GesprächAnja Maiberger und Thies Clemenz, Caceis

„Wettbewerber ohne Massengeschäft verschwinden“

Caceis ist seit Juli 2025 voll in Crédit Agricole integriert – und zielt auf die Marktführerschaft bei den Wertpapierverwahrern in Europa: mit Skalierung, Datenkompetenz und KI.

„Wettbewerber ohne Massengeschäft verschwinden“

Im Gespräch: Anja Maiberger und Thies Clemenz

„Wettbewerber ohne Massengeschäft verschwinden“

Vertriebsleiterin und Deutschlandchef von Caceis über den Konzentrationsprozess in der Wertpapierverwahrung, neue Technologien und T+1

Seit Juli 2025 ist Caceis vollständig in Crédit Agricole integriert. Der europaweit tätige Verwahrer setzt nun auf Skalierung, Datenkompetenz und KI: T+1, DORA, Tokenisierung und Krypto-Custody treiben den Umbau. Deutschlandchef Thies Clemenz und Anja Maiberger erklären, wie Echtzeitabwicklung, robuste Plattformen und ein breites Kundengerüst die Position im Konsolidierungsmarkt stärken sollen.

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Nummer zwei bei den Wertpapierwahrern in Europa – mit dem erklärten Anspruch auf die Eins: Caceis verwahrt Billionen an Vermögen, verarbeitet Millionen Transaktionen täglich und rüstet seine Plattform für T+1, Dora und Tokenisierung. Deutschlandchef Thies Clemenz und Vertriebsleiterin Anja Maiberger skizzieren, wo die nächsten Prozentpunkte Marktanteil herkommen sollen.

Mit der Übernahme des 30,5%-Anteils von Santander durch Crédit Agricole ist die Integration von Caceis in den französischen Finanzkonzern seit Juli 2025 abgeschlossen. Caceis zählt zu den größten Wertpapierverwahrern Europas und hat sich auf Platz zwei unter den europäischen Custodians vorgearbeitet. „Wir verwahren 5,3 Billionen Euro. In Europa sind wir die Nummer zwei der europäischen Custodians – aber wir wollen die Nummer eins werden“, sagt Clemenz. Aktuell führt BNP Paribas Securities Services die Rangliste an, gefolgt von Caceis und Société Générale Securities Services (SGSS). Gemeinsam dominieren diese drei Anbieter den europäischen Global-Custody-Markt.

Europäische Übernahmen

Die Übernahmen der Kas Bank 2019 und der europäischen Einheiten der RBC Investor Services 2023 markieren Meilensteine. „Skalenvorteile sichern unsere Wettbewerbsfähigkeit. Bis zu drei Millionen Transaktionen täglich – das muss man erst mal abbilden können“, betont Clemenz. Die Fähigkeit, Massengeschäft effizient abzuwickeln, werde zum entscheidenden Differenzierungsfaktor. „Wir wachsen, weil wir skalieren können und die Datenströme beherrschen. Wettbewerber ohne Massengeschäft werden verschwinden.“

„Strategisch geht es nicht mehr darum, was wir heute buchen – sondern darum, was morgen zählt. Wer das nicht erkennt, wird keine Rolle mehr spielen“, so Clemenz. Hinter dem reibungslosen Ablauf des Wertpapiergeschäfts steckt ein hochkomplexes Zusammenspiel aus Abwicklung, Verwahrung, Steuern, Corporate Actions und Datenmanagement. In einer zunehmend regulierten, technologiegetriebenen Umgebung entscheidet die Fähigkeit zur Echtzeitverarbeitung über Relevanz und Zukunftsfähigkeit.

Große Plattformen legen zu

Die Konsolidierung der Branche schreitet voran. Große Plattformen gewinnen deutlich an Gewicht. In den vergangenen zwölf Monaten wurden mehrere Transaktionen angekündigt: SS&C übernahm das Fonds-Transaktionsnetzwerk Calastone für rund 1 Mrd. Dollar. State Street gliederte die Mizuho-Einheiten außerhalb Japans ein – mit einem verwahrten Vermögen von rund 580 Mrd. Dollar. BNP Paribas sicherte sich das Custody-Geschäft von HSBC Deutschland.

Gleichzeitig steigen die Anforderungen: Neue regulatorische Vorgaben wie T+1-Abwicklungszyklen, der Digital Operational Resilience Act (Dora), strengere ESG-Berichtspflichten und digitale Innovationen wie Tokenisierung und KI verändern das Geschäftsmodell der Verwahrer grundlegend.

Für Clemenz ist klar, dass nur vorausschauende Anbieter eine Zukunft haben: „In einem margenschwachen, hochregulierten Markt überleben nur die, die strategisch frühzeitig auf Zukunftsthemen setzen.“ Wer jetzt nicht in robuste Plattformen, Daten- und Prozesskompetenz investiert, gerät ins Hintertreffen. Doch Kunden kommen, und Kunden gehen. Das zeigt das Beispiel Unicredit, die Custody-Aktivitäten neu ausschrieben und in Deutschland auf BNP Paribas statt Caceis setzen wird.

Intensive KI-Nutzung

Technologie und Künstliche Intelligenz sind dabei nicht nur Mittel zum Zweck. „Früher haben wir Prozesse automatisiert. Heute verstehen wir erst den Datenstrom – dann kommt die KI“, sagt Clemenz. Caceis setzt bereits Tools ein, die Dokumente zu Kapitalmaßnahmen analysieren, strukturierte Informationen extrahieren und ins System übertragen. „Eine KI liest Kapitalmaßnahme-Prospekte, extrahiert bis zu 150 Datenpunkte und übernimmt diese ins System – schnell, fehlerfrei und rund um die Uhr.“

Die Relevanz digitaler Währungen und tokenisierter Assets ist groß. „Der digitale Euro ist kein Kontoumsatz, sondern ein reiner Datenstrom. Wer Kontenbuchungen denkt, denkt Vergangenheit.“ Für Clemenz ist klar: „Ob wir Autos, Hunde oder Wertpapiere verbuchen, ist zweitrangig. Entscheidend ist, den Datenstrom zu verstehen und zu beherrschen.“ Mit der MiCA-Lizenz zählt Caceis zu den ersten Custodians in Europa, die regulatorisch für Krypto-Custody und Tokenisierung mandatsfähig sind – ein Schritt, um neues institutionelles Geschäft zu erschließen.

Alle Kunden im Visier

Neben der Infrastruktur spielt die Kundenbasis eine zentrale Rolle. „Private Equity boomt und viele Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGs) diversifizieren sich weg von Real Estate. „Wir betreuen in Deutschland über 200 KVGs und Asset Manager – ein solides Fundament, auch wenn sich das Wachstum marktbedingt im Real-Estate-Segment verlangsamt hat“, sagt Anja Maiberger. Die Position im Segment Alternatives sei stabil: „Generell haben wir im Bereich Alternatives unsere Marktführerschaft weiter gefestigt und keine Kunden verloren.“ Im deutschen Verwahrstellenmarkt rangiert Caceis laut BVI-Statistik mit über 100 Mrd. Euro auf Platz acht.

Doch die BVI-Zahlen bilden nicht alles ab. Im Segment Broker-Dealer liege der Marktanteil bei 50 bis 60%: „Das sind etwa 40 aktive Kunden, teils große europäische Player“, so Maiberger. Besonders attraktiv sei aktuell die klassische Wertpapierverwahrung: „Hier betreuen wir rund 30 namhafte Kunden – vor allem institutionelle Anleger. Hier liegt unser größtes Wachstumspotenzial.“ Der breite Zugang ist laut Maiberger ein Vorteil: „Wir betreuen alle Kundensegmente – das unterscheidet uns vom Wettbewerb.“

B2B-Geschäftsmodell

Trotz ihrer Größe ist Caceis bei Privatanlegern kaum bekannt. Das liegt am B2B-Geschäftsmodell: Caceis arbeitet ausschließlich für institutionelle Kunden und nicht direkt für Endverbraucher. „White-Label“-Dienstleistungen und die technische Abwicklung laufen für den Kunden unsichtbar, etwa wenn er einen Fonds über seine Hausbank erwirbt. Komplexe Themen wie Settlement oder Collateral Management sind für Retailkunden weder sichtbar noch relevant.

Die Herausforderungen der kommenden Jahre sind vielfältig: verkürzte Abwicklungszyklen, steigende Anforderungen an IT-Resilienz, neue digitale Geschäftsmodelle, verschärfte Aufsicht. Gleichzeitig bieten sich Chancen – etwa durch weiter zunehmendes Outsourcing, Datenservices und digitale Vermögenswerte.