HKEX

Bewährungsprobe für Hongkongs Börsenriese

Man erlebt haarige Zeiten am Finanzplatz Hongkong. Seit der Einführung eines drakonischen Sicherheitsgesetzes für die Sonderverwaltungszone hat die Pekinger Zentralregierung nun die politischen Zügel in der Hand und setzt alles daran, die weltweit...

Bewährungsprobe für Hongkongs Börsenriese

Von Norbert Hellmann,

Schanghai

Man erlebt haarige Zeiten am Finanzplatz Hongkong. Seit der Einführung eines drakonischen Sicherheitsgesetzes für die Sonderverwaltungszone hat die Pekinger Zentralregierung nun die politischen Zügel in der Hand und setzt alles daran, die weltweit gerühmten Hongkonger Freiheits- und Sonderrechte zu erodieren. Für die international bunt durchmischte Finanzcommunity in Hongkong stellt sich zwangsläufig damit die Frage, ob es gelingen kann, den Finanzplatz und sein Prunkstück Hongkong Exchanges & Clearing (HKEX) aus den politischen Wirrungen langfristig herauszuhalten.

Die Kapelle spielt auf

Wird sich der Sonderstatus als ein internationales Gateway für den chinesischen Festlandmarkt aufrechterhalten lassen, oder droht eine immer weiter gehende Einmischung Pekings und eine unheilvolle Verquickung mit der rigiden staatsüberformten Kapitalmarktkultur des Festlandes? Warnende Stimmen, dass man sich auf einem langsam sinkenden Schiff befinde, gibt es zuhauf, doch davon lassen sich die Anleger nicht wirklich beeindrucken. Die Kapelle spielt munter weiter und die Börsengeschäfte brummen.

Bei den Verantwortlichen der HKEX gibt es einigen Grund, zufriedene Gesichter zu machen. 2020 hat sich nicht als Annus horribilis, sondern als ein regelrechtes Jubeljahr entpuppt. Wie die jüngst vorgelegten Ergebnisse zeigen, ist der Gewinn nach Steuern des Börsenbetreibers um 23% auf einen Rekordwert bei 11,5 Mrd. HK-Dollar (1,27 Mrd. Euro) geklettert. Dank des sogenannten Stock-Connect-Systems, einer immer stärker frequentierten Handelsverknüpfung mit den Märkten Schanghai und Shenzhen, kommt es zu einem kräftigen Mittelzufluss von Anlegern auf dem Festland, die im Hongkonger Handel mitmischen.

Gebührenschwapp

Das Handelsvolumen ist im vergangenen Jahr um 60% in die Höhe geschossen und bringt der HKEX als Handelsbühne und Clearing-Instanz reichlich Gebührenströme. Außerdem ergießt sich eine regelrechte Welle von Initial Public Offering (IPO) nach Hongkong, die 2020 das höchste Volumen an Kapitalaufnahmen seit über zehn Jahren generiert hat. Und dies, obwohl der dickste Fisch durch die Lappen ging, nachdem der Mega-Börsengang des chinesischen Fintech-Riesen Ant Group in letzter Minute wieder abgeblasen werden musste.

Auch die verschärften handels- und industriepolitischen Spannungen zwischen China und den USA gereichen der Hongkonger Börse indirekt zum Vorteil. Schließlich haben eine ganze Reihe von chinesischen Technologiefirmen, die an den New Yorker Börsen notieren, wachsenden Anfeindungen in den USA zum Anlass genommen, sich ein Zweitlisting in Hongkong zu verschaffen und näher auf Tuchfühlung mit heimischen Anlegern zu gehen. Das bringt neue Einnahmequellen und untermauert Hongkongs relativ neuen Status als eine hochbegehrte Anlaufstelle für IPO aus dem Technologiesektor.

Untermauert wird dies durch eine nun beschlossene Ausdehnung des ehrwürdigen Hongkonger Leitindex Hang Seng, der bis Mitte nächsten Jahres von 50 auf 80 Werte erweitert und mittelfristig auf 100 Komponenten anwachsen soll. Dies gilt als eine Maßnahme, die den Hang Seng Index stärker in das Zeitalter der New Economy überführen wird, beziehungsweise die Gewichtung der bislang dominierenden Finanzsektorwerte zugunsten von wesentlich dynamischeren chinesischen Technologiesektoraktien reduziert.

Spacs ins Visier genommen

Abgesehen davon streckt die HKEX auch erste Fühler in Richtung einer neuen Listingkategorie aus, die es erlauben würde, beim derzeit heißen Geschäft mit Special Purpose Acquisition Companies (Spacs) mitzumischen. Das sind börsennotierten Zweckgesellschaften, mit denen eine Kriegskasse für Unternehmensakquisitionen aufgebaut wird. Die gegenwärtig an amerikanischen und europäischen Börsen für Furore sorgenden Spacs gelten gerade für die berüchtigten Hongkonger Tycoons als eine vielversprechende Gelegenheit, Mittel für ausländische Akquisitionen einzusammeln. Sollte Hongkong hier nicht auf den fahrenden Zug mit aufspringen, muss befürchtet werden, dass das asiatische Spac-Geschäft am mit Hongkong stark rivalisierenden Finanzplatz Singapur angedockt wird.

Die im Hang Seng vertretene Aktie der HKEX hat sich seit Frühjahr 2020 als regelrechter Highflyer erwiesen und binnen elf Monaten eine rasante Performance von 150% gebracht. Damit hat sich die HKEX-Aktie auch in Sachen Marktwert als Platzhirsch unter den weltweit 24 eigens börsennotierten Börsenbetreibern erwiesen. Mit einer Marktkapitalisierung von gegenwärtig gut 67 Mrd. Euro hat man die London Stock Exchange weit abgehängt und kommt auf das ungefähr Vierfache des Börsenwerts des Betreibers der New Yorker Nasdaq.

Zuletzt allerdings haben die Titel einen schweren Dämpfer erlitten, nachdem Hongkongs Finanzminister beschlossen, das angegriffenes Budget der Sonderverwaltungszone mit einer happigen Erhöhung der Börsenumsatzsteuer von 0,1 auf 0,13% wieder etwas aufzumöbeln. Die ab August greifende Maßnahme könnte den Börsenumsatz einiges an Umdrehungen nehmen und den Gewinn je Aktie bei der HKEX um 3 bis 7% schmälern, heißt es in einer Analyse der Citigroup.

Steuerliche Keule

Die Nachricht vom fiskalischen Keulenschlag hat der HKEX-Aktie mit einer Einbuße um 9% den höchsten Tagesverlust seit über fünf Jahren beschert. Bei zuletzt 483 HK-Dol­lar liegen die Titel nun fast 18% vom Mitte Februar erreichten Allzeithoch bei 587 HK-Dol­lar entfernt. Das Gros der Analysten hat die Aktie zwar auf dem Kaufzettel, bei einem durchschnittlichen Kursziel auf Zwölfmonatsfrist von 534 HK-Dollar gibt es jedoch nicht allzu viel Luft nach oben.

In den Bewertungen der Analysten scheinen chinesische Adressen optimistischer zu sein als ausländische Betrachter. So setzten HKEX-Watcher bei der China International Capital Corp ein rasantes Kursziel bei 634 HK-Dollar, während Morningstar tiefschwarz für Hongkong sieht und einen Absturz auf 340 HK-Dollar prognostiziert.