Energiekrise

EU-Minister zurren Eingriffe auf dem Strommarkt fest

Die EU-Energieminister haben koordinierte Notfallmaßnahmen für den Strommarkt beschlossen. Auf ein Paket gegen hohe Gaspreise konnten sie sich dagegen noch nicht verständigen. Das deutsche 200-Mrd. Euro-Hilfspaket sorgt unterdessen für Kritik, unter anderem in Italien.

EU-Minister zurren Eingriffe auf dem Strommarkt fest

ahe/ms Brüssel/Frankfurt

In einer erneuten Krisensitzung haben sich die EU-Energieminister auf koordinierte Notfallmaßnahmen auf den Strommärkten verständigt. Die zeitlich befristete Verordnung enthält Gewinnabschöpfungen bei Versorgern, die ihren Strom nicht mit Gas produzieren, zum Teil verpflichtende Stromsparziele sowie einen Solidaritätsbeitrag, den Unternehmen aus der Öl-, Gas- und Kohleindustrie bezahlen müssen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck be­zeichnete die beschlossenen Maßnahmen in Brüssel als „gut und richtig“ und kündigte an, sie in Deutschland schnell umzusetzen.

Die EU-Kommission hatte pro­gnostiziert, dass sich die geplanten Gewinnabschöpfungen auf mehr als 140 Mrd. Euro im Jahr summieren. Die Mitgliedstaaten sollen mit den Einnahmen besonders von der Energiekrise betroffene Haushalte entlasten, Energieeinsparungen und erneuerbare Energien fördern oder energieintensiven Industrien helfen.

Die Minister zeigten sich entschlossen, nun rasch auch mit einem EU-Paket gegen die hohen Gaspreise nachzulegen. Hier liegen die Vorstellungen aber weiterhin auseinander. Eine allgemeine Gaspreisdeckelung, wie sie mehr als die Hälfte der EU-Länder fordern, lehnen andere Staaten – auch Deutschland – aus Sorge um die Versorgungssicherheit ab. Auf Zustimmung stößt dagegen die Idee, den Gaseinkauf zu bündeln.

Für Diskussionen auf EU-Ebene sorgte der 200-Mrd.-Euro-Abwehrschirm, den die Bundesregierung in der EU-Krise zuvor aufgespannt hatte. Dieser stieß etwa in Italien sowohl beim scheidenden Premierminister Mario Draghi als auch bei seiner wahrscheinlichen Nachfolgerin Giorgia Meloni auf massive Kritik. Berlin wird Egoismus und mangelnde europäische Solidarität vorgeworfen. Habeck wies dies in Brüssel zurück. Andere EU-Länder hätten ähnliche Maßnahmen beschlossen.

Daniel Gros vom Centre for European Policy Studies (CEPS) erwartet ebenfalls, dass das Paket zu Spannungen innerhalb der EU führen wird. Wie am Anfang der Coronakrise schüre das Paket die Angst, dass Deutschland dank seiner Finanzkraft seiner Industrie einen Vorteil verschaffe, sagte Gros der Börsen-Zeitung. Die Ratingagentur Moody’s prognostizierte, dass das Paket die deutsche Verschuldung 2023 und 2024 um 2,5 Prozentpunkte erhöht.

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