Cyrus de la Rubia

„EZB hat in ihrem Modell einen eleganten Weg vorgeschlagen“

Die Europäische Zentralbank (EZB) stellt in Aussicht, dass es in fünf Jahren einen digitalen Euro geben kann. Um diese Zeitspanne zu überbrücken, könnten Banken synthetische digitale Zentralbankwährungen herausgeben. Das wären mit Zentralbankgeld gedeckte Stablecoins, so Cyrus de la Rubia von der HCOB.

„EZB hat in ihrem Modell einen eleganten Weg vorgeschlagen“

Björn Godenrath.

Herr de la Rubia, die EZB hat kürzlich die Konsultation zum digi­talen Euro beendet. Welche Erkennt­nisse hat man daraus gewinnen können?

Eindeutiges Ergebnis der EZB-Konsultation ist, dass den Bürgern Anonymität im elektronischen Zahlungsverkehr wichtig ist. Das hat die EZB möglicherweise veranlasst, sich darauf festzulegen, dass Bargeld auf keinen Fall abgeschafft werden, sondern gegebenenfalls parallel zum digitalen Euro umlaufen soll.

Wie kann das anonyme digitale Bezahlen arrangiert werden?

Das hängt davon ab, für welche Technologie die EZB sich entscheiden wird. Führt sie ein Zentralbankkonto für jedermann ein, ist eine Anonymisierung schwer zu erreichen. Ist dagegen eine Distributed-Ledger-Technologie (DLT) vorgesehen, kann über Anonymitätsgutscheine Geld bis zu einem bestimmten Betrag von beispielsweise 5000 Euro anonym überwiesen werden. Dies hat die EZB in einem Papier von 2019 bereits selber vorgeschlagen und kann verglichen werden mit der Begrenzung der Höhe von Bargeldzahlungen auf EU-Ebene, die derzeit diskutiert wird. Das wäre aus meiner Sicht ein guter Kompromiss, denn für größere Zahlungen müssen natürlich Geldwäsche und Terrorfinanzierung so weit wie möglich verhindert werden, wenn eine DLT-basierte Digitalwährung eingeführt wird.

Das von EZB-Direktor Ulrich Bindseil vorgestellte Modell sieht die Einrichtung von Konten bei der Zentralbank für jeden Bürger vor. Damit scheinen sich einige Marktteilnehmer sehr schwer zu tun.

Die Befürchtung einiger Beobachter ist, dass die Kunden mit einem Klick ihr Geld vom Girokonto auf das Zen­tralbankkonto überweisen und damit eine Bankenkrise auslösen. Bindseil hat in seinem Modell einen eleganten Weg vorgeschlagen, um diese Befürchtung zu zerstreuen. Die Idee ist, Negativzinsen einzuführen, die aber erst erhoben werden, wenn ein unverzinster Freibetrag überschritten wird. Wenn es also kriselt, dann könnte die EZB den Negativzins erhöhen und dadurch Kunden davon abhalten, ihre Girokonten zu räumen. Das hieße keineswegs, dass Banken nicht pleitegehen können, denn die Kunden könnten in jedem Fall ihr Geld innerhalb des Bankensektors bewegen. Aber ein Run auf alle Banken, der die gesamte Volkswirtschaft destabilisieren könnte, würde damit unwahrscheinlicher. Gleichzeitig wäre es natürlich ein mächtiges Instrument in den Händen der Zentralbank, wenn an den Stellschrauben Freibetrag und Verzinsung gedreht würde, um neben dem Banken-Transmissionsmechanismus einen direkten Kanal für die Geldpolitik zu nutzen. Das dürfte aber nicht die entscheidende Überlegung hinter diesem Modell sein.

Der Zeithorizont der EZB zur Einführung eines digitalen Zentralbankgeldes „CBDC“ beträgt fünf Jahre. Ließe sich das auch beschleunigen?

Ja, wenn man von Zwischenlösungen ausgeht. So könnten Banken synthetische digitale Zentralbankwährungen herausgeben. Diese sind definiert als Stablecoins, die mit digitalem Zentralbankgeld gedeckt sind. Diese Stablecoins basieren auf einer Blockchain und sind daher auch programmierbar, womit man der Nachfrage aus der Industrie gerecht werden würde, die ja auf eine Infrastruktur für automatisierte Zahlungen drängt, um beispielsweise Pay-per-Use-Geschäftsmodelle zu erleichtern. Das wäre auch aus der Warte der internationalen Wettbewerbsfähigkeit wichtig. Ich gehe davon aus, dass diese Form des digitalen Zen­tralbankgeldes technisch relativ kurzfristig eingeführt werden könnte. Wichtig wäre dabei aber, dass alle Banken den gleichen Blockchain-Standard haben, so dass die jeweiligen Blockchains interoperabel sind.

Würden dann auch Nichtbanken die Möglichkeit erhalten, synthetische CBDC herauszugeben, also Zahlungsanbieter wie Paypal oder Plattformunternehmen wie Amazon?

Grundsätzlich wäre das möglich, dafür müssten Nichtbanken Zugang zu Zentralbankkonten erhalten. Das würde sicherlich den Wettbewerb im Zahlungsverkehr weiter beleben, wobei die Nichtbanken dann auch reguliert werden müssten. Ich kann mir aber vorstellen, dass man lieber schrittweise mit dem Bewährten anfängt und zunächst nur den Banken mit ihrem bereits vorhandenen Zugang zu digitalem Zentralbankgeld die Möglichkeit gibt, synthetische CBDC zu emittieren. Erst später dürfte man über Nichtbanken nachdenken.

Bei Nichtbanken denkt man immer zuerst an das von Facebook initiierte Libra-Projekt, das kürzlich in Diem umgetauft wurde.

Zwischen dem geplanten E-Money Diem und der synthetischen CBDC, die ich eben ansprach, gibt es einen wichtigen Unterschied. E-Money wird mit Buchgeld und kurzfristigen Anleihen gedeckt, synthetische CBDC dagegen mit Zentralbankgeld, wodurch diese sicherer sind. Aber dennoch steht Diem potenziell im Wettbewerb mit CBDC und ist insofern auch ein Treiber des digitalen Euro. Das gilt übrigens auch für den digitalen Yuan, der im Rahmen eines groß angelegten Pilotprojektes schon intensiv getestet wird. Ob das Projekt aber wirklich international ausgerollt wird, ist fraglich, denn China hat Kapitalverkehrsbeschränkungen, um destabilisierende Kapitalflucht zu verhindern. Dennoch könnte von einem digitalen Yuan eine Signalwirkung ausgehen, die die Politik vermutlich nicht kalt lassen wird.

In den letzten Monaten liest man immer mehr über die Tokenisierung von Wertpapieren. Kann da der digitale Euro helfen, diese Entwicklung zu beschleunigen?

Ja, ich glaube schon. Ein blockchainbasierter digitaler Euro wäre für die Finanzmarktlösungen auf der Blockchain hochgradig interessant. So könnten tokenisierte Wertpapiere, die auf der gleichen Blockchain wie der digitale Euro gehandelt werden, wesentlich effizienter ge- und verkauft werden. Es könnten Zug-um-Zug-Geschäfte stattfinden, so dass man nicht zwei Tage warten müsste, bis man das gekaufte Wertpapier eingebucht bekäme, und damit entfielen auch entsprechende Preisrisiken. Der digitale Euro könnte so gesehen ein Katalysator für die Tokenisierung von Wertpapieren und blockchainbasierten Handelslösungen werden. Gut möglich, dass auch der derzeitige Boom im Bereich der Decentralized Finance, der auf der Ethereum-Blockchain zu beobachten ist, einen Schub erhält, wenn der digitale Euro eingeführt wird. Allerdings stellt die Skalierbarkeit der Ethereum-Blockchain immer noch ein Hindernis dar.

Sehr rege bei der Tokenisierung ist Real Estate. Ist die Immobilienbranche ein gutes Anwendungsgebiet?

Bei Immobilien sind erste Ansätze zu erkennen, und der Sektor ist vom Grundsatz her gut für Tokenisierungsprojekte geeignet. Bisher gibt es noch keine „echten“ Tokenisierungen von Gebäuden, es wurden lediglich Derivate in Form von Genussrechten, Anleihen oder Fonds tokenisiert. Immobilien lassen sich erst dann richtig tokenisieren, wenn sich diese auch im Grundbuch auf einer Blockchain befinden. Da sehe ich hierzulande noch keine Ansätze. Schweden wird in dieser Beziehung gerne als Musterland hervorgehoben, aber auch dort scheint der Weg hin zum Grundbuch auf der Blockchain sehr zäh zu sein.

Das Interview führte

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