Handlungsunfähige Stiftungen

Fürstentum in Nöten

Das Stiftungsparadies Liechtenstein verwaltet auch die Vermögen vieler reicher Russen. Doch die Angst vor der mächtigen US-Sanktionsbehörde treibt die Treuhänder in die Flucht.

Fürstentum in Nöten

Russen bringen Liechtenstein in Not

Reuters Vaduz

Geschäfte mit reichen Russen bringen das Fürstentum Liechtenstein in die Bredouille. Um Russland nach dem Angriff auf die Ukraine zu schwächen, haben sich die USA auch die Vermögen der Oligarchen vorgeknöpft. Ein Ziel sind dabei Stiftungen in Liechtenstein. Einige dieser Finanzvehikel und die mit ihrer Leitung betrauten Treuhänder setzten die USA auf eine Sanktionsliste.

Milliardenvermögen eingefroren

Die Angst vor dem langen Arm der US-Behörden löste eine regelrechte Fluchtwelle aus: Reihenweise sprangen die Treuhänder bei Stiftungen ab, die zwar nicht von Sanktionen betroffen waren, aber ebenfalls Russland-Beziehungen pflegen. Damit sind nun Hunderte Stiftungen mit Vermögen von insgesamt mehreren Milliarden Franken praktisch eingefroren, wie zwei Insider erklären. Regierung und Behörden versuchen, dem Sektor aus der Patsche zu helfen, ohne den Ärger der USA auf sich zu ziehen. Einem Insider zufolge soll die Branche in einem zweiten Schritt enger an die Kandare genommen werden.

Überdimensionierte Finanzbranche

Die Finanzbranche spielt eine herausragende Rolle für die Wirtschaft Liechtensteins. Schätzungen des IWF zufolge ist der Finanzplatz rund 100-mal so groß wie die Wirtschaftsleistung des Landes. Vor allem steuersparende Stiftungen sorgen immer wieder für Schlagzeilen. In ihnen können rund um den Globus verteilte Vermögenswerte wie Firmenanteile, Immobilien, Geld- oder Wertpapiere gebündelt werden. Während der Stifter von Steuerersparnissen profitiert, kann er bestimmte Zwecke fördern und das Vermögen vor dem Zugriff durch Dritte schützen. Zwar sank die Zahl der Stiftungen in Liechtenstein von einst rund 80.000 auf nur noch etwa 20.000. Damit kommt aber immer noch ungefähr eine Stiftung auf zwei Einwohner des Fürstentums.

Seit April 2021 hat die US-Behörde Office of Foreign Assets Control (OFAC) schrittweise mehrere Stiftungen und ihre Treuhänder auf ihre Sanktionsliste genommen. Diese rechtlichen Vertreter verwalten die Stiftung im Sinne des Stifters. Kommt ein Treuhänder auf die Sanktionsliste, brechen ihm Kunden weg, Bankkonten und Kreditkarten werden gesperrt, der Mobiltelefonanschluss funktioniert nicht mehr. „Für die Betroffenen bedeutet das eigentlich von heute auf morgen ein Existenzverlust“, erklärt ein Anwalt.

Auflösungsverfahren eingeleitet

Vor allem die letzte Sanktionsrunde im August löste im Land zwischen Österreich und der Schweiz Schockwellen aus – Treuhänder von Hunderten Stiftungen traten aus Angst, auch sie könnten belangt werden, zurück. Damit waren aber die Stiftungsräte nicht mehr ausreichend besetzt, sodass die Behörden ein Auflösungsverfahren einleiteten. Einem Regierungsbeamten zufolge zählen gegenwärtig rund 475 Stiftungen zu dieser Kategorie. Bei rund 350 Stiftungen seien die Fristen zur Neubesetzung noch nicht abgelaufen, bei 85 die Verfahren unterbrochen. Bei 40 Stiftungen sei eine Liquidation verfügt worden. Nicht alle hätten jedoch einen Bezug zu Russland.

Regierung prüft Optionen

Um die Turbulenzen auf dem für Liechtenstein wichtigen Finanzsektor einzudämmen, prüft die Regierung Optionen für die übrigen Stiftungen. Ein Vorschlag sieht einem Insider zufolge vor, Rechtsanwälten, die bereit sind, Stiftungen abzuwickeln, Rechtssicherheit zu bieten, damit sie nicht selbst auf der Sanktionsliste landen. Liechtenstein sei diesbezüglich in Kontakt mit OFAC, hieß es. Ebenfalls auf dem Tisch lagen demnach Vorschläge, die verwaisten Stiftungen in eine Abwicklungsbank einzubringen oder direkt der liechtensteinischen Finanzmarktaufsicht FMA zu unterstellen. Der Regierungsbeamte gab sich bedeckt: „Lösungsoptionen werden regelmäßig geprüft.“

Hoffen auf Trump

Die Russen-Stiftungen sind ein Rückschlag für Liechtensteins Bemühungen, den Ruf als Hort zweifelhafter Gelder abzuschütteln. Denn nach dem Skandal um den früheren Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel bei der LGT vollzog das kleine Land unter der Führung des Fürstenhauses einen Strategiewechsel und verabschiedete sich schneller als der größere Nachbar Schweiz vom Geschäft mit unversteuerten Geldern. Kürzlich wurde Liechtenstein zudem in den Internationalen Währungsfonds (IWF) aufgenommen. Der Vorstoß der US-Sanktionsbehörden zeigt aber, dass das Fürstentum weiter Angriffsfläche bietet.

Gefürchtete OFAC

Für das exportorientierte Liechtenstein ist der Zugang zu Dollar-Transaktionen überlebenswichtig. Dieser läuft über sogenannte Korrespondenzbanken, mit denen die heimischen Banken wie die vom Fürstenhaus kontrollierte LGT, die VP Bank oder die LLB zusammenarbeiten. Kommt eine Bank auf eine Sanktionsliste, droht ein Rückzug der Korrespondenzbanken. „OFAC-Probleme können ziemlich schnell den Todesstoß für eine Bank bedeuten“, erklärt ein Banker. Aus Angst vor einer Ansteckung haben viele der rund ein Dutzend heimischen Institute die Beziehungen zu exponierten Treuhändern gekappt. Trotzdem gibt es weiterhin liechtensteinische Banken, die Beziehungen zu Stiftungen mit Russland-Bezug unterhalten, so der Regierungsbeamte.

Gespräche mit den USA

Die Regierung Liechtensteins arbeitet Insidern zufolge daran, mit den USA eine Lösung für die handlungsunfähigen Stiftungen zu finden. Die neue US-Regierung könnte dem Fürstentum im besten Fall einen Ausweg bieten: „Alle hoffen, dass Trump den Krieg beendet und das Thema damit vom Tisch ist“, so der Anwalt. 

Treuhänder verlassen Oligarchen-Stiftungen – Regierung sucht mit USA Lösung

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