KOMMENTAR

Rezept für Chaos

Um maximale Unsicherheit zu stiften, kommt es auf die Zutaten an. Man nehme zunächst eine lange Liste an Vorwürfen: Franchise-Firmen, die angeblich von nahestehenden Parteien unter fragwürdigen Umständen abgekauft und allzu hoch bewertet worden...

Rezept für Chaos

Um maximale Unsicherheit zu stiften, kommt es auf die Zutaten an. Man nehme zunächst eine lange Liste an Vorwürfen: Franchise-Firmen, die angeblich von nahestehenden Parteien unter fragwürdigen Umständen abgekauft und allzu hoch bewertet worden sind; vermietete Geräte, die demnach weit über Wert veranschlagt wurden; eine dubiose Firma als Bankkundin, die wegen Verbindungen zu digitalen Hütchenspielern auf der Warnliste der deutschen Finanzaufsicht BaFin steht. Man garniere diese Vorwürfe mit markanten Worten: Es muss schon ein “eklatanter Bilanzbetrug”, ein “vollständiges Fehlen interner Kontrollen” und eine “massive Vertuschung” sein. Garniert wird das Gemisch zusätzlich mit der Erklärung, eine Short-Position gegen das Unternehmen aufgebaut zu haben, also auf einen fallenden Kurs zu wetten. Das Chaos ist perfekt. Voilà!Niemand weiß, ob die Vorwürfe erfunden, mächtig aufgebauscht oder im Kern belastbar sind. Grenke, ein Leasingunternehmen aus dem MDax, wird plötzlich in einem Atemzug mit Wirecard genannt – eine PR-Katastrophe für den Finanzdienstleister. Alle scheinen überfordert: Das Unternehmen selbst, das viele Stunden bis zu einer dürren Stellungnahme verstreichen ließ. “Dieser Bericht enthält Unterstellungen, die Grenke auf das Schärfste zurückweist”, erklärt das Unternehmen etwa. Da drängt sich die Frage auf, ob der Bericht auch Unterstellungen enthält, die Grenke nicht zurückweist. Auweia! Auch die Anleger wissen weder ein noch aus. Am Montag noch ging der Aktienkurs mit 55,45 Euro in den Tag, am Mittwochabend erreichte der Kurs 26,70 Euro – es ist aber immer noch dasselbe Unternehmen. Die BaFin schließlich kündigte umfassende Untersuchungen an, die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) hat in überraschender Offenheit erklärt, sich die Bilanz von Grenke näher anzusehen. Die Angst, wie im Fall Wirecard als blind und untätig wahrgenommen zu werden, ist spürbar.Jetzt zeigt sich, wie sehr der gigantische Pfusch von Wirecard alle verunsichert hat. Denn der umstrittene Investor Fraser Perring, der hinter der Attacke gegen Grenke stehen soll, hatte sich in früheren Jahren bereits mit dem mittlerweile kollabierten Zahlungsdienstleister aus Aschheim angelegt – und sich als “Wirecard-Jäger” einen Namen gemacht. Die Fantasie, was sich wohl in der Grenke-Zentrale in Baden-Baden abgespielt hat, kennt jetzt keine Grenzen mehr. Eine sorgfältige Prüfung der Vorwürfe, ohne Vorverurteilung und Hysterie, wird absehbar schwierig werden. Der Schaden des Wirecard-Fiaskos ist enorm. Das Vertrauen ist dahin.