen ähnlich rigoros wie in der EU, teilweise aber sogar strenger, führen sie an. Zudem seien die Durchsetzungsmechanismen in den USA auf den gesamten US-Markt gemünzt „und noch weniger auf einzelne Bundesstaaten ausgerichtet als in der EU, wo die Durchsetzung grundsätzlich bei den Behörden in den einzelnen Mitgliedstaaten liegt“.