Zinssitzung

Euro-Hüter ringen um weiteren Kurs

Der starke Anstieg der Inflation beschäftigt die EZB. In den vergangenen Tagen waren es vor allem die „Falken“, die sich öffentlich zu Wort meldeten und für Aufsehen sorgten.

Euro-Hüter ringen um weiteren Kurs

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Wenn sich die Euro-Notenbanker am Donnerstag zur ersten Zinssitzung nach der Sommerpause in Frankfurt versammeln, wird für Urlaubs- oder sonstige Anekdoten kaum viel Zeit bleiben. Die mitunter widersprüchlichen Signale aus der Wirtschaft; der nahezu alle überraschende starke Anstieg der Inflation; vor allem aber die Zukunft der extrem expansiven Geldpolitik und insbesondere des Co­rona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP – es gibt jede Menge zu diskutieren für die Euro-Hüter um EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Und nach dem Fernduell zu urteilen, das sich die Hardliner im EZB-Rat, die „Falken“, und deren Gegenspieler, die „Tauben“, zuletzt geliefert haben, könnte es dabei hoch hergehen.

In den vergangenen Tagen waren es vor allem die EZB-„Falken“, die sich öffentlich zu Wort meldeten und für Aufsehen sorgten – insbesondere, nachdem Eurostat am Dienstag gemeldet hatte, dass die Inflation im August einen überraschend starken Sprung von zuvor 2,2% auf 3,0% gemacht hat. Die höchste Teuerungsrate seit einer Dekade zusammen mit der Erholung der Konjunktur nutzte zuvorderst Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann, um für eine Reduzierung des PEPP-Kauftempos ab dem vierten Quartal zu plädieren. Sein niederländischer Amtskollege Klaas Knot pflichtete ihm sofort bei, und auch Bundesbankchef Jens Weidmann erneuerte seine Forderung nach einem zeitigen Exit.

Der EZB-Rat hatte im März eine vorübergehende Erhöhung des Kauftempos beim Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) für das zweite Quartal beschlossen – als Reaktion auf die seinerzeit stark ge­stiegenen Euro-Anleiherenditen. Letztlich hielt er auch im dritten Quartal an diesem erhöhten Tempo fest. Jetzt steht der Rat vor der Frage, was nach September passieren soll. Eine Rückführung des Kauftempos wä­re so etwas wie ein erster Schritt in Richtung Normalisierung der Geldpolitik. PEPP ist aktuell mit 1,85 Bill. Euro ausgestattet und soll bis mindestens März 2022 laufen.

EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hingegen, der ob seiner Position sehr einflussreich ist und eher dem „Tauben“-Lager zugerechnet wird, hatte schon vor Veröffentlichung der August-Inflationszahlen die bisherige Position der EZB untermauert, dass der aktuelle Inflationsanstieg temporär sei und deswegen kein Anlass bestehe, geldpolitisch gegenzusteuern. Das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel hatte sogar gesagt, dass die EZB-Sorge auf längere Sicht weiter eher einer zu niedrigen denn einer zu hohen Inflation gelte. Nach den Wortmeldungen der „Falken“ konterte jetzt auch Griechenlands Zentralbankchef Giannis Stournaras: Er warnte davor, den Inflationsanstieg überzuinterpretieren, und mahnte zur „Vorsicht“.

Allerdings signalisierte diese Woche auch Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau, dass es womöglich Zeit sei, das PEPP-Kauftempo wieder zu reduzieren. Er gilt nicht als „Falke“ und gibt häufig Mehrheitspositionen im Rat wieder. Zugleich betonte er aber, dass das nicht zu vergleichen sei mit dem von der US-Notenbank avisierten „Tapering“, dem Herunterfahren der billionenschweren Fed-Anleihekäufe.

Tatsächlich scheint die EZB von einem kompletten Auslaufen ihrer Anleihekäufe noch sehr weit entfernt, und die Null- und Negativzinsen hat sie unlängst erst auf noch mehr Jahre hinaus zementiert – was nicht jedem Notenbanker schmeckt.