Nachfolge ohne Nachfolger
Christian FutterliebGeschäftsführer der VR Equitypartner GmbHDie familieninterne Nachfolge ist und bleibt bei Familienunternehmen die beliebteste Form der Unternehmensübergabe. Zumindest aus Sicht der Senioren. Doch es ist nicht einfach, innerhalb der eigenen Familie eine passende Nachfolgerin oder einen passenden Nachfolger zu finden. Zum Beispiel weil der Nachwuchs andere Pläne hat. Oder weil er in den Augen des bisherigen Geschäftsführers ungeeignet zu sein scheint. Einige prominente Fälle haben gezeigt, wie eine Revision der Nachfolgeentscheidung Unternehmen und allen Betroffenen schadet. Eine frühzeitige Nachfolgeplanung hilft, solche Situationen zu vermeiden. Dabei gilt es, rechtzeitig die unterschiedlichen Dimensionen der Nachfolgelösung anzugehen. Denn die Nachfolge ist weit mehr als die Entscheidung, wann der bisherige geschäftsführende Gesellschafter loslässt und wer anschließend das Ruder übernimmt. Unternehmerische und gesellschaftsrechtliche Nachfolge sollten koordiniert werden. Darüber hinaus gilt es, eine Rolle für den Senior-Unternehmer zu finden, mit der er selbst, aber auch seine Nachfolger zufrieden sind. Das Unternehmen muss außerdem organisatorisch vorbereitet werden, damit kein Entscheidungsvakuum entsteht. Und nicht zuletzt muss bei den meisten Nachfolgen geschaut werden, wie ein möglicher Verkaufserlös angelegt werden kann.Rational betrachtet dürfte es kaum einen Unternehmer geben, der diese Herausforderungen nicht kennt. Doch emotional ist der Umgang mit der eigenen Nachfolge deutlich schwieriger. Manchmal ist es die eigene Lust am Unternehmertum, die Geschäftsführer noch bis ins hohe Alter hinein eine Nachfolge immer weiter in die Zukunft schieben lässt. Manchmal ist es die mangelnde Nachfolgeperspektive, weil der Nachwuchs zu jung oder noch unqualifiziert erscheint. Und manchmal wird schlicht Zeitmangel vorgeschoben, da das Tagesgeschäft den Unternehmer gefühlt vollständig beanspruche. So kommt es dazu, dass Unternehmer und Unternehmen unvorbereitet in die Nachfolgesuche gehen.Doch dann ist es schwieriger, einen Nachfolger zu finden. Jeder fünfte der rund 236000 Unternehmer, die in diesem oder dem kommenden Jahr eine Nachfolge benötigen, geht laut KfW-Mittelstandspanel davon aus, dass er das Unternehmen wohl wird schließen müssen. Denn mögliche Käufer werden von den häufig auf den Senior zugeschnittenen Strukturen im Unternehmen abgeschreckt oder nehmen hohe Bewertungsabschläge vor. Eine starke zweite Führungsebene fehlt, notwendige Investitionen, z.B. in die Digitalisierung, wurden häufig verschleppt, Modernisierungen im Geschäftsmodell blieben aus. Die wichtigsten Kunden und Lieferanten hängen am geschäftsführenden Gesellschafter – und das Zahlenwerk des Unternehmens versteht außer ihm auch keiner. Vielen Käufern, die bei einer vorbereiteten Unternehmensnachfolge gerne zugegriffen hätten, sind bei solchen Unternehmen die Risiken deutlich zu groß. Dem Unternehmer selbst fehlt aber häufig die Einsicht, die nötige Distanz, um diese fundamentale Schwäche seines häufig jahrzehntelang erfolgreichen Unternehmens zu erkennen. Und selbst wenn er weiß, dass dadurch ein Verkauf unmöglich sein kann, verfügt er nicht immer über die Möglichkeiten, langjährig eingespielte Verhaltensmuster bei sich selbst und Dritten noch zu verändern.Trotzdem müssen solche Unternehmen nicht “unverkäuflich” oder nur für kleines Geld zu verkaufen sein. Wir haben beispielsweise ein eigenes Nachfolgekonzept entwickelt, um gezielt auch in Unternehmen in nicht vorbereiteter Nachfolgesituation investieren zu können. Dabei versuchen wir bewusst, die vorhandenen Stärken auch des geschäftsführenden Gesellschafters mit unserem jahrzehntelangen Know-how mit Beteiligungen an mittelständischen Unternehmen im Sinne aller zu verbinden. So haben wir zum Beispiel gemeinsam mit einem anderen Finanzinvestor vor vier Jahren das Spezialchemieunternehmen Leuna Tenside GmbH vollständig vom damaligen Geschäftsführer und Alleingesellschafter gekauft. Für den war eine familieninterne Nachfolgelösung nicht infrage gekommen. Nach dem Verkauf ist der bisherige Eigentümer in den Beirat gewechselt. Es ist hilfreich, dass der ehemalige Eigentümer dem Unternehmen noch verbunden bleibt – denn niemand kennt es so gut wie er. Ideal wäre es daher für alle Beteiligten, wenn der Alteigentümer über eine Minderheitsbeteiligung an der positiven Weiterentwicklung partizipieren könnte. In diesem Fall allerdings wollte der Unternehmer den klaren Schnitt. Wir haben einen neuen Geschäftsführer installiert, der neue Impulse gibt und das Unternehmen in die Zukunft führt. Außerdem war es bei Leuna Tenside (wie in manch anderem Fall auch) sinnvoll, mit einem Interimsfinanzspezialisten die Unternehmensfinanzierung und das Controlling neu aufzusetzen. So bekommt die Umsetzung von Wachstumsplänen eine solide Finanzbasis. Die kompetenten Entscheider in Geschäftsführung und Beirat wurden schließlich noch um eine neue Projektmanagerin ergänzt, die die unterschiedlichen Wachstumsbaustellen koordinierte und bei diversen Projekten unterstützte. Externe Berater für Aspekte wie Pricing, die Neuentwicklung des Corporate Brandings sowie ein neuer Internetauftritt halfen zudem, aus dem bislang eher passiven Vertrieb eine aktive Sales-Mannschaft zu schmieden. Eigeninitiative und Selbstverantwortung wurden vom neuen Management bewusst gefördert. Nicht zuletzt die internationale Expansion brachte Leuna innerhalb kurzer Zeit auf einen neuen Wachstumspfad. Damit wurde das Tenside-Unternehmen schon nach wenigen Jahren attraktiv für einen neuen Investor. Denn jetzt war Leuna Tenside “nachfolgebereit” aufgestellt. Mit dem Verkauf an das US-Unternehmen Vantage Specialty Chemical Holdings 2018 eröffneten sich dem Unternehmen noch einmal neue Wachstumschancen.So unterschiedlich jede einzelne nicht vorbereitete Nachfolgesituation auch ist, so lassen sich mit einem strukturierten Ansatz die Schwachstellen beseitigen, um das Unternehmen nachfolgefähig zu machen: Erster Schritt ist bei uns die Beteiligung – ob Minderheit oder Mehrheit. Danach folgt das VREP-Nachfolgekonzept, das die Steuerungs- und Controllingprozesse sowie die personelle Unternehmernachfolge regelt. In einem dritten Schritt wird dann die gemeinsam erarbeitete Wachstumsstrategie in die Realität umgesetzt. Wie bei Leuna Tenside spielen dabei häufig bewährte und neue, interne und externe, Kräfte zusammen. Innerhalb des genossenschaftlichen Verbunds übernehmen auch die entsprechenden Spezialisten wichtige Bausteine – beispielsweise Akquisitionsfinanzierung, Zinssicherung, Versicherungskonzept oder Wachstumskonzept. Schließlich steht der gemeinsame Verkauf an – und die Anlage des Verkaufserlöses. Bei dem beispielsweise das Vermögenskonzept von Union Investment zum Tragen kommen kann.Mit den richtigen, erfahrenen Partnern kann aus einer ungeplanten “Nachfolge ohne Nachfolger” eine erfolgreiche Nachfolgelösung werden, die dem Wert des Unternehmens gerecht wird.