Geldpolitik

Debatte über Comeback der Inflation

Die Inflation zieht weltweit an. Es ist aber umstritten, ob das eine Trendumkehr oder nur ein temporäres Phänomen ist. Die Notenbanken sorgen sich wegen der bereits steigenden Anleiherenditen.

Debatte über Comeback der Inflation

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Die Botschaft von US-Notenbankchef Jerome Powell war eindeutig. Die Fed sei noch „weit entfernt“ vom Erreichen ihres Inflationsziels und selbst mit einem weiteren massiven Konjunkturpaket drohe keine übermäßig stark steigende Inflation, sagte er diese Woche bei seiner Anhörung im US-Kongress. Deswegen sei keine baldige Abkehr von der sehr expansiven Geldpolitik zu erwarten. Ganz ähnlich hatte sich kurz zuvor auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde geäußert. „Bis sich die EZB um eine Reflation Sorgen machen muss“, werde noch eine ganze Weile vergehen, sagte sie. Die Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie habe Priorität.

Die beiden mächtigsten Notenbanker der Welt stemmen sich mit ihren Aussagen gegen die zunehmenden Inflationssorgen vor allem vieler Marktteilnehmer. Die marktbasierten Inflationserwartungen haben zuletzt vor allem in den USA, aber auch im Euroraum und andernorts angezogen. Nach Jahren mit aus Sicht vieler Zentralbanker zu niedrigen Inflationserwartungen ist das per se zwar etwas, was Fed, EZB & Co. begrüßen würden. Mit den anziehenden Erwartungen und verbesserten Konjunktureinschätzungen steigen seit einiger Zeit aber auch die Anleiherenditen stark an. Das steht dem Ziel der Notenbanker entgegen, die Volkswirtschaften in der Krise mit möglichst günstigen Finanzierungsbedingungen zu unterstützen.

Tatsächlich hat sich das Bild mit Blick auf die Inflation zuletzt recht abrupt geändert. Nach Jahren, in denen die Teuerungsraten mitunter deutlich unterhalb der Notenbankziele lagen, erlebt die Inflation derzeit eine Art Comeback. In den USA ist sie seit dem Tief von 0,1% im Mai 2020 auf zuletzt 1,4% deutlich angestiegen. In den nächsten Monaten scheinen gar Raten von 3% denkbar. Auch im Euroraum hat die Teuerung zu Jahresbeginn einen unerwartet starken Sprung gemacht. Im Jahresverlauf rückt das 2-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) in greifbare Nähe. Der frühere Schweizer Notenbankchef und jetzige BlackRock-Vizechef Philipp Hildebrand sprach bereits Ende 2020 im Interview der Börsen-Zeitung von einer „neuen Ära“ mit wieder mehr Inflation (vgl. BZ vom 16.12.2020).

Hinter dem anziehenden Inflationstrend stehen aktuell vor allem Basis- und Sondereffekte. So haben sich etwa die Öl- und Rohstoffpreise nach dem coronabedingten Einbruch im Frühjahr 2020 zuletzt stark erhöht – was die Inflation treibt. Hinzu kommen länderspezifische Faktoren wie in Euroland das Auslaufen der Mehrwertsteuersenkung in Deutschland oder in den USA die geplante Anhebung des Mindestlohns. Über allem schwebt aber die außerordentlich expansive Fiskalpolitik, insbesondere in den USA, wo Präsident Joe Biden weitere 1,9 Bill. Dollar lockermachen will. Das befeuert die Hoffnung auf eine starke kurzfristige Erholung nach der Pandemie.

„Unterschätztes Risiko“

Viele Volkswirte, aber auch Notenbanker halten die anziehende Inflation denn auch für ein temporäres Phänomen und warnen vor Panik. Die unterausgelasteten Kapazitäten in der Industrie und am Arbeitsmarkt würden den Preisauftrieb mittel- und langfristig ebenso bremsen wie die Globalisierung und Digitalisierung. Andere Experten warnen dagegen vor zu viel Gelassenheit – auch seitens der Notenbanken. „Ich befürchte, dass die Inflationsrisiken und das Risiko steigender Zinsen unterschätzt werden“, sagte Ex-Notenbanker Hildebrand im Interview.

Tatsächlich gibt es auch Gründe anzunehmen, dass die disinflationären Kräfte der vergangenen Jahrzehnte nachlassen könnten. So könnte die Globalisierung künftig weniger stark auf die Preise drücken – zumal sie wegen der Coronakrise teils rückabgewickelt wird. Zudem gibt es in vielen Ländern eine alternde Bevölkerung – wodurch das globale Arbeitsangebot zurückgehen und die Löhne steigen könnten. Auf solche Entwicklungen weist insbesondere der renommierte Wirtschaftsprofessor und langjährige britische Notenbanker Charles Goodhart hin.

Hinzu kommt die beispiellose Geldflut von Staaten und Notenbanken in der Coronakrise und überhaupt die extrem gestiegene Staatsverschuldung. In der Vergangenheit hat das oft zu mehr Inflation geführt.

Im Zweifelsfall wird es künftig stark auf die Reaktion der Geldpolitik ankommen. Aber nicht zuletzt das sorgt zumindest einige Beobachter mit Blick auf die aktuell enge Kooperation von Geld- und Fiskalpolitik weltweit: Sie befürchten, dass die Notenbanken im Fall der Fälle auch aus Angst vor einer schweren Schuldenkrise auf eine Straffung der Geldpolitik verzichten könnten.