„Ich bin der Mann für die Transformation“
„Ich bin der Mann für die Transformation“
IM INTERVIEW: MARCUS W. MOSEN
„Ich bin der Mann für die Transformation“
Der neue Co-Chef von N26 zu seiner Rolle im Vorstand, den Interessen der Investoren und den Konflikten mit der Bafin – 2025 erstmals schwarze Zahlen
Die Digitalbank N26 schreibt in diesem Jahr erstmals seit ihrer Gründung schwarze Zahlen. Dies kündigte im Interview Co-CEO Marcus W. Mosen an. Der frühere Aufsichtsrat will sein neues Amt nur übergangsweise ausüben. Im Fokus steht dabei, die Probleme mit der BaFin auszuräumen.
Herr Mosen, Sie sind seit September Co-CEO von N26. Warum haben Sie sich für den Wechsel vom Aufsichtsrat in den Vorstand entschieden, und was sind Ihre Pläne als neuer Chef der Digitalbank?
Wir hatten im Sommer eine Situation, in der verschiedene Dinge zusammenkamen. Es ging um Governance-Themen, um Regulierung, um die Risikokultur in der Bank. Und es ging auch um die weitere Ausrichtung von N26. Es ist bekannt, dass wir nach einer BaFin-Prüfung noch einmal einige Aufgaben abarbeiten müssen. Ich bin in dieser Situation von den Investoren gebeten worden, in den Vorstand zu wechseln und von dort aus die Phase der Veränderung aktiv zu begleiten und mitzugestalten.
Was heißt das konkret?
Das heißt zum Beispiel, dass aktuell ein Strategieprojekt läuft, in dem wir uns mit allen Stakeholdern mit unserer Strategie und dem Target Operating Model beschäftigen. Die Bank hat einen neuen Grad der Reife erreicht. Da braucht es jetzt ein solches Projekt. Das strategische Ziel von N26 ist klar und bleibt auch bestehen: Wir wollen eine führende digitale Bank in Europa werden. Die Wege dahin werden jetzt noch einmal klar herausgearbeitet.
Die Investoren haben Sie gebeten, die Transformationsphase aktiv zu begleiten. Das klingt danach, als ob Sie Ihre heutige Rolle nicht langfristig interpretieren.
Ich bin nicht in einer Situation, in der ich noch eine Karriere machen muss, um es einmal so zu formulieren. Aber ich bin dem Unternehmen schon lang verbunden. Und ich habe mich in der aktuellen Situation in die Pflicht nehmen lassen. Leute, die mich kennen, wissen, dass ich mich nicht vor Verantwortung drücke. Ich mache das jetzt für eine gewisse Zeit. Ich bin der Mann für die Transformation. Es ist kein langfristiges Engagement.
Sie sehen sich als eine Art Feuerwehrmann, der fürs Löschen und Ordnen der wichtigsten Dinge zuständig ist? Perspektivisch würde dann ein neu aufgestellter Vorstand die strategischen Ziele weiterverfolgen?
Wenn Sie in dem Bild bleiben wollen, dann bin ich eher der Brandschutzbeauftragte, der nun mit dem Führungsteam Strukturen erarbeitet, damit kein Feuer ausbrechen kann. Dabei werden auch neue Köpfe im Führungsteam mithelfen. Das Thema Risiko ist schon mit Jochen Klöpper neu besetzt worden. Er ist am 1. Dezember angetreten. Wir wollen noch mehr Banking Expertise in den Vorstand holen, mehr operative, aber auch strategische Erfahrung. Die Suche läuft. Ich werde diese Veränderungen für eine gewisse Zeit mit unterstützen. Ich habe von der BaFin bei meinem direkten Wechsel vom Aufsichtsrat in den Vorstand die Eignung „Fit And Propper“ zunächst bis Ende 2026 erhalten. Bei einem solchen Wechsel ist eine Befristung üblich.
Es soll schon im Sommer Investoren gegeben haben, die sich für die Suche nach einem externen CEO ausgesprochen haben.
Es gab ganz klar die Erwartung von der großen Mehrheit der Shareholder, dass ich erst einmal in den Vorstand gehe und man sich letztendlich die Zeit nimmt, in Ruhe über die künftige Ausrichtung der Governance Gedanken zu machen.
Mit Valentin Stalf hat einer der beiden N26-Gründer den Vorstand bereits verlassen. Wie lange bleibt Maximilian Tayenthal noch Co-CEO?
Auch das ist Sache des Aufsichtsrates.
Was wollen denn die Investoren?
Die Gesellschafter arbeiten mit den Gründern an einer neuen Investorenvereinbarung. Mein Eindruck ist, dass sich die Gesellschafter von N26 in den letzten Monaten stark aufeinander zubewegen. Das ist gut so. In letzter Konsequenz sitzen alle in einem Boot. Mittlerweile gibt es ein starkes gemeinsames Mindset, wie es mit N26 künftig weitergehen soll.
Waren die Interessen der Investoren bislang denn so unterschiedlich?
Es gab ein Problem, das auf eine 700 Mill. Euro-Finanzierungsrunde aus dem Jahr 2021 zurückzuführen ist. Den damals eingestiegenen E-Investoren wurde eine jährliche 25%-Verzinsung zugesagt, die bei einem Exit in Aktien umgewandelt werden sollte. Das hat im Zeitverlauf zu einer gewissen Unwucht bei den ökonomischen Rechten innerhalb des Investorenkreis geführt. Bevor wir dieses Thema nicht lösen, könnten wir zum Beispiel auch keine neuen Kapitalmaßnahmen vornehmen.
Und dies wird in der neuen Gesellschaftervereinbarung adressiert?
Die ökonomischen Interessen werden mit der Vereinbarung stärker harmonisiert. Letztendlich geht es auch um Wertsteigerung, Wachstum und Profitabilität von N26. Es geht um ein robustes operatives Geschäftsmodell, das nachhaltig den regulatorischen Anforderungen entspricht. Und hier stimmen alle Investoren auch voll zu.
Auch die Gründer?
Dies schließt auch die beiden Gründer ein, die zusammen noch knapp 20% der Anteile halten. Natürlich ist es auch in deren Interesse, dass es mit der Bank konstruktiv weitergeht.
Was bedeutet das für die künftige Besetzung des Aufsichtsrates?
Mit Andreas Dombret steht nun ein erfahrener Banker an der Aufsichtsratsspitze. Ich arbeite mit ihm sehr eng zusammen. Er bringt eine breite Erfahrung mit – in der Regulierung und im Banking. Das ist jetzt das richtige Profil an der richtigen Stelle. Im Aufsichtsrat mit seinen sechs Mitgliedern gibt es schon heute ein sehr komplementäres Knowhow im Banking, also im Risiko-Bereich und operativen Geschäft, aber auch bei den Feldern Internationalisierung und Skalierung. In der neuen Gesellschaftervereinbarung ist festgelegt, dass der Aufsichtsrat auf acht Personen aufgestockt wird. Wir wollen alle zusammen das Upgrade von einem Startup zu einer führenden Digitalbank schaffen.
Reden wir über die BaFin. Wie ist der Austausch aktuell?
Die Gespräche mit der Aufsicht haben für uns Priorität. Die entsprechenden Ressourcen sind allokiert. Der Austausch ist konstruktiv, und ich gehe auch davon aus, dass wir in den nächsten ein oder zwei Quartalen Fortschritte verbuchen können. Wir sind auf jeden Fall motiviert, schnell die Prüfungsfeststellungen abzuarbeiten. Aktuell beschäftigen wir uns auch sehr intensiv damit, dass wir nachhaltig profitabel wachsen.
Was bedeutet das?
Wir investieren weiter in neue Produkte. Unsere Produktpipeline für die nächsten zwölf Monate ist schon sehr gut gefüllt. Der jüngst Schritt ist, dass wir im nächsten Jahr Wero als weitere Zahlungsoption integrieren werden.
Wie es heißt, kritisiert die BaFin eine unzureichende Geschäftsorganisation, fehlende Risikotragfähigkeit, Mängel an Kapitalplanung und ein erhöhtes Betrugsvolumen. Sind das die wesentlichen Punkte, die N26 abarbeiten muss?
Das Thema Risiko ist ein zentrales. Es greift in die gesamten Bank-Prozesse rein. Aber es geht nicht mehr um Vorkehrungen gegen Betrug und Geldwäsche.
Eine erneute Wachstumsbremse von der BaFin erwarten Sie nicht?
Nein. Eine neue Wachstumsbremse steht nicht an, sondern die Abarbeitung der anderen Punkte.
Wie profitabel ist N26? Die Nacharbeiten und Strafarbeiten sind mit Kosten verbunden.
Natürlich sind damit Kosten verbunden. Aber: Wir streben schon dieses Jahr unter dem Strich ein leicht positives Ergebnis an.
Das ist das erste N26-Jahr mit schwarzen Zahlen.
Das stimmt, und es soll auch keine Momentaufnahme sein. Bislang konnten wir nur Gewinne auf Monatsbasis verbuchen. Schon im nächsten Jahr wollen wir das Ergebnis deutlich steigern. Das eröffnet uns mehr Spielraum bei künftigen Finanzierungsfragen.
Stichwort Finanzierung: Sind die Pläne für einen Börsengangs noch aktuell?
Wir machen erst einmal unsere Hausaufgaben. Und dann schauen wir, wie wir uns weiterentwickeln. Aber: Für ein Unternehmen wie N26 muss das Ziel ganz klar ein Börsengang sein. Zum Zeitrahmen eines möglichen IPO kann ich heute nur schwer etwas sagen.
Sie sprachen von Innovationen in der Pipeline. Woran denken Sie da?
Künstliche Intelligenz ist ein Riesenthema. Da haben wir gute Talente im Unternehmen. Ein Thema sind Angebote an Kinder und damit auch Eltern – Stichwort Frühstartrente. Wir wollen auch attraktiver für das Daily Banking werden. Das heißt: Wir wollen Kunden motivieren, das N26-Konto als Gehaltskonto zu verwenden. Wir werden noch stärker in lokale Produkte investieren, gerade in den Kernmärkten Spanien, Frankreich und Italien. Außerdem denken wir über Premium-Angebote mit verschiedenen Benefits nach.
Welche Benefits?
Das könnten digitale Angebote wie Streaming-Dienste und Prime-Services bei großen Plattformen sein sowie der Zugang zu digitalen Tageszeitungen oder Magazinen. Wir sprechen hier mit innovativen Partnern, mit denen wir künftig gemeinsam an weiteren Entwicklungen arbeiten wollen. Das ist alles noch nicht spruchreif, aber es gibt viele Ideen. Ein Konto mit vielen Benefits könnte man höher bepreisen. Ich bin zuversichtlich, dass Kunden den höheren Preis auch zahlen, denn der Zusatznutzen wird mehr als attraktiv sein.
Würde N26 damit auch ältere Kundengruppen ansprechen als bisher?
Wenn wir von 2026 an auch das Thema Kids adressieren, sprechen wir mit deren Eltern Personen an, die älter sind, und die oft ein anderes Gehalt haben als jüngere.
Schwarz-Rot zeigt sich bei der Frühstartrente entschlossen. Ist N26 vorbereitet?
Wenn die Frühstartrente 2026 kommt, werden wir ein Produkt bereit haben: Kinderkontos und Kinderdepots. Wir werden mit unserem Angebot ein Preis-Führer sein und ein sehr kostengünstiges Angebot an die Eltern machen.
Es ist noch nicht ganz klar, wie viele Jahrgänge im nächsten Jahr monatlich 10 Euro vom Staat erhalten. Womöglich nur die Sechsjährigen. Lohnen sich Angebote für so eine kleine Kohorte?
Der Staat müsste das Angebot auf jeden Fall viel größer machen und eine Frühstartrente schon ab Geburt anbieten. Es wäre auch ein positives Zeichen für die Eltern, wenn die Förderung direkt greift. Die Eltern bekommen nach der Geburt auch gleich eine Steuer-ID für das Kind zugeschickt. Warum nicht auch gleich die Infos zur Frühstartrente?
Haben die Negativschlagzeilen der vergangenen Monate Effekte auf der Kundenseite gehabt?
Überhaupt nicht. Das hat, so glaube ich, wirklich nur die Presse und die Investoren beschäftigt, die Kunden gar nicht. Wir haben einen starken Brand, der positiv besetzt ist.
Wie sieht die Kundenentwicklung von N26 aus?
N26 hat aktuell über 5 Millionen umsatzrelevante Kunden in 24 europäischen Märkten, die im vergangenen Jahr für einen Umsatz von über 440 Mill. Euro gesorgt haben. Mit unseren Produkten in der Pipeline können wir sicherlich auch viele Kunden, die ihr Konto bei uns wenig oder kaum genutzt haben, aktivieren.
Wie entwickelt sich das noch relativ neue Angebot des Wertpapierhandels?
Sehr gut. Das Geschäft entwickelt sich dynamisch. Die Höhe der verwahrten Vermögenswerte steigt stetig und wird Ende 2025 bei über 800 Mill. Euro liegen. In Deutschland alleine haben die verwahrten Vermögenswerte von Januar bis November 2025 um mehr als 250% zugenommen. Mit der Anzahl der Aktien und ETFs sind wir heute sicherlich kompetitiv, auch mit anderen Neobrokern. Die Zahl der Kunden über alle Märkte hinweg, die mit N26 Aktien und ETFs handeln, hat zwischen Januar und November um 121% zugenommen. Allein in Deutschland hat sie sich in etwa verdoppelt.
Was kann N26 von Konkurrenten wie Revolut lernen? Was machen die anderen besser?
Es ist schwierig, sich über den Wettbewerb zu äußern. Revolut hat eine andere Strategie verfolgt, hat es auch gut hinbekommen. Aber auch wir haben es ganz gut hinbekommen. Im Wettbewerb schauen wir eher auf die traditionellen Banken. Der „Unique Selling Point“ der Neobanken ist, dass sie skalierbare Plattform sind und sich nicht auf einzelne Märkte oder nur einen Markt beschränken müssen. Das ist für mich einer der wesentlichen Unterschiede. Jede Bank hat heute vielleicht eine App, aber nur die allerwenigsten Banken haben eine skalierbare Plattform. Unser Markt ist die Europäische Union. Dies kann keine andere deutsche Bank im Retail Banking sagen.
Wo könnten Fintechs in Deutschland von politischer Seite noch besser unterstützt werden?
Die Regulierung konzentriert sich heute auf Verbraucherschutz und ein robustes Bankensystem. Die Politik sollte dies ausweiten auf Innovationsförderung und Standortpolitik. Andere Länder machen das so, zum Beispiel Frankreich. Wir haben nicht viele große Fintechs in Deutschland. Sie sollten gefördert werden. Denn Fintechs sind ein wichtiger Impulsgeber für die gesamte Branche.
Das Interview führten Angela Wefers und Andreas Heitker
Das Interview führten Andreas Heitker und Angela Wefers.
