Lange Gesichter am Schweizer Finanzplatz
Lange Gesichter am Schweizer Finanzplatz
Neue Statistik zeigt, dass viel abgezogenes Credit-Suisse-Geld nicht mehr in die Schweiz zurückkommt – Ausländische Banken profitieren
Von Daniel Zulauf, Zürich
Die am Dienstag veröffentlichten Geschäftszahlen von Julius Bär zeigen, dass die Bank von der Krise der Credit Suisse kaum profitiert hat. Der darauffolgende Einbruch des Aktienkurses um bis zu 8% gehört zu den Erfahrungen, an die man sich am Schweizer Finanzplatz gewöhnen müssen wird. Die Anfang der Woche aktualisierte monatliche Bankenstatistik der Schweizerischen Nationalbank lässt erste Hochrechnungen über den Schaden des Credit-Suisse-Versagens für den Schweizer Finanzplatz zu – er bewegt sich in Richtung eines dreistelligen Milliardenbetrags. Tatsächlich suggerieren die Zahlen, dass etwa die Hälfte der Kundeneinlagen, die der gescheiterten Großbank zwischen Oktober 2022 und März 2023 abhandenkamen, auf andere Finanzplätze im Ausland geflossen sind. Die Statistik erfasst die Einlagen von Kunden von Banken in der Schweiz mit Domizil Schweiz oder Domizil Ausland. Gezählt werden auch die Kundeneinlagen von Filialen dieser Banken im Ausland.
Deutlich sichtbar wird zunächst, wie sich die Rückzüge der Kundengeldeinlagen bei Credit Suisse (die Credit Suisse wird mit UBS als Gruppe der Großbanken zusammengefasst) im März noch einmal dramatisch beschleunigt haben. In dem Monat, in dem die Notenbank mit der Ankündigung der Liquiditätsspritze (15. März) das Endspiel der Credit Suisse quasi zum öffentlichen Schauspiel machte, weist die Statistik einen Rückgang der Kundeneinlagen um 69 Mrd. sfr aus.
Wiederkehrendes Muster
Das Muster, das sofort nach Beginn der Eskalation der Krise im Oktober 2022 offenkundig wurde, war auch im März eindeutig zu erkennen. Die Geldrückzüge von Credit-Suisse-Kunden mit Domizil Ausland übertrafen die Rückzüge von inländischen Kunden bei weitem. Interessant ist die Frage, wohin die von der Credit Suisse abgezogenen Gelder geflossen sind. Auch dazu liefert die Nationalbank-Statistik Hinweise. So wird deutlich, dass die 24 staatlichen Schweizer Kantonalbanken Nutznießer der Krise der Großbank waren. Sie haben die Kundeneinlagen zwischen Ende September 2022 und Ende März 2023 um rund 24 Mrd. sfr gesteigert. Das entspricht einem Wachstum von 5,5%, verglichen mit einem Rückgang der Kundeneinlagen aller in der Schweiz tätigen Banken um 11%.
Außer den Kantonalbanken konnte keine andere Gruppe von Banken in der Schweiz seit Ende September 2022 eine erkennbare Zunahme bei den Kundeneinlagen verbuchen – auch nicht die Privatbanken, die in der Nationalbank-Statistik in der Gruppe der Börsenbanken auftreten und zu der auch Julius Bär gehört. Die Börsenbanken weisen im Beobachtungszeitraum sogar einen Rückgang der Kundeneinlagen um 22 Mrd. sfr aus (−12%). Das dürfte allerdings zu einem sehr großen Teil auch dem Zinsanstieg und dem Wertverlust ausländischer Währungen gegenüber dem Franken geschuldet sein.

Tatsächlich hat der Zinsanstieg Umschichtungen von Kontoeinlagen in Wertpapieranlagen begünstigt. Sehr deutlich zu erkennen ist dies auch in der massiven Zunahme der Anlagen in Geldmarktfonds (vgl. Grafik). Geldmarktanlagen eignen sich auch gut zur Zwischenlagerung von Geldmitteln, über deren längerfristige weitere Verwendung Anleger noch nicht entschieden haben.
In Schweizer Privatbankkreisen hört man denn auch Stimmen, nach denen viele Credit-Suisse-Kunden die Mittel aus ihren geleerten Konten am Geldmarkt zwischengeparkt hätten, um sie dem Risiko der Credit-Suisse-Bilanz zu entziehen. Die Nationalbank-Statistik zeigt auch, dass sich die Geldmarktanlagen der Kunden von Banken in der Schweiz in den Schweizer Wertschriftendepots seit Ende September von knapp 94 Mrd. sfr auf über 214 Mrd. sfr mehr als verdoppelt haben. Die Privatbankiers gehen davon aus, dass der überwiegende Teil dieser Geldmarktanlagen bei ihnen bleiben wird.
Viel Geld bleibt weg
Aber selbst unter dieser Annahme verbleibt nach dem Geldabfluss bei der Credit Suisse eine Differenz von 93 Mrd. sfr, über deren geografischen Verbleib keine eindeutige Aussage möglich ist. Die weit überproportionalen Geldrückzüge von Schweizer Großbankkunden mit Wohnsitz im Ausland lassen vermuten, dass diese Gelder bei ausländischen Banken auf Finanzplätzen außerhalb der Schweiz gelandet sind. Damit wird klarer, was zu vermuten war: Das Credit-Suisse-Debakel hinterlässt auf dem Schweizer Finanzplatz neben dem Reputationsschaden auch einen großen finanziellen Schaden.
