LEITARTIKEL

Im Riesenrad

Auf die Kommunikatoren der Commerzbank wird in den nächsten Wochen ein interessantes Problem zukommen: Wie lassen sich die nach dem bevorstehenden Abschied von Vorstandschef Martin Zielke unweigerlich zu treffenden Entscheidungen in Worte kleiden,...

Im Riesenrad

Auf die Kommunikatoren der Commerzbank wird in den nächsten Wochen ein interessantes Problem zukommen: Wie lassen sich die nach dem bevorstehenden Abschied von Vorstandschef Martin Zielke unweigerlich zu treffenden Entscheidungen in Worte kleiden, die klingen, als gehe es mit der gelben Bank voran und nicht um eine harte Restrukturierung?Beliebte Floskeln wie “nach erfolgreicher Umsetzung der Strategie 5.0” wird man sich in der Zentrale in Frankfurts Kaiserstraße verkneifen müssen, nachdem dieser im September verkündete Vierjahresplan schon nach nicht einmal zwölf Monaten an der Realität zerschellt ist. Noch heißt es auf der Website des Instituts “Gerade in schwierigen Zeiten sind wir die Bank an Ihrer Seite”, vermutlich aber nicht mehr lange. Denn erste Gedankenspiele des noch amtierenden Vorstands liefen darauf hinaus, bis Ende 2023 mehr als die Hälfte der bundesweit knapp 1 000 Filialen dichtzumachen. Allein mit Verweis auf verändertes Kundenverhalten angesichts von Corona lässt sich dies schlecht rechtfertigen. “Commerzbank fokussiert sich” könnte gerade noch so durchgehen.Kein Zweifel: Nicht nur operativ, auch kommunikativ wird sich die Bank schwer in die Kurve legen müssen – 2016 hatte sie eine Ankündigung der Deutschen Bank, ihr Netz um knapp 200 Filialen zu reduzieren, mit dem Slogan “Es gibt eine deutsche Bank, die an Ihrer Seite bleibt” gekontert und Broschüren mit dem Bild eines demontierten Schriftzugs des Rivalen verteilt. Nun wirkt es, als habe sie nicht nur keineswegs das stabilere Geschäftsmodell, sondern sei strategisch schlicht einige Jahre hintendran. Nicht zum ersten Mal drängt sich beim Blick auf beide Häuser das Bild eines Riesenrads auf, in dem es jeweils für ein Institut aufwärts- und für das andere abwärtsgeht.Denn während die Commerzbank vor den Scherben ihrer Wachstumsstrategie steht, scheint die Deutsche Bank kontinuierlich nach vorn zu kommen. Der Grund: In der gelben Bank herrscht derzeit in den wichtigen Fragen, vom Personalbestand übers Filialnetz bis zur Besetzung von Aufsichtsrats- und Vorstandsspitze, blanke Ungewissheit; im blauen Konzern dagegen, man mag es nach Jahren strategischen Allerleis kaum glauben, ist klar, wo es langgeht. Und es wird nicht nur geredet, sondern umgesetzt. Der Makel, große Würfe zu verkünden, sie aber nicht ins Werk zu setzen, geht nach Jahren auf die Commerzbank über.Auch wenn die Realität gewiss komplexer ist, fällt der Befund für Außenstehende recht eindeutig aus: Die eine Bank wälzt Ziele für Ende 2023 und Personalszenarien. Die andere hat allein seit Anfang Juni eine Einigung mit Arbeitnehmervertretern über den Abbau von gut 300 Stellen in der Unternehmensbank geschlossen, über die Zusammenlegung ihres internationalen Wealth Managements mit den Privatkundenaktivitäten in Italien, Spanien, Belgien und Indien informiert sowie eine strategische Partnerschaft mit Google vereinbart, die, ob die Bank damit nun gut fährt oder nicht, in jedem Fall das Privat- und das Firmenkundengeschäft verändern wird.Je länger diese Entwicklung anhält, umso stärker schießen die Spekulationen über einen Zusammenschluss beider Institute ins Kraut. Von einer Fusion unter Gleichen, von der mancher im Markt 2019 träumte, kann freilich nicht mehr die Rede sein, wenn eines der beiden Häuser nur ein Drittel des Börsenwerts der anderen Adresse auf die Waage bringt. So teuer wie im Frühjahr vergangenen Jahres wird sich die Commerzbank auf Sicht nicht mehr verkaufen können – die Deutsche-Bank-Aktionäre aus Katar, die damals dem Vernehmen nach die Großbankenfusion torpedierten, weil ihnen die relative, deutlich über dem langfristigen Mittel liegende Bewertung der Commerzbank zu hoch schien, haben ein gutes Näschen bewiesen.——Von Bernd NeubacherDer Makel, strategisch große Würfe zu verkünden, sie aber nicht umzusetzen, geht von der Deutschen Bank auf die Commerzbank über.——