Turbulenzen bei US-Hypothekenbanken gefährden Finanzmärkte
Turbulenzen bei US-Hypothekenbanken gefährden Finanzmärkte
US-Hypothekenbanken in Turbulenzen
Regulator soll interne Untersuchung behindert haben – Chaos vor geplanter Privatisierung von Fannie Mae und Freddie Mac
Bill Pulte, Chef der Federal Housing Finance Agency, wirft hochrangigen Demokraten Hypothekenbetrug vor. Allerdings soll er sich selbst unrechtmäßig Zugang zu Kreditdokumenten verschafft haben. Damit breitet sich das Chaos bei Pultes Behörde aus, während diese eigentlich ein hoch komplexes Projekt vorantreiben soll.
xaw New York
Während die US-Regierung tiefe Einschnitte in den amerikanischen Häusermarkt plant, versinken Amerikas Hypothekenbanken und ihre Regulierungsbehörden im Chaos. Insbesondere Bill Pulte, der von Präsident Donald Trump eingesetzte Vorsitzende der Federal Housing Finance Agency (FHFA), sorgt wiederholt für Ärger. Ende Oktober feuerte er rund ein Dutzend Offizielle, die bei der staatlich gestützten Fannie Mae für Ethik und interne Untersuchungen zuständig waren. Nun berichtet das „Wall Street Journal“, dass genau diese Mitarbeiter mit Ermittlungen gegen Pultes Praktiken befasst waren.
Demokraten im Kreuzfeuer
Demnach gingen sie internen Beschwerden nach, gemäß denen sich Führungskräfte der Bank – zu deren Verwaltungsratschef sich Pulte im März selbst ernannte – unrechtmäßig Zugang zu privaten Hypothekendokumenten verschafft haben sollen. Dabei stehen hauptsächlich Aufzeichnungen über hochrangige Demokraten wie Letitia James im Blickpunkt. Denn Pulte hat der New Yorker Generalstaatsanwältin sowie anderen politischen Feinden Trumps um den demokratischen Senator Adam Schiff (Kalifornien) und Lisa Cook, Gouverneurin der Federal Reserve, Hypothekenbetrug vorgeworfen.

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Dabei steht zur Debatte, ob der FHFA-Chef die Befugnis hatte, die Dokumente anzufordern, auf die sich seine Anschuldigungen stützen – und ob er dabei korrekt vorgegangen ist. Pulte sagte in Interviews im laufenden Jahr, er nutze Tipps und öffentlich einsehbare Dokumente für seine Ermittlungen.
Die Fannie-Mae-Mitarbeiter eskalierten ihre Untersuchung laut Eingeweihten indes an das Büro des Generalinspekteurs der FHFA. Dieser wiederum soll einen Bericht dazu an die Bundesanwaltschaft im östlichen Virginia weitergereicht haben, die James nach Pultes Vorwürfen angeklagt hatte. Der Report könne zentrale Informationen für die Verteidigung der Demokratin enthalten, heißt es in Washington. Kurz nach der Weitergabe musste der kommissarische FHFA-Generalinspekteur Joe Allen wohl auf Druck von oben gehen – ebenso wie Suzanne Libby, Ethik-Chefin von Fannie Mae, und Rechtsberaterin Danielle McCoy.
Energisches Dementi
Weder das Büro des Generalinspekteurs noch Libby und McCoy äußern sich bislang in der Angelegenheit. Die FHFA spricht in einer Reaktion auf Berichte über interne Ermittlungen gegen Pulte von „erlogenen und verleumderischen Vorwürfen“ und Versuchen, das „Rechtssystem zu behindern“. James, Cook und andere Beschuldigte haben Pultes Vorwürfe wiederum energisch zurückgewiesen und diese als Teil eines Rachefeldzugs des Trump-Lagers bezeichnet.

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Vertreter der New Yorker Finanzszene verweisen darauf, dass einige von Trumps Parteifreunden um den texanischen Generalstaatsanwalt Ken Paxton unter Verdacht stehen, genau die Verbrechen begangen zu haben, die der FHFA-Direktor James und Cook vorwirft. Andererseits solle sich Pulte darauf konzentrieren, bei Fannie Mae und Freddie Mac aufzuräumen. Denn dass der Regulator in seiner erst seit März andauernden Amtszeit bereits zahlreiche Verstöße gegen Kreditgesetze gefunden haben will, die vorher teils über Jahrzehnte unentdeckt geblieben sein sollen, lasse auf tiefe Mängel in den Kontrollmechanismen der Hypothekenbanken schließen.
Folgenreiches Privatisierungs-Projekt
Pulte hat indes neben den Ethik-Offiziellen und internen Ermittlern ein Dutzend Direktoren von Fannie Mae und Freddie Mac sowie hochrangige Vertreter der eigenen Behörde entlassen. Der Kahlschlag und das sonstige radikale Vorgehen der FHFA wecken Befürchten, dass die Institute massive Schwierigkeiten haben werden, die von ihnen gesetzten Kreditstandards präzise zu kontrollieren und stimmige Daten für Investoren bereitzustellen. Dies trifft den Markt in einer Phase, in der Trumps Handels- und Fiskalpolitik ohnehin für Volatilität bei hypothekenbesicherten Wertpapieren sorgen.
Dabei soll Pulte eigentlich ein extrem komplexes Projekt steuern: Die Privatisierung von Fannie und Freddie, die im Zuge der Finanzkrise 2008 unter staatliche Verwaltung gerieten. Die Hypothekenbanken, deren Bilanzsummen in diesem Jahrtausend angeschwollen sind und kombiniert inzwischen Kurs auf die Marke von 8 Bill. Dollar nehmen, stellen zwar selbst keine Kredite aus. Doch sie garantieren und bündeln diese in Mortgage Backed Securities (MBS) und kreieren damit einen Sekundärmarkt mit Billionenvolumen. Gewichtet nach Kreditrisiko hängt nahezu die Hälfte der US-Inhaberschuldverschreibungen auf Immobilien an den beiden Instituten.
Schwere Verwerfungen drohen
Selbst kleine Anpassungen an der Struktur und Beaufsichtigung der Hypothekenbanken können das Vertrauen, das Investoren in die von den Instituten aufgelegten Wertpapiere setzen, massiv beeinflussen. Bröckelt es, macht sich das unmittelbar in den Bilanzen von Assetmanagern um Blackrock und Pimco, US-Groß- und Regionalbanken sowie der Fed bemerkbar, die weiterhin großvolumige MBS-Positionen halten. Sie und andere Investoren können diese aufgrund der Beteiligung Washingtons an den Ausstellern Fannie Mae und Freddie Mac praktisch als Kredite ohne Default-Risiko mit ähnlicher Sicherheit wie Treasuries behandeln.
Entlässt die US-Regierung die Hypothekenbanken ohne formalisierten staatlichen Backstop in den freien Markt, kann dies laut Ökonomen schwere Verwerfungen im gesamten Finanzsystem anrichten. Analysten betonen, dass es für erfolgreiche IPOs von Fannie Mae und Freddie Mac nötig sei, den Markt von der Stabilität des Managements der Banken zu überzeugen. Genau an dieser weckt Pultes radikales und gemäß Vorwürfen illegales Vorgehen aber erhebliche Zweifel.
