Im InterviewClemens Jungsthöfel, CEO Hannover Rück

Hannover Rück will Führungsposition verteidigen

Die Hannover Rück will unter Führung von Clemens Jungsthöfel weiter profitabel wachsen und dabei auch in den kommenden Jahren als reiner Rückversicherer Wettbewerbsvorteile als schlankes Unternehmen ausspielen. Die Ausgangslage für den nächsten Strategiezyklus sieht der neue Vorstandschef als sehr gut an.

Hannover Rück will Führungsposition verteidigen

Im Interview: Clemens Jungsthöfel

Hannover Rück will Führungsposition verteidigen

Der neue Vorstandschef des drittgrößten Rückversicherers über die Bedeutung der Unternehmenskultur, über Preistrends und den nächsten Strategiezyklus

Die Hannover Rück will unter Führung von Clemens Jungsthöfel weiter profitabel wachsen und dabei auch in den kommenden Jahren als reiner Rückversicherer Wettbewerbsvorteile als schlankes Unternehmen ausspielen. Die Ausgangslage für den nächsten Strategiezyklus sieht der neue Vorstandschef als sehr gut an.

Herr Jungsthöfel, Sie haben Anfang April den Vorstandsvorsitz der Hannover Rück nach viereinhalb Jahren als Finanzvorstand übernommen. Kommt es in den kommenden Jahren vor allem auf Kompetenzen und Erfahrungen eines CFO an?

Für die Hannover Rück stand die Ausrichtung auf ihre Kunden in der Vergangenheit immer im Mittelpunkt. Das soll so bleiben. Ich habe auch in der Rolle als CFO meine Aufgaben immer sehr holistisch verstanden. Das mag damit zusammenhängen, dass ich persönlich durch meine Familie in einer Versicherungsagentur groß geworden bin, den Beruf des Versicherungskaufmanns gelernt und in meiner Tätigkeit bei einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mehr als 20 Jahre Mandate aus dem Bereich der Erst- und Rückversicherung betreut und auch aus dieser Perspektive die Versicherungsbranche und die Hannover Rück gesamthaft erlebt habe.

Zur Person

Seit April dieses Jahres steht Clemens Jungsthöfel an der Spitze von Hannover Rück und gehört seitdem auch dem Talanx-Konzernvorstand an. Er folgte auf den Schweizer Jean-Jacques Henchoz, der im vergangenen Herbst seinen Rückzug als CEO des weltweit drittgrößten Rückversicherers angekündigt hatte. Der 54-Jährige Jungsthöfel, seit 2020 Finanzvorstand der Hannover Rück, ist Henchoz' erklärter Wunschnachfolger.

Zuvor gehörte Jungsthöfel dem Vorstand des ebenfalls zum Talanx-Konzern gehörenden Industrieversicherers HDI Global an. Bis 2018 betreute der gebürtige Emsländer zwei Jahrzehnte lang bei KPMG Mandate aus der Erst- und Rückversicherung. Vor einem Wirtschaftsstudium sowie Examina zum Steuerberater und Wirtschaftsprüfer absolvierte er in der familieneigenen Agentur eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann.

In der sechsjährigen Amtszeit Ihres Vorgängers hat sich der Börsenwert der Hannover Rück bei einem Aktienkurs am 31. März 2025 von 274,70 Euro auf 33,1 Mrd. Euro mehr als verdoppelt, die Aktie rückte im März 2022 in den Dax auf. Wie blicken Sie auf das Erbe?

Wenn man den Zeitraum seit dem Börsengang der Hannover Rück Ende November 1994 betrachtet, fügt sich der Kursverlauf der Aktie seit 2019 gut in die langfristig sehr positive Wertentwicklung ein. Der Kursverlauf spiegelt die harte Arbeit wider, die wir als Team in den vergangenen Jahren geleistet haben. Wesentlich ist die gesamthafte Sicht auf die Wertschöpfungskette, die Fokussierung auf Kunden. Auch mit unseren Investoren stehen wir im ständigen Dialog. Wir achten sehr darauf, wie die Sicht des Kapitalmarkts auf die Hannover Rück ist. Persönlich macht mir der Kontakt mit Kunden sehr viel Freude, ebenso der mit Investoren und Analysten. Der gesamte Vorstand steht Kunden, Investoren und nicht zuletzt unseren Beschäftigten nahe. Wenn wir in der Hannover Rück den Spirit unseres „somewhat different“-Ansatzes bewahren und mit unserer Kundenorientierung weiterhin profitabel wachsen, dann können wir zuversichtlich sein.

Worin sehen Sie maßgebliche Unterschiede zum Wettbewerb?

Die Kultur, die wir hier prägen, macht den Unterschied. Nahbarkeit, Pragmatismus, schnelle Entscheidungen und Fokus auf Gewinnorientierung.

Gehen solche Charakterzüge nicht peu à peu verloren, wenn man als Unternehmen stark wächst, groß und schwerfällig wird?

Die Hannover Rück ist in der Tat stark gewachsen und ein viel größeres Unternehmen als 2002 oder 2019, als Jean-Jacques Henchoz Vorstandsvorsitzender wurde. Die Kultur von 2002, als ich die Hannover Rück kennenlernte, habe ich 2020 bei meinem Antritt als CFO aber wiederentdeckt, obwohl das Unternehmen ein größeres und anderes war. Natürlich gibt es Wachstumsschmerzen. Aber die Fokussierung nur auf Rückversicherung, auf ein schlankes Geschäftsmodell und auf den Anspruch, pragmatisch und unkompliziert zu sein, war immer in der DNA der Hannover Rück verankert. Mir liegt es am Herzen, diese Eigenschaften zu bewahren.  

Wie viele Hierarchieebenen sind seit 2019 hinzugekommen?

Wir haben in diesem Zeitraum keine neuen Hierarchieebenen eingezogen. Wir sind sehr bestrebt, uns schlank zu halten. Selbstverständlich muss das Betriebsmodell robust sein. Deshalb ist es auch eine ständige Herausforderung, bei starkem Wachstum die richtige Balance zu finden. Die Fokussierung nur auf Rückversicherung hilft uns dabei. Überflüssige Bürokratie zu verhindern, ist ein Reflex in unserer Organisation. Diese Eigenschaft ist aus meiner Sicht schwer zu replizieren. Man kann sie aber auch leicht verlieren, wenn man nicht aufpasst. Die Verpflichtung, dass wir Nahbarkeit, Pragmatismus und kurze Entscheidungswege pflegen müssen, trage ich wie ein Mantra vor mir her – nicht erst seitdem ich am 1. April den Vorstandsvorsitz übernommen habe.

Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen? Wie sieht es denn im Wettbewerb aus?

Wenn es in Gesprächen zum Beispiel um Themen wie Risikoappetit geht, sind wir bestrebt, eng mit unseren Kunden zusammenzuarbeiten und schnell zu entscheiden. Dabei helfen uns die flachen Hierarchien im Unternehmen. Die Rückkopplung mit Kunden und Maklern in verschiedenen Regionen weltweit zeigt uns, dass die Entscheidungsvollmacht unserer Underwriter geschätzt wird. Pragmatismus im Geschäft wird uns als ein Vorteil im Wettbewerb bescheinigt, den wir verteidigen wollen.

Die Risikolandschaft wird komplexer. Naturkatastrophen, Cyberbedrohungen und geopolitische Instabilität stellen zunehmende Ansprüche an das Risikomanagement. Wie schätzen Sie die Fähigkeiten der Hannover Rück ein, Risiken zu erkennen, einzuschätzen und zu bepreisen?

Wir verfügen über eine sehr starke Expertise im Haus, die über Jahrzehnte hinweg aufgebaut wurde. Die Hannover Rück ist bei Risikomanagement und Risikobewertung sehr gut aufgestellt, Risikomanagement und Risikobewertung sind Teil unserer DNA. Dabei hilft, dass wir uns mit unserem Geschäftsmodell nur auf Rückversicherung konzentrieren. Ich sehe nicht, dass unsere Fähigkeiten abnehmen und sich unsere Position im Wettbewerb verschlechtert.

Welche Bedeutung hat Künstliche Intelligenz (KI)?

KI wird auch für die Rückversicherung eine Rolle spielen. Wir prüfen immer wieder, wo wir noch effizienter werden können, aber auch bei der Risikoselektion und bei der Auswahl und Analyse von Kundendaten wird KI immer relevanter. Bei unseren zum Teil sehr großen Datenbeständen werden wir KI nutzen. Wir haben ein KI-Team gebildet, wir prüfen Anwendungsfälle. KI kann als zusätzliches Instrument im Underwriting zu besseren Entscheidungen führen, wird aber den „Faktor Mensch“ aus meiner Sicht nicht ablösen. Die Erfahrung der Underwriter sowie langfristige, von Vertrauen geprägte Kundenverbindungen, die über lange Zeit aufgebaut wurden, kann KI nicht ersetzen oder schaffen.

KI wird bei der Hannover Rück nicht zu Personalabbau führen?

Bestimmte Aufgabenfelder werden sich in unserem Haus verändern, wie das bei Automatisierungsbemühungen in der Vergangenheit auch schon der Fall war. Tendenziell werden wir Personal eher in Bereichen einsetzen, in denen – wie in der Risikobewertung oder im Underwriting – Erfahrungen notwendig sind und Entscheidungen getroffen werden müssen. Auch durch KI wird es gelingen, in einzelnen Bereichen effizienter zu werden. Aber wir sind mit unseren derzeit rund 3.900 Beschäftigten ein wachsendes Unternehmen. Ich bin sicher, dass unsere Personaldecke weiter zulegen wird, um dieses Wachstum zu unterstützen.

Wie beurteilen Sie die Aussichten bei den Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb, die mit den Aufwendungen für Versicherungsleistungen im Verhältnis zu den Prämieneinnahmen die Schadenkostenquote anzeigt?

Wir achten sehr darauf, dass wir als Unternehmen schlank aufgestellt bleiben. Dass sich die kombinierte Schaden-Kostenquote der Schaden-Rückversicherung im ersten Quartal auf 93,9% von 88% im Vorjahr verschlechtert hat, lag vor allem an der hohen Schadenlast infolge der Waldbrände bei Los Angeles. Ein Quartal ist aber kein guter Maßstab, um die Profitabilität eines Geschäftsjahres einzuschätzen.

Wo sehen Sie die Hannover Rück im langfristigen Vergleich?

Bei einer langfristigen Betrachtung unserer Profitabilität ist zu erkennen, dass sich unsere kombinierte Schaden-Kostenquote im Wettbewerbsvergleich auf einem vergleichsweise stabilen und guten Niveau bewegt. Wir sind in den letzten Jahren stark gewachsen, was sich auch im Anstieg unseres Großschadenbudgets zeigt. Dieses hat sich zwischen 2019 und 2024 von 875 Mill. auf 1,825 Mrd. Euro mehr als verdoppelt. Entscheidend ist, dass die unterliegende Profitabilität in den vergangenen Jahren insgesamt nominal sehr deutlich gestiegen ist und dass wir anhaltend starke Ergebnisbeiträge aus der Schaden-Rückversicherung sehen.

Wie ist der Trend?

Die Tendenz zu schwereren und häufigeren Naturkatastrophen infolge des Klimawandels wird sich in der Schaden-Rückversicherung fortsetzen. Deshalb steigen die Großschadenbudgets in der Branche und auch bei uns. Aber diese Zunahme fließt in die Vertragserneuerungen und in die Preise ein. Es gelingt uns nach wie vor, die stärkere Belastung durch Naturkatastrophen im Griff zu behalten, unter anderem durch unsere Diversifikation und unsere eigene Rückversicherung, die Retrozession. Daher sind wir auch mit der grundsätzlichen Entwicklung der kombinierten Schaden-Kostenquote zufrieden. Das erste Quartal 2025 war ein Ausreißer. Die Großschadenbelastung liegt aber immer noch sehr gut im Rahmen unseres Jahresbudgets. 

Auch politische Verwerfungen spielen in der Risikolandschaft eine Rolle. Wie sieht die Vorsorge für Schäden im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine aus?

Wir sind auf Informationen unserer Kunden angewiesen. Nach Beginn des Krieges im Februar 2022 haben wir eine Schadenreserve von 330 Mill. Euro gebildet. Das gute Ergebnis im vergangenen Jahr haben wir genutzt, um die Schadenreserven im Zusammenhang mit geleasten Flugzeugen und potenziellen Schäden weiter zu erhöhen. Wir fühlen uns mit den Schadenrückstellungen gut aufgestellt.   

Mit Blick auf Vertragserneuerungen: Macht Ihnen der rückläufige Trend bei den Preisen Sorgen?

Nein. In den jüngsten Vertragserneuerungsrunden zum 1. Januar und zum 1. April haben wir zwar leichte Preisabriebe beobachten können. Das ist auch eine Folge von mehr Kapazität im Markt. Aber diese trifft in vielen Teilen auch auf eine höhere Nachfrage. Mit Blick auf die vergangenen zehn bis 15 Jahre bewegen wir uns in der Schaden-Rückversicherung immer noch in einem sehr attraktiven Marktumfeld mit  angemessenen Raten über das gesamte Buch hinweg.

Branchenexperten sehen den Höhepunkt überschritten.

2024 war sicherlich ein Jahr mit einem starken Preisumfeld. Wie die Ergebnisse der kommenden Erneuerungsrunden ausfallen werden, müssen wir abwarten. In Regionen mit zuletzt großer Schadenbelastung wie Kalifornien sind deutliche Preissteigerungen zu erwarten. Entscheidend ist die Auskömmlichkeit der Preise. Die ist im Moment gegeben. Wir sehen trotz des jüngsten Preisabriebs wie zuletzt in Japan nach wie vor sehr gute Margen. Erfreulich und wichtig für die Branche der Rückversicherer waren die deutliche Verbesserung der Vertragsbedingungen im Jahr 2023 und die erhöhten Selbstbehalte unserer Kunden.

Kunden übernehmen höhere Selbstbehalte.

Genau. Das ist auch angemessen, denn grundsätzliche Schadenentwicklungen, makroökonomische, inflationäre und politische Trends müssen in der Preisfindung auch bei den Erstversicherern und deren Kunden adressiert werden. Während der Weiche-Markt-Phase landete zu viel von den Frequenzschäden bei den Rückversicherern. Um auskömmlich arbeiten und Kunden langfristig zur Verfügung stehen zu können, mussten die Eigenbehalte der Kunden und die sonstigen Konditionen in der Rückversicherung angepasst werden. Die Bereinigung war wichtig für das System der Erst- und Rückversicherer insgesamt.

Reicht Ihnen die Vereinbarung für die Selbstbehalte aus?

Es wäre wichtig, dass wir in der Branche langfristig Stabilität bei den Selbstbehalten und den Vertragsbedingungen haben. Das haben alle Seiten verstanden. Mit den 2023 erreichten Verbesserungen können wir gut leben.

Inwiefern gibt es mit Blick auf die verschiedenen Risiko- und Schadenbereiche Veränderungen beim Rückversicherungsschutz?

Es ist in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden, auf Trends zu achten, sei es bei Naturkatastrophen, Politik, Konjunktur, Inflation oder anderen Bereichen. Trends müssen Eingang in die Preisfindung haben. Deshalb stehen wir im ständigen Austausch mit unseren Kunden, um Portfolios und Risiken zu verstehen und um den richtigen Preis zu ermitteln. Das ist ein dynamischer Prozess.

Sie schränken oder stellen bestimmte Angebote nicht ein?

Wir wollen als Rückversicherer Teil der Lösung sein und sind uns unserer gesellschaftspolitischen Verantwortung als stabilisierender Faktor in einer Volkswirtschaft bewusst. Wir versuchen, die Lücke zwischen echten wirtschaftlichen und echten versicherten Schäden zusammen mit unseren Kunden zu verringern. Wir verfügen über die Kapazität, Rückversicherungsschutz zur Verfügung zu stellen. Entscheidend ist, dass die Preise adäquat sind. Nur wenn wir angemessene Preise erwirtschaften, können wir auch ein langfristiger Partner unserer Kunden sein. Wichtig sind aber auch Anstrengungen zur Prävention. Es gilt, dass wir als Branche der Versicherer und Rückversicherer gemeinsam mit öffentlichen Institutionen und Kunden Lösungen finden müssen, die die Resilienz von versicherten Objekten stärken. Große Schadenkomplexe zeigen, dass Prävention notwendig und auch wirksam ist.

In Deutschland ist nur rund die Hälfte aller Immobilien durch eine Elementarschadenversicherung geschützt, die etwa bei Hochwasser greift. Nach den Plänen der neuen Bundesregierung soll eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden in der Wohngebäudeversicherung eingeführt werden. Was halten Sie davon?

Wir begrüßen es sehr, dass das Thema in Berlin so prominent auf der Agenda der neuen Bundesregierung ist. Generell unterstützen wir die Position des Gesamtverbands der Versicherer: Pflichtversicherung in Verbindung mit der Möglichkeit den Schutz explizit abzulehnen – sprich einer Opt-Out-Option – kann funktionieren. Nicht vergessen werden darf dabei wie gesagt die absolut notwendige Prävention. Die Hannover Rück steht als Rückversicherer bereit und kann bei risikoadäquaten Preisen und Konditionen substanzielle zusätzliche Kapazitäten für die Deckung von Elementarschäden zur Verfügung stellen.

Wo sehen Sie als neuer CEO Handlungsbedarf, was den weiteren Kurs der Hannover Rück angeht?

Wir befinden uns mitten in unserem aktuellen dreijährigen Strategiezyklus. Die Konzernstrategie haben wir als Vorstand gemeinsam verabschiedet. Die Ziele bis 2026 sehen vor, dass wir bei Profitabilität und Gewinnwachstum branchenweit führend bleiben, dass wir eine zuverlässige ökonomische Wertschöpfung sicherstellen und eine attraktive und jährlich steigende Basisdividende anbieten wollen. Wir befinden uns auf einem sehr guten Weg, diese Ziele zu erreichen, weil wir uns auf das Kerngeschäft der Rückversicherung konzentrieren. Diesem Fokus sowie unserer „somewhat different“-Kultur wollen wir treu bleiben. Ich selbst begreife mich dabei wie in den vergangenen Jahren als Teil eines Teams. Der Kurs der Hannover Rück bleibt von Kontinuität geprägt.

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In der Konzernzentrale der Hannover Rück herrscht Zuversicht
Hannover Rück

Welche Vorstellungen haben Sie für den nächsten Strategiezyklus ab 2027?

Wir werden mit den Planungen in diesem Jahr beginnen. Was die Fokussierung auf unser Geschäftsmodell und unseren „somewhat different“-Ansatz angeht, halten wir Kurs. Wir werden uns ansehen, wo für uns attraktive Wachstumsmöglichkeiten bestehen. Dabei können wir auf eine felsenfeste Bilanz und eine starke Kapitalbasis bauen. Wir verfügen über eine sehr gute Ausgangsposition für weiteres Wachstum.

In welchen Bereichen?

Ich sehe in der Schaden-Rückversicherung unverändert Wachstumsmöglichkeiten in Märkten, in denen wir unsere Position in vergangenen Jahren bereits gut ausgebaut haben. Die strukturierte Rückversicherung wird ein Wachstumsfeld sein, ebenso die Bereiche Langlebigkeit und Financial Solutions in der Personen-Rückversicherung. Wenn wir weiterhin wachsen, nachdem sich die Beitragseinnahmen in unserer Schaden-Rückversicherung in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt haben, müssen wir zugleich und verstärkt darauf achten, wie wir effizient und agil bleiben können.

Werden Zukäufe eine stärkere Rolle spielen?

Wir sind in der Schaden-Rückversicherung in der Vergangenheit organisch gewachsen. Solange wir aus eigener Kraft gut und profitabel wachsen können, werden wir diesen Weg weitergehen. Das gilt auch für die Personen-Rückversicherung. 

Steht Kostenbewusstsein für Sie als ehemaliger CFO im nächsten Strategiezyklus an vorderster Stelle?

Kostenbewusstsein und Pragmatismus sind fest in der Kultur der Hannover Rück verwurzelt. Das sind keine Themen, die in unserem Unternehmen nur den Finanzvorstand beschäftigen. Auch aus meiner Sicht als CEO wird der Erhalt unserer Kultur oben auf der Agenda stehen. In der kommenden Strategieperiode wird es aber wesentlich ebenfalls darauf ankommen, wie wir unsere Kunden weiter unterstützen können. Wir sind in den vergangenen Jahren sehr stark mit unseren Kunden gewachsen, weil sie aus den genannten Gründen gerne Geschäft mit uns machen. Es werden sich neue Opportunitäten ergeben. Abhängig von der Beurteilung einzelner Märkte werden wir vielleicht auch neue Kundensegmente erschließen.

Welches Wachstum schwebt Ihnen in der nächsten Strategieperiode vor?

Wachstumsziele für einen mehrjährigen Zeitraum nennen wir nicht, sondern nur für das nächste Finanzjahr. In den vergangenen Jahren haben wir uns in der Schaden-Rückversicherung Wachstumsziele von 7 bis 8% gesetzt. Ich sehe keinen Grund, der dagegen spricht, dass wir mittel- bis langfristig weiter in einer ähnlichen Größenordnung wachsen. Ich möchte aber nicht falsch verstanden werden: Wir wollen kein Prämienwachstum um jeden Preis. Wir wollen profitabel wachsen.

Wie stehen Sie zum Portfolio?

Ich bin zufrieden mit unserem Portfolio in der Schaden-Rückversicherung und mit dem, wie es balanciert ist. Wir verfügen über einen sehr diversifizierten Geschäftsmix. Daran haben wir hart gearbeitet. Auch die Personen-Rückversicherung kommt beim Bestand gut voran. Wir erwarten in dem Segment 2025 ein gutes versicherungstechnisches Ergebnis von mehr als 875 Mill. Euro. Das ist ein nennenswerter Anteil an unserem versicherungstechnischen Ergebnis insgesamt. Zugleich lässt sich aus der Bilanz ablesen, welche Werte in dem Segment noch stecken – gemessen am Bestand der vertraglichen Netto-Servicemarge belaufen sich die zu erwartenden zukünftigen Gewinne derzeit auf 6,4 Mrd. Euro. Wir werden auch hier weiterwachsen.

Wie beurteilen Sie die regionale Diversifizierung?

Mit der regionalen Aufstellung fühlen wir uns wohl. In der Schaden-Rückversicherung haben wir uns in den vergangenen Jahren stärker in Richtung Europa bewegt, weil die Preise auskömmlicher geworden sind. In Bereichen, in denen wir erfolgreich unterwegs sind, versuchen wir unsere regionale Präsenz auszuweiten. Das gilt in der Personen-Rückversicherung für den Bereich Financial Solutions, aber auch für den Bereich Langlebigkeit.

Inwiefern?

Im Bereich Langlebigkeit sind wir traditionell stark in Großbritannien, wollen aber gerne auch in anderen Regionen in Europa, in Nordamerika und in Australien weiterwachsen. Bei Financial Solutions sind wir stark in den USA und in Asien positioniert, wollen aber auch in anderen Regionen Opportunitäten finden. Der Erfolg kann natürlich auch vom regulatorischen Umfeld beeinflusst werden. Wir müssen aber vor allem nahe an den Kunden sein. Das sind wir. Wir sind gefragt als Ansprechpartner, weil Kunden unsere Expertise, das Tempo bei Entscheidungen und die unkomplizierten Geschäftsbeziehungen schätzen. Die Kultur der Kundenzentrierung wollen und müssen wir unbedingt beibehalten.

Sie haben die Resilienz in den Schadenreserven weiter ausgebaut. Warum?

Wir haben das gute vergangene Geschäftsjahr genutzt, die Reserven zu stärken. Das heißt nicht, dass wir uns absehbar auf deutlich schwächere Märkte einstellen. Es ist aber immer gut, starke Reserven zu haben, die sich bei großen Schadenereignissen oder in schwächeren Phasen mobilisieren lassen. Wir haben auch immer gesagt, dass wir starke Marktphasen dazu nutzen wollen, die Resilienz unserer Schadenreserven zu stärken. Diese Resilienz ermöglicht uns langfristig stabilere Ergebnisse.

Haben Sie ein Beispiel?

Als die Großschadenbelastung 2022 unser Budget übertraf, haben wir dennoch unsere Ergebnisprognose eingehalten, weil wir Reserven mobilisieren konnten. Investoren goutieren, dass wir Eigenkapitalrenditen zeigen, die nicht nur immer sehr attraktiv sind, sondern auch weniger schwankungsanfällig. Dass wir über eine starke Kapitalbasis verfügen, die deutlich oberhalb der Anforderungen liegt, verschafft uns zugleich Raum für weiteres Wachstum. Kapital wird unser Wachstum weder in der Schaden- noch in der Personen-Rückversicherung limitieren.

Werden Sie den Reservepuffer auch 2025 ausweiten?

Wir haben das nicht geplant, weil wir eine sehr gute Reserveposition haben. Geplant ist, die Reserven mit dem Wachstum des Geschäfts ansteigen zu lassen.

Welche Rolle messen Sie der Kapitalanlage in den kommenden Jahren bei?

Wir kommen derzeit auf eine annualisierte Kapitalanlagerendite von 3,5%. Das ist sehr erfreulich. Die Kapitalanlage ist für die Hannover Rück unverändert wichtig. Uns ist vor allem wichtig, dass wir stabile Kapitalanlageergebnisse erreichen. Wir sind in unserem Portfolio konservativ mit einem hohen Anteil Festverzinslicher positioniert, verfolgen bei Anlage, Mischung und Streuung strikte Prinzipien, achten stark auf die Duration unserer Verpflichtungen und darauf, dass wir bei Währungen gut gematcht sind. Unsere Kapitalanlageergebnisse sind das Resultat disziplinierter Kapitalanlage.

Sie haben zuletzt davon profitiert, dass es relativ geringe negative Bewertungskorrekturen im Kapitalanlageportfolio gab.

Es ist richtig, dass die Volatilität an den Kapitalmärkten zu weniger negativen Bewertungseffekten geführt hat als wir erwartet hatten.  Hier hat sich die breite Diversifikation in unserem Portfolio ausgezahlt.

Wie wirkt sich der Renditeverlauf bei US-Anleihen vor dem Hintergrund der hohen Verschuldung und der Fiskalpläne der neuen US-Regierung aus?

Ein nennenswerter Teil unserer Kapitalanlagen ist in Dollar angelegt. Auch hier gilt: Wichtig sind Laufzeiten-Kongruenz und Währungs-Matching. Darauf achten wir strikt. Wir halten unsere festverzinslichen Kapitalanlagen in der Regel bis zur Endfälligkeit. Schwankungen zeigen sich vor allem bei gelisteten Aktien, die aber nur einen sehr kleinen Anteil unserer Kapitalanlagen ausmachen. Diversifiziert sind wir auch durch Anlagen in den Bereichen Private Equity und Immobilien. In den vergangenen Jahren haben wir weniger Bewertungsschwankungen gesehen als erwartet.

Bleibt es beim Festverzinslichen-Anteil von rund 80% in Ihrem Portfolio?

Wir bleiben bei Anlagestrategie, Mischung und Streuung konservativ. Insofern wird sich an der Komposition des Kapitalanlagebestands nicht viel ändern.

Wird sich an Ihrer Dividendenpolitik etwas ändern?

Im aktuellen Strategiezyklus haben wir uns vorgenommen, dass die Basisdividende nicht nur mindestens das Vorjahresniveau erreichen soll wie im vorherigen Zyklus, sondern jährlich ansteigt. Diese Ausrichtung beruht auf der Zuversicht, mit der wir den aktuellen Marktzyklus betrachten. Wir ergänzen die Basisdividende um eine Sonderdividende, wenn die Kapitalausstattung dies zulässt. Wir sind zuversichtlich, dass unsere Anleger auch in Zukunft von attraktiven und steigenden Dividenden profitieren werden.

Das Interview führte Carsten Steevens. Das vollständie Interview lesen Sie auf www.boersen-zeitung.de

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