Sustainable Finance Beirat

Finanzbranche bei Nachhaltigkeit im Fokus

Mit 31 konkreten Empfehlungen wendet sich der Sustainable-Finance-Beirat an die Bundesregierung, um Deutschland zu einem führenden Standort für nachhaltige Finanzierung auszubauen. Finanzstaatssekretär Jörg Kukies sieht auch die Akteure am Finanzmarkt gefordert.

Finanzbranche bei Nachhaltigkeit im Fokus

wf Berlin

Der Umbau zu einer nachhaltigen Volkswirtschaft ist hierzulande möglich, wenn deutsche Unternehmen ihre Transformationsstrategie transparent machen. Davon ist der Sustainable-Finance-Beirat überzeugt, der am Mittwoch in Berlin seinen Abschlussbericht vorlegte. „Der Finanzwirtschaft kommt dafür eine Schlüsselrolle zu“, sagte Beiratsvorsitzender Karsten Löffler vor der Presse in Berlin. Die Branche könne das nötige Kapital mobilisieren und wirksam einsetzen.

Neue Anforderungen stellten sich Löffler zufolge für die Berichterstattung der Unternehmen. Nicht mehr nur kapitalmarktorientierte Unternehmen, sondern auch der Mittelstand soll verpflichtet werden, über Risiken und Chancen der Transformation in den Lageberichten der Gesellschaft zu informieren. Die Vorgabe solle Unternehmen von 250 Mitarbeitern an erfassen –- unabhängig von der Finanzierungsform. Übermäßige Bürokratielasten befürchtet der Beirat dadurch nicht. Viele der Informationen würden bereits an anderer Stelle verlangt, etwas von Kreditgebern. Weitere zentrale Empfehlungen des Beirats betreffen Anforderungen an Wissen und Kompetenzen der Verantwortlichen in den Unternehmen oder Behörden sowie die Wirksamkeit von nachhaltigen Finanzprodukten.

Anfang 2019 hatte der Staatssekretärsausschuss für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung das Ziel ausgegeben, Deutschland zum führenden Finanzstandort für Nachhaltigkeit zu machen. Allein die Finanzierung des europäischen Green Deal erfordert europaweit bis 2030 Investitionen von mindestens 1 Bill. Euro. Der Beirat mit 38 Experten aus der Finanzbranche, Wissenschaft und Zivilgesellschaft hatte im Sommer 2019 seine Arbeit aufgenommen. Der Abschlussbericht liegt nun im Zeitplan vor.

Ambitionierte Optionen

Die Bundesregierung plant nach eigenem Bekunden, noch in diesem Frühjahr ihre Sustainable-Finance-Strategie vorzustellen. „Sie wird sich auf ambitionierte, aber auch praktikable Handlungsoptionen insbesondere in der Finanzmarktpolitik fokussieren“, erklärte die Bundesregierung. Die Empfehlungen des Beirats sollen dafür die Grundlage sein. Eingebunden sind hauptsächlich Finanz-, Wirtschafts- und Umweltministerium. Für Finanzstaatssekretär Jörg Kukies hat der Beirat „zahlreiche Impulse“ für die Sustainable-Finance-Strategie der Bundesregierung geliefert. „Aber nicht nur der Staat ist gefordert“, erklärte Kukies in Berlin. „Jeder Akteur im Finanzsystem muss sich fragen, ob die Nachhaltigkeitsrisiken erkannt sind und alle Chancen der Transformation genutzt wurden.“

Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth betonte, der Abschlussbericht markiere nicht das „Ende der Diskussion“, sondern „ist für uns Motivation und Ansporn“. Der Beirat selbst rät zu einer Verstetigung der Arbeit in Form einer stärkeren Koordination der Themen innerhalb der Bundesregierung und dem Aufbau einer Umsetzungs- und Akteurs­struktur. Sustainable Finance soll damit außerhalb der öffentlichen Hand institutionell verankert werden. Wirtschaftsstaatssekretär Ulrich Nußbaum hielt fest, dass auf dem Weg zu einem führenden Sustainable-Finance-Standort „klare Rahmenbedingungen und ambitionierte sowie realistisch umsetzbare Empfehlungen entscheidend“ seien.

„Die Empfehlungen des Beirats sind konkret und praxistauglich“, sagte Löffler. Klare Vorgaben machen die Experten der öffentlichen Hand in ihrer Rolle als Akteur im Finanzmarkt, stellte Beiratsmitglied Silke Stremlau, Hannoversche Kassen, fest. Danach sollen Anleiheemissionen auf allen Ebenen des föderalen Systems nachhaltig sein, öffentliche Kapitalanlagen und alle Sondervermögen des Bundes mit einer starken Nachhaltigkeitsstrategie versehen werden – auch die Anlagen des Bundes, der Arbeitsagentur und der Pflegeversicherung. Zudem seien Förderprogramme nachhaltig auszurichten. Externe Kosten müssten mit einem angemessenen CO2-Preis und einem wirksamen Lieferkettengesetz bei den Verursachern internalisiert werden, damit der Finanzmarkt Risiken und Kosten realistisch einpreisen könne. Beiratsmitglied Michael Schmidt von Lloyd Fonds zeigt auf, wie aus Sicht des Beirats mehr Kapital von privaten Anlegern mobilisiert werden könne. Dazu schlägt das Gremium eine einfache und verständliche Klassifizierung für alle Finanzmarktprodukte nach Nachhaltigkeitschancen und -risiken auf einer Skala von 1 bis 5 vor. Dies soll Anlageentscheidungen erleichtern. Um die Anreize für Privatanleger zu verbessern, empfiehlt der Beirat, die Förderbedingungen bereits geförderter Anlageformen wie der Riester-Rente oder des VL-Sparens an Nachhaltigkeitskriterien zu knüpfen und Erträge aus Nachhaltigkeitsprodukten steu­erlich zu begünstigen.

„Europavorgaben beachten“

Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) mahnte die Politik, nicht aus den Augen zu verlieren, dass neben den Banken vor allem die Realwirtschaft gefordert sei, Produktionsprozesse und Produkte klimaschonend anzupassen. Sparkassenpräsident und DK-Federführer Helmut Schleweis unterstützt die Empfehlung des Beirats, dass sich Berlin in die EU-Gesetzgebung einbringt. Europäische und nationale Strategie müssten verzahnt werden. Kleinere und mittlere Unternehmen dürften nicht durch zu viel Bürokratie überfordert werden, verlangte Schleweis. Auch Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment, rief dazu auf, die nationale Sustainable-Finance-Strategie müsse mit der EU-Regulierung Hand in Hand gehen. „Benötigt werden passgenaue Lösungen für den Finanzstandort Deutschland und somit eigene Schwerpunkte, aber kein regulatorischer Überbietungswettbewerb auf nationaler Ebene“, erklärte Reinke. Der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen, hob hervor, dass die Assekuranz beim Ausbau zu einem führenden Nachhaltigkeitsfinanzstandort besonders an verstärkte Emissionen des Bundes bei Green Bonds, verbesserte Investitionsbedingungen in grüne Projekte und die Transformation der Realwirtschaft denke.