Bankenaufsicht

EBA schießt bei Basel III über das Ziel hinaus

Die Europäische Kommission hatte die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) im Sommer 2020 in einem Call for Advice um eine abermalige Analyse der Auswirkungen des reformierten Regelwerks Ba­sel III auf die europäische Kreditwirtschaft gebeten....

EBA schießt bei Basel III über das Ziel hinaus

Die Europäische Kommission hatte die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) im Sommer 2020 in einem Call for Advice um eine abermalige Analyse der Auswirkungen des reformierten Regelwerks Ba­sel III auf die europäische Kreditwirtschaft gebeten. Der Auftrag lautete, die zu erwartende Eigenkapitalbelastung im Gefolge der Covid-19-Pandemie in Kombination mit den Konsequenzen aus der Umsetzung des Basel-III-Regelwerks in Europa zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund sollten dann Empfehlungen für eine entsprechende Umsetzung in europäisches Recht gemacht werden.

Die Ergebnisse der EBA-Analyse haben es in sich: Allein um zukünftig isoliert den Basel-III-Vorgaben zu genügen, müssen europäische Banken in der von der EBA präferierten Maximalumsetzung im Durchschnitt einen Anstieg des erforderlichen Mindestkapitals um 18,5% stemmen. Bei Immobilienfinanzierern beträgt der Anstieg europaweit sogar 23%, bei deutschen Banken durchschnittlich 35% – fast doppelt so viel wie im europäischen Mittel. Damit wären aber lediglich die zukünftigen Mindestkapitalanforderungen er­füllt. Weiterer Kapitalbedarf der Kreditinstitute, beispielsweise zur Erreichung ihrer bisherigen Kapitalquoten, wird in der EBA-Analyse leider nicht erwähnt. Aber selbst so wird das selbst gesetzte Ziel der Aufsichtsbehörden, mit Basel III die Eigenkapitalbelastung der Kreditwirtschaft „nicht signifikant“ zu erhöhen, geradezu eklatant verfehlt.

Methodische Schwächen

Besonders advers wirkt dabei die geplante Umsetzung des sogenannten Output Floor, der bei deutschen Instituten und europäischen Immobilienfinanzierern rund die Hälfte der prognostizierten zusätzlichen Eigenkapitalanforderungen ausmacht. Mit ihm wird für den mittels interner Ratingmodelle ermittelten Kapitalbedarf zukünftig eine Untergrenze in Höhe von 72,5% der Kapitalanforderungen aus dem Standardansatz eingezogen. Die Kapitalanforderungen solcher Banken, die interne Risikomodelle nutzen, steigen in der Folge massiv. Und besonders stark wirkt das auf risikoarmes Geschäft, etwa die Immobilienfinanzierung.

So beeindruckend die von der EBA errechnete Kapitallücke bereits ist: Sie dürfte noch deutlich höher ausfallen. Denn die EBA-Studie weist gleich mehrere methodische Schwächen auf, die dazu führen, dass die Belastung unterschätzt wird: Erstens vergleicht die EBA die zukünftigen Minimum-Kapitalanforderungen nach der Basel-III-Reform mit dem derzeit tatsächlich vorhandenen Kapital der Banken, nicht mit der aktuellen Kapitalanforderung. Zweitens werden nicht alle einschlägigen Kapitalbestandteile in der Studie berücksichtigt – es fehlen die aufsichtlichen Säule-2-Kapitalempfehlungen und -erwartungen, die für die Institute zusätzlich gelten. Drittens wird bei der Berechnung der zu erwartenden Kapitallücke negiert, dass Banken wie bereits heute auch zukünftig Kapital deutlich oberhalb der aufsichtlichen Kapitalanforderungen vorhalten werden.

Und viertens werden die zusätzlichen Belastungen durch Covid-19 – entgegen der Vorgabe der EU-Kommission – nur oberflächlich analysiert und berücksichtigt. Die im Gefolge der Pandemie zu erwartende Eigenkapitalbelastung aus Insolvenzen oder Ratingverschlechterungen wird in der EBA-Auswirkungsstudie praktisch nicht thematisiert.

Einen ersten quantitativen An­haltspunkt für diese Effekte bieten aber bereits frühere Schätzungen der EBA, die auf Szenarien des Stresstests aus dem Jahr 2018 beruhen. Auf dieser Grundlage taxiert die EBA beispielsweise einen möglichen pandemiebedingten Rückgang der harten Kernkapitalquote CET1 zwischen 2,3 und 3,8 Prozentpunkten.

Natürlich sind diese Erkenntnisse vorläufig – und natürlich sind zuverlässige Aussagen zu den Belastungen für Banken aus der Pandemie mangels belastbarer aktueller Daten zum gegenwärtigen Zeitpunkt schwierig. Aber gerade deshalb wäre eine Verschiebung der Umsetzung der Basel-III-Reform in europäisches Recht dringend angezeigt, bis solche Informationen vorliegen. Eine solche Verschiebung darf jedoch keinesfalls als Ersatz für eine inhaltliche Überprüfung gelten, sondern muss der Ausgangspunkt für eine sachgerechte Anpassung der geplanten Umsetzungsstrategie sein.

Vorschlag für Output Floor

Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) hat frühzeitig einen Lösungsvorschlag erarbeitet, wie der Output Floor so umgesetzt werden könnte, dass er dem Wortlaut der Baseler Vorgaben entspricht, gleichzeitig aber weniger belastend für die Institute ist als die EBA-Variante. Dieser Umsetzungsweg wird inzwischen von breiten Teilen der Kreditwirtschaft und einigen Mitgliedstaaten der EU vertreten. Bei diesem Ansatz, auch als „Parallel Stacks Approach“ bekannt, wird der Output Floor nur auf die in der Baseler Vereinbarung enumerativ benannten Kapitalanforderungen angewendet. Denn genau das wurde in Basel vereinbart. Der von der EBA ermittelte durchschnittliche Kapitalanstieg in Europa würde so von rund 18 auf 13% sinken.

Das wäre immer noch substanziell und oberhalb des ursprünglich selbst gesetzten Ziels der Aufseher. Damit würde die Umsetzung aber in einem für die Institute weitaus verträglicheren Maß erfolgen und gleichzeitig sichergestellt werden, dass die Kapitalanforderungen dem nachvollziehbaren Sicherheitsbedürfnis der Aufseher Rechnung tragen.

Bliebe es hingegen bei der von der EBA vorgeschlagenen Umsetzung des Output Floor, würde dies fast zwangsläufig zu einer merklichen Verknappung und Verteuerung von Krediten führen. Außerdem würde es Fehlanreize fördern. Der faktische Wegfall der risikosensitiven zugunsten einer holzschnittartigen Kapitalunterlegung würde einen Anreiz für Banken schaffen, bei gleicher Kapitalbelastung höhere Risiken einzugehen. Kredite könnten zudem in stärkerem Maße aus der Bilanz genommen werden, und das Kreditgeschäft würde sich möglicherweise sukzessive in weniger oder gar unregulierte Bereiche des Finanzsystems verlagern. Dieses angelsächsische Modell der Finanzindustrie war bekanntlich eine wesentliche Ursache für die Finanzkrise 2008/2009.

Die Regulierung seit 2009 zielte deshalb richtigerweise auch darauf ab, ebendiese Geschäfte außerhalb der Bankbilanz einzudämmen. Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, sollte der Output Floor, zumal in der von der EBA vorgeschlagenen Umsetzung, nun ziemlich genau das Gegenteil bewirken.

Kein Gold Plating

Vor diesem Hintergrund ist es völlig unverständlich, dass die EBA darauf verzichtet, die notwendigen Schlussfolgerungen aus ihren Er­kenntnissen zu ziehen. Sie empfiehlt weiterhin eine deutliche Übererfüllung in der Umsetzung der Baseler Vorgaben, speziell beim Output Floor. Ein solches Gold Plating wäre nicht nur für die Kredit- und Realwirtschaft ein herber Schlag. Auch der Finanzstabilität würde ein Bärendienst erwiesen.

Um es ganz deutlich zu sagen: Die Pfandbriefbanken befürworten einen global einheitlichen Aufsichtsansatz und unterstützen deshalb eine Umsetzung von Basel III in Europa gemäß dem Wortlaut der Baseler Beschlüsse. Sie wenden sich auch nicht gegen den Output Floor, auch nicht in Höhe der in Basel vereinbarten 72,5% des Standardansatzes. Wogegen sie sich aber mit Nachdruck aussprechen, ist eine Umsetzung in Europa, die völlig ohne Not weit über das in Basel geforderte Maß hinausgeht.

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