Europäische Zentralbank

EZB hebt Zinsen kräftig an und will nachlegen

Mit dem größten Zinsschritt seit dem Euro-Start stemmt sich die Europäische Zentralbank (EZB) gegen die in die Höhe geschossene Inflation.

EZB hebt Zinsen kräftig an und will nachlegen

fed/ku Frankfurt

Mit dem größten Zinsschritt seit dem Euro-Start stemmt sich die Europäische Zentralbank (EZB) gegen die in die Höhe geschossene Inflation. Der EZB-Rat hat am Donnerstag – wie von vielen Marktteilnehmern erwartet – die Leitzinsen um 75 Basispunkte angehoben. Der zentrale Ausleihsatz steigt damit auf 1,25%. Zugleich haben die Notenbanker weitere Schritte zur Straffung der Geldpolitik angekündigt. „Der EZB-Rat geht auf Grundlage seiner aktuellen Einschätzung davon aus, dass er die Zinsen in den nächsten Sitzungen weiter erhöht“, erklärte EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach der Sitzung.

Die Französin unterstrich, dass 75 Basispunkte nicht die Norm sein werden. Zugleich unterstrich sie, dass der EZB-Rat zu weiteren großen Schritten bereit sei, falls es erforderlich werde, um zügig und in angemessenen Schritten die Inflation wieder auf das Niveau von 2% herunterzubringen. Das werde noch eine ganze Zeit dauern.

Lagarde bekräftigte, dass die EZB keine langfristigen Ansagen für die Leitzinsentwicklung machen werde. Vielmehr werden die Beschlüsse „auch in Zukunft von der Datenlage abhängen und von Sitzung zu Sitzung festgelegt“. Das nächste Treffen ist Ende Oktober.

Die EZB-Präsidentin berichtete, dass es in der Sitzung unterschiedliche Positionen gegeben habe, aber die Entscheidung am Ende einstimmig getroffen wurde. „Wir hatten eine sehr herzliche, effektive und tiefe Debatte.“

Die Volkswirte der EZB bewerten die Aussichten für die Konjunktur in den nächsten Monaten mittlerweile etwas skeptischer als zuvor. Allerdings rechnet die Zentralbank im Hauptszenario nicht mit einer Rezession, sondern mit einer Stagnation Ende dieses und Anfang nächsten Jahres. Die Projektionen für das Wachstum 2023 und 2024 lauten auf 0,9% und 1,9%.

Die Prognose der Europäischen Zentralbank für die Teuerungsrate wurde derweil deutlich angehoben. Lagarde räumte ein, dass die EZB – wie die meisten Ökonomen – bei ihren Inflationsprognosen falsch gelegen habe, unter anderem, weil die durch den Ukraine-Krieg beschleunigte Energiepreissteigerung nicht vorhersagbar gewesen sei. Die EZB-Volkswirte rechnen in diesem Jahr mit einer durchschnittlichen Teuerung von 8,1%. Im kommenden Jahr steht ein Wert von 5,5% in der Tabelle.

Der Euro fiel von seinem Tageshoch bei 1,0025 Dollar auf ein Tagestief von 0,9931 Dollar. Am Abend wurde er zu 0,592 Dollar gehandelt, ein Minus von 0,6%. Der Dax sackte von 13008 auf 12689 ab, erholte sich aber später wieder auf 12904 Zähler, was einem Tagesverlust von lediglich 0,1% entspricht. Fest zeigten sich die Finanzwerte, die von steigenden Zinsen profitieren. Deutsche Bank waren mit einem Gewinn von 5,6 % Spitzenreiter im Dax, gefolgt von Hannover Rück (2,1 %) und Munich Re (2 %). Commerzbank kletterten um 5,4 %. Immobilienwerte wiederum reagierten negativ. Vonovia fielen auf den niedrigsten Stand seit 2016. An den europäischen Staatsanleihemärkten zogen die Renditen an. Die Verzinsung zehnjähriger Bundesanleihen erreichte in der Spitze 1,73%.

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