Sparkassen

„Die Niedrigzinsfabrik EZB produziert weiter“

Ein trotz florierender Kreditvergabe stetig sinkender Zinsüberschuss hat den Sparkassen in Hessen und Thüringen weniger Gewinn beschert. Lag das Betriebsergebnis vor Bewertung knapp unter Vorjahresniveau, so brach es nach Bewertung um 20% ein. Die Sparkassen sind für 2021 verhalten optimistisch.

„Die Niedrigzinsfabrik EZB produziert weiter“

fir Frankfurt

Die 49 hessischen und thüringischen Sparkassen haben das Betriebsergebnis vor Bewertung im vergangenen Jahr zwar weitgehend konstant gehalten, nach Bewertung aber Einbußen von einem Fünftel hinnehmen müssen. Der Rückgang des Ergebnisses vor Bewertung um gut 2% auf knapp 900 Mill. Euro fiel geringer aus als erwartet. Im September hatte der Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen (SGVHT) noch knapp 760 Mill. Euro prognostiziert. „Das ist in diesen schwierigen Zeiten ein überraschend gutes Ergebnis“, sagte Gerhard Grandke, der geschäftsführende Präsident des SGVHT, in der Jahrespressekonferenz – seiner letzten. Er wird sich Ende des Jahres in den Ruhestand verabschieden (siehe eingeblockter Artikel).

Nach Bewertung brach das Be­triebs­ergebnis um 190 Mill. Euro auf 733 Mill. Euro ein, wobei 85 Mill. Euro auf Bewertungseffekte von Wertpapieren zurückzuführen seien. Die Kreditrisikovorsorge fiel mit 80 Mill. Euro bald doppelt so hoch wie 2019 aus. „Ich gehe davon aus, dass es im laufenden Jahr zu mehr Insolvenzen und Kreditausfällen kommen wird. Derzeit gibt es aber keine Anzeichen dafür, dass dies für unsere Sparkassen nicht beherrschbar sein sollte“, sagte Grandke.

Konnten die Sparkassen den Verwaltungsaufwand um 2% drosseln und den Provisionsüberschuss um gut 3% steigern, so ging der Zinsüberschuss ungeachtet der kräftigen Ausweitung des Kreditgeschäfts mit Firmen und Privatleuten erneut zurück. In dem Minus um 92 Mill. auf knapp 2 Mrd. Euro „spiegelt sich das faktische Ausschüttungsverbot der EZB wider, das die Sparkassen in Hessen und Thüringen mit ihren Beteiligungen an der Deka und der Helaba besonders stark trifft“, sagte Grandke. „Deshalb fehlt uns ein dicker zweistelliger Millionenbetrag.“ Der SGVHT hält nach eigenen Angaben 68,85% an der Landesbank und 11,3% an der Deka.

Noch mehr als die Auswirkungen von Corona, die er als verkraftbar bezeichnete, beschäftigten die Sparkassen Niedrigzins, Regulierung und Digitalisierung. Reichlich Kritik übte er wie gewohnt an der Geldpolitik der EZB. Problematisch seien nicht allein die Folgen des Negativzinses für die Ertragslage der Institute, sondern auch die Anleihekaufprogramme, die ihnen Anlagenotstand be­scherten, weil die EZB die sicheren und rentierlichen Anleihen wegkauften. „Die Niedrigzinsfabrik EZB produziert unermüdlich weiter“, die Hoffnung auf eine baldige Zinswende sei utopisch, sagte Grandke. „Was das Zinsniveau anbelangt, leben Banken und Sparer schon seit Jahren in der Welt des Schmerzes. Und diese Welt des Schmerzes wird noch lange anhalten.“

Die „EZB-Politik der offenen Schleusen“ hat Grandke zufolge seit 2015 das Volumen des Zentralbankgeldes im Euroraum um 260% an­schwellen lassen, derweil das Bruttoinlandsprodukt um 10% zulegte. Als Nutznießer der resultierenden Inflation von Vermögenswerten wie Immobilien, Aktien, Edelmetallen oder Kunstwerken, in die das überschüssige Geld fließe, bezeichnete er die Reichen, die sich derlei Assets und Spekulationsobjekte gönnen könnten. Weniger Vermögende hingegen könnten sich angesichts des Anstiegs der Immobilienpreise schwerlich Wohneigentum leisten. Selbst in entlegeneren, dünn besiedelten Regionen seien die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser im dritten Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahr um 8% gestiegen.

Als weiteren negativen Effekt der Niedrigzinspolitik bezeichnete der die Einlagenschwemme. Da die Verbraucher in der Pandemie weniger Konsummöglichkeiten, etwa für Reisen, haben und Reserven für den Notfall auf Tagesgeldkonten parken, sind den hessischen und thüringischen Instituten im vergangenen Jahr 8,6 Mrd. Euro (+8%) zusätzlich zugeflossen. Über 113 Mrd. Euro an Einlagen verfügten sie zum Jahresende, davon 86 Mrd. Euro täglich fällige Gelder. Dem stehen 84 Mrd. Euro an Krediten gegenüber. Da für bei der Notenbank geparkte Gelder Strafzinsen fällig werden, seien die Einlagenzuwächse aktuell eine Belastung, wie Grandke ausführte. „In einer normalen Zinswelt wären die hohen Zuflüsse eine schöne Sache.“ Er hoffe aber, dass sich der Einlagenrückstau mit anziehender Konjunktur auflöst. Er gehe davon aus, dass nach dem Ende des Shutdowns bei Konsum und Investitionen „erhebliche Nachholaktivitäten“ aufträten.

Die Zahl der Filialen schrumpfte 2020 um 78 auf 899. Für das laufende Jahr sei mit einer ähnlich hohen Reduzierung zu rechnen, hieß es. Die Filiale bleibe aber Anker der Multikanalstrategie, bekräftigte Grandke. „Sie grenzt uns von den Online- und Neobanken ab und symbolisiert unsere regionale Verwurzelung.“

Sparkassen in Hessen und Thüringen
Erfolgsrechnung nach HGB1
in Mill. Euro20202019
Zinsüberschuss inklusive Derivate19952086
Provisionsüberschuss846819
Verwaltungsaufwand19702012
  Personalaufwand12291245
  Sachaufwand740768
Betriebsergebnis vor Bewertung894916
Betriebsergebnis nach Bewertung2733923
Jahresergebnis vor Steuern423423
Jahresergebnis nach Steuern223242
Bilanzsumme (Mrd.)146132
Mitarbeiter (Anzahl)2049820766
1) Angaben für 2020 vorläufig2 ) vor Dotierung der VorsorgereservenBörsen-Zeitung