Kryptowährungen

Bitcoin-Rally vor dem Ende?

Die weltweit bedeutendste Kryptowährung hat in den vergangenen Wochen mehrere wichtige Hürden hinter sich gelassen. Weder das historische Hoch von Ende 2017 oder die Marken von 20000 Dollar und 50000 Dollar konnten die im Herbst begonnene...

Bitcoin-Rally vor dem Ende?

Von Sören Hettler*)

Die weltweit bedeutendste Kryptowährung hat in den vergangenen Wochen mehrere wichtige Hürden hinter sich gelassen. Weder das historische Hoch von Ende 2017 oder die Marken von 20000 Dollar und 50000 Dollar konnten die im Herbst begonnene Aufwärtsbewegung aufhalten.

Die Basis für die Preisentwicklung stellt dabei die weltweit sehr expansive Geld- und Fiskalpolitik dar. Sie führt zum einen dazu, dass Anleger auf der Suche nach Rendite auch bislang als außergewöhnlich geltende Finanzmarktsegmente in ihre Investitionsentscheidungen einbeziehen. Zum anderen schüren global niedrige Zinsen, Überschussliquidität und signifikant zunehmende Staatsschulden die Sorge vor mittel- bis langfristig sehr deutlich ansteigenden Inflationsraten und belasten damit das Vertrauen in die traditionellen Währungen wie Euro und Dollar. Als Katalysatoren der Bitcoin-Aufwärtsdynamik haben sich in den letzten Monaten Berichte erwiesen, die auf ein zunehmendes Interesse von institutionellen Investoren hindeuteten. So meldete der Krypto-Vermögensverwalter Grayscale hohe Zuflüsse in dessen Bit­coin-Fonds. Nachrichten über Engagements der Finanzmarktgrößen Black­Rock und Fidelity stützten die Ansicht, dass sich Kryptowährungen aus dem Nischendasein gelöst und als neues Finanzmarktsegment etabliert haben könnten. Im Fokus steht hierbei die Vision der Unterstützer, dass Bitcoin als „digitales Gold“ fungieren, also eine inflationssichere, werterhaltende Investition darstellen kann. Schließlich sei die Schöpfung neuer Einheiten – ähnlich wie beim analogen Edelmetall und im Gegensatz zu traditionellen Währungen – nicht nur mit großem Aufwand verbunden. Die Gesamtmenge ist laut aktuell bestehendem Algorithmus zudem bei 21 Millionen Einheiten gedeckelt, wodurch eine Entwertung ausgeschlossen sei.

Besseres Gold

Es sind aber nicht nur Hoffnungen auf Bitcoin als „besseres digitales Gold“, die in der jüngeren Vergangenheit Auftrieb erfuhren und der Kryptowährung Kursgewinne bescherten. Selbiges gilt auch für die Unterstützer der These, Bitcoin könne Euro, Dollar & Co. auf absehbare Zeit den Status als dominierendes Zahlungsmittel streitig machen. Zum einen haben Paypal und Mastercard angekündigt, das Bezahlen mit Bitcoin über ihr Netzwerk zu ermöglichen. Zum anderen hat Tesla als erstes weltweit bedeutendes Unternehmen in Aussicht gestellt, die Kryptowährung als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Gerade das Zusammenspiel beider Ankündigungen ist wesentlich. Schließlich ist eine verfügbare, komfortable Infrastruktur, über die Bitcoin-Zahlungen fließen können, nur dann sinnvoll einsetzbar, wenn Unternehmen existieren, die Kryptowährungen zur Begleichung offener Rechnungen akzeptieren.

Dass derartige Hoffnungen der Bitcoin-Unterstützer rasch einen Dämpfer erfahren können, haben die vergangenen Tage gezeigt. Der zuletzt von den Unterstützern der Kryptowährung umjubelte Tesla-Chef Musk bezeichnete das Kursniveau als „hoch“, Microsoft-Gründer Gates, dem wohl fundierte Fachkenntnisse im Bereich Informationstechnologien unterstellt werden dürfen, warnte vor möglichen Verlusten für die Investoren. Hinzu kamen Äußerungen von US-Finanz­ministerin Yellen, die darauf verwies, dass Bitcoin ein sehr ineffizienter Weg sei, Finanztransaktionen durchzuführen. Ausgehend von Kursen oberhalb von 58000 Dollar fiel die Kryptowährung daraufhin auf rund 45000 Dollar – ein Minus von über 20% in nicht einmal zwei Tagen.

Hohe Volatilität

Ein berechtigter Kritikpunkt an der Kryptowährung ist, dass das Netzwerk nach aktuellem Stand nicht in der Lage ist, auch nur annähernd das Transaktionsvolumen traditioneller Währungsräume zu bewältigen. Sowohl diese Erkenntnis als auch die vorhandenen Preisschwankungen – die Volatilität hat zuletzt wieder merklich zugenommen – sind ein Problem, will sich die Kryptowährung neben Euro oder Dollar als Zahlungsmittel etablieren. Der enorme Stromverbrauch, den das Netzwerk zur Bestätigung getätigter Transaktionen beansprucht und der mittlerweile demjenigen kleinerer Indus­trieländer entspricht, ist darüber hinaus alles andere als hilfreich, selbst wenn ein nennenswerter Anteil mit regenerativen Energien bestritten wird. Eine Lösung für diese Herausforderungen, die umgesetzt werden kann, ohne neue Baustellen an anderen Stellen aufzumachen, ist derzeit nicht bekannt.

Ob es Bitcoin gelingt, sich langfristig als Alternative zu Gold zu etablieren, steht zwar ebenfalls in den Sternen. Die Voraussetzungen sind aber zumindest besser als beim Status als globales Zahlungsmittel. So hat der Preis für das analoge Edelmetall wenig mit dem inneren Wert zu tun, der sich beispielsweise aus einer möglichen Verarbeitung in der Industrie ableiten lässt. Vielmehr lebt er von der Einschätzung einer ausreichenden Anzahl an Menschen, wonach Gold auf Dauer werthaltig sein wird. Der Kritikpunkt, Bitcoin seit wertlos, da es über keine Deckung verfüge, greift hier folglich nicht. Zwar haben die Historie des Edelmetalls sowie die Erfahrungen in Krisen und Kriegen der vergangenen Jahrhunderte sicherlich ihren Teil zur Reputation von Gold beigetragen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass es Bit­coin gelingt, diesen Ruf zu importieren und über einen längeren Zeitraum zu bewahren.

Bauchgefühl als Prognose

Nachvollziehbare Argumente haben sowohl Befürworter als auch Kritiker auf ihrer Seite. Ohne fundierte Modelle, über die sich ein angemessener Preis für Bitcoin berechnen ließe, stellt jegliche Prognose nicht mehr als ein Bauchgefühl dar. Nimmt die Nachfrage von institutioneller Seite weiter zu, gelingt es der Kryptowährung, die Hoffnungen auf den Status als digitales Gold oder Geld der Zukunft zu schüren, und bleibt die Geldpolitik in bedeutenden traditionellen Währungsräumen auf lange Sicht äußerst expansiv, mögen die Chancen für weitere Kurssteigerungen in den nächsten Jahren zwar gut stehen. Ebenso kann es jedoch sein, dass der Preis zeitnah einbricht, weil zum Beispiel prominente Fürsprecher auf effizientere Kryptowährungen umsatteln, die Kursschwankungen Anleger und Unternehmer abschrecken und sich Fortschritte bei der „Blockchainisierung“ traditioneller Währungen herauskristallisieren. Als Portfoliobeimischung kann Bitcoin demnach in Erwägung gezogen werden. Das Risiko des Totalverlusts darf dabei jedoch nicht außer Acht gelassen werden.

*) Sören Hettler ist als Senior-Devisenanalyst bei der DZBank tätig.