IM GESPRÄCH: CHRISTIAN HECKER, TRADE REPUBLIC

"Kein deutsches, sondern ein europäisches Projekt"

Der Mitgründer des neuen Brokers will der Konkurrenz mit unschlagbaren Konditionen Depots abjagen - IT-Infrastruktur erlaubt schlanke und schnelle Prozesse

"Kein deutsches, sondern ein europäisches Projekt"

Seit mehr als zehn Jahren hat es keine Neugründung im deutschen Retail Brokerage mehr gegeben. Mit Trade Republic geht nun ein Fintech an den Start, das den Markt durchrütteln könnte. Denn die Berliner verfügen über eine Infrastruktur, die es erlaubt, dem Kunden eine günstigere Abwicklung anzubieten. Zielgruppe für Trade Republic sind alle 10 Millionen deutschen Anleger, “die bei jedem Klick zu viel Gebühren zahlen”, so Mitgründer Christian Hecker im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Von Björn Godenrath, FrankfurtWie schnell Marktanteile neu vergeben werden können, das macht seit gut vier Jahren die US-Trading-App Robinhood vor. Das Angebot eines kostenfreien Aktienhandels hat dem Start-up bereits mehr als 4 Millionen Kunden gebracht und in der Gemeinde der Online-Broker einen heftigen Preiskampf angezettelt, der eigentlich alle von E-Trade bis Charles Schwab zu Zugeständnissen gezwungen hat. Heute erfreut sich Robinhood einer Bewertung von geschätzten 7 Mrd. Dollar – und so manch ein Marktteilnehmer fragte sich schon, ob Robinhood mit seinem Geschäftsmodell auch nach Deutschland streben wird. Mobiles Handeln im TrendDavon kann derzeit zwar keine Rede sein – und wenn Robinhood es täte, würden sie mit Trade Republic auf einen Newcomer treffen, der das Segment mobiles Brokerage in Europa bereits bedient. Als Christian Hecker Trade Republic Mitte 2015 zusammen mit Thomas Pischke und Marco Cancellieri in München auf den Weg brachte, da sei Robinhood “nicht der Impetus für die Gründung” gewesen, aber heute “natürlich ein Vorbild”, so der 29-Jährige im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Dabei ist Hecker nicht weniger ambitioniert, wenn es darum geht, die Phalanx der hiesigen Broker aufzubrechen: “Wir hoffen natürlich, das Gleiche in Europa zu erreichen – und wir glauben, dass es geht, weil das mobile Handeln ein Makrotrend ist. Das kann aber nur jemand machen, der aus Europa kommt und diese spezielle Regulierung durchdringt sowie die Technologie selbst gebaut und dafür angepasst hat.”Wobei Hecker beim Herumspielen mit Gründerideen damals unter dem Eindruck stand, dass N26 das neue coole Fintech ist, und es mit seiner Fokussierung auf das Smartphone durchaus als Inspiration diente. Sein Gedanke damals: “Was die für das Girokonto machen, wird auch jemand für das Depotkonto machen müssen.” Gesagt, getan, und so begann die Arbeit an einem Fintech, das analog zu N26 im Segment B2C direkte Kundenbeziehungen anstrebt, nur eben im Brokerage – eine Rarität im B2B-geprägten deutschen Fintech-Markt. Eine WertpapierhandelsbankEin solches Fintech wird in einem hoch regulierten Umfeld nicht von heute auf morgen aufgebaut, aber seit Mitte Dezember 2018 ist Trade Republic eine durch die BaFin lizenzierte Wertpapierhandelsbank. Den Handel haben die Berliner mit einer Warteliste im Januar gestartet. Auf der hatten sich mehr als 20 000 Interessenten eingetragen. “Seit Anfang Mai sind wir offen ohne Warteliste und haben schon mehrere Tausend Depotkunden sowie ein zweistelliges Millionenvolumen von Assets under Management.”Dank digitaler Vertriebskanäle sei man in der Lage, mit überschaubarem Budget viele Anleger anzusprechen. “Das Schöne ist, dass wir das in Deutschland in einem sehr homogenen Markt machen. Die großen Broker unterscheiden sich eigentlich nur in der Farbe des Logos.” Das Einfallstor für Trade Republic sind konkurrenzlos geringe Transaktionskosten. “Wir haben eine eigene IT-Plattform aufgebaut und sind auf dieser Basis jetzt in der Lage, Transaktionen für einen Bruchteil der Kosten abzuwickeln, verglichen mit den großen Banken. Bei uns ist alles voll automatisiert: Ein Trade ist in unter einer Sekunde abgewickelt, gebucht und ein Beleg erstellt. Wir begreifen uns als Technologieunternehmen mit Banklizenz.”Was Trade Republic da bietet, das können Hecker zufolge die auf alter IT-Architektur fußenden Broker gar nicht leisten, sei es denen doch nicht möglich, die Batch-Prozesse rauszuschneiden. Beim Aufbau des Start-up habe er zwei Dinge gelernt: “Die Aktienorderausführung bei großen Banken und Brokern ist unglaublich teuer – weil sie überwiegend auf Systemen aus dem letzten Jahrhundert abgewickelt werden. Und die Kosten trägt am Ende der Konsument. Zweitens ist es gang und gäbe, dass Broker Rückvergütungen von Handelspartnern erhalten. Diese beiden Punkte zusammen ergeben das Geschäftsmodell von Trade Republic: Durch Automatisierung und Technologie die Kosten in der Abwicklung so zu senken, dass man allein von den Rückvergütungen leben und sie dem Kunden in Form des erheblichen Preisvorteils durch Provisionsverzicht zukommen lassen kann.” Zielgruppe für Trade Republic sind alle 10 Millionen deutsche Anleger, “die bei jedem Klick zu viel Gebühren zahlen”.Für Hecker ist auch der Markt an sich keineswegs gesättigt: Die Anzahl der Aktionäre in Deutschland sei in den letzten fünf Jahren um etwa eine Million angestiegen. Und im niedrigpreisigen Brokerage, also bei Anbietern wie Flatex und Degiro, sei ein jährliches Wachstum von mehr als 10 % zu beobachten. “Und wir können jedem Trader sagen, dass er bei uns zur gleichen Qualität handelt wie bei anderen, nur günstiger.” Denn bei Trade Republic fällt für den Kunden nur eine Fremdkostenpauschale von 1 Euro pro Trade an. Das Handelsuniversum umfasst derzeit über 6 500 deutsche und internationale Aktien sowie mehr als 500 ETFs auf Indizes, Rohstoffe und Währungen. Provisionsfreie GeschäfteDie Höhe der Rückvergütung für Trade Republic hängt dabei von verschiedenen Parametern ab, wie Volatilität und Markttiefe sowie der Gattung, die man handelt, erklärt Hecker. Pauschal sei es ein kleiner einstelliger Cent-Beitrag für einen 100-Euro-Trade. “Das heißt, an jeder Order verdienen wir Geld.” Dabei arbeitet das Fintech mit Lang & Schwarz Exchange zusammen, einem Marketmaking-System, das börslich reguliert ist im Segment der Börse Hamburg. “Entscheidend ist, dass es dort eine unabhängige Handelsüberwachung gibt, die vom Hamburger Senat eingesetzt wurde. Der Spread eines Handelsgeschäftes/Quote ist an Xetra gebunden. Das stellt sicher, dass unsere Rückvergütung nicht durch unfaire Spreads zustande kommt.” Damit sei transparent gemacht, dass es nicht zu versteckten Kosten beim Kunden komme, sondern dass sich Trade Republic allein aus dem Ertrag, den der Marketmaker aus dem Orderflow erzielt, finanziert bzw. den Prozesskostenvorteil nutzt, um den Kunden provisionsfrei handeln zu lassen. Keine Kompromisse”Es war uns immer wichtig, dass der Preisvorteil nicht durch Kompromisse erkauft wird. Langfristig funktioniert das nur, wenn es neben der Preisführerschaft auch qualitativ Maßstäbe setzt.” Bei der Konkurrenz sehe man oftmals nachteilige Kompromisse bei der Sicherheit. So weist Hecker darauf hin, dass ausländische Wettbewerber oftmals keine vergleichbare Einlagensicherung böten, Kundengelder nicht auf einem Bankkonto, sondern in offenen Geldmarktfonds lagerten und Wertpapiere nicht im Sondervermögen verwahrt, sondern verliehen würden.Für das Brot-und-Butter-Geschäft im Brokerage setzt Trade Republic neben Lang & Schwarz auf drei weitere Partner: Clearing und Settlement inklusive der steuerlichen Berechnung finden bei HSBC Transaction Services als Custodian statt. “Custody ist Fixkostengeschäft, und HSBC ist als größter Anbieter in Deutschland am günstigsten. Außerdem ist HSBC als einziger Custodian ohne eigenen Retail Broker – was hilft, wenn man wie wir die Broker disruptieren will.”Für die Verwahrung der Kundengelder greift Trade Republic auf die Dienste der Solarisbank zurück, beim Videoident-Verfahren hat man Web ID als Dienstleister engagiert. Damit sei man geldwäschekonform, es finde eine laufende Überwachung statt – die Sicherheit der Onboarding-Prozesse von Neobanken ist ein sensibles Thema, seitdem N26 Schludrigkeiten begangen hat und die ganzen Compliance-Prozesse kritisch von der Aufsicht beäugt werden. Kapital für SkalierungAn Risikokapital hat Trade Republic bislang 7 Mill. Euro eingesammelt. Die auf Heavy Trader spezialisierte Sino AG hält nach der Seed-Runde rund 50 %. Man befände sich “laufend im Dialog” über die weitere Finanzierung, sagt Hecker. Noch dieses Jahr werde sich da etwas tun. Man wolle einen Partner finden, der eine Skalierung begleitet und zusätzliche Expertise liefern könne, nachdem das Produkt nun erfolgreich am Markt gestartet worden sei.Die Ansprüche von Trade Republic sind klar formuliert: “Wir sind der erste Broker in Europa, der mobilen und provisionsfreien Aktienhandel reguliert anbietet. Und die Botschaft des provisionsfreien Brokerage wollen wir in die Breite tragen. Zielmarkt ist die Eurozone – das ist kein deutsches, sondern ein europäisches Projekt.” Letzte BastionDabei will der Neobroker auf einer bestimmten Welle der allgemeinen Digitalisierung reiten. “Was wir heute sehen, ist eine große Mobilisierung von Dienstleistungen auf das Smartphone von Essensbestellungen bis hin zu Kartenzahlungen. Und die letzte Bastion ist der Wertpapierhandel, der aber genau dorthin gehört, weil er eine zeitkritische Anwendung mit viel Information ist.”