Baden-Württemberg

Genossen im Ländle rüsten sich für härtere Zeiten

Die Volks- und Raiffeisenbanken Baden-Württembergs haben im Jahr des Pandemieausbruchs und des aufsichtlichen Appells zur Zurückhaltung bei Ausschüttungen ihre Kapitaldecke in Erwartung künftiger Kreditausfälle verstärkt.

Genossen im Ländle rüsten sich für härtere Zeiten

bn Frankfurt

Die Volks- und Raiffeisenbanken Baden-Württembergs haben im Jahr des Pandemieausbruchs und des aufsichtlichen Appells zur Zurückhaltung bei Ausschüttungen ihre Kapitaldecke in Erwartung künftiger Kreditausfälle verstärkt. Wie der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband (BWGV) am Donnerstag mitteilte, stockten die 159 Institute im Ländle 2020 ihr Kernkapital um 0,7 Mrd. Euro auf 15,5 Mrd. Euro auf. Im Ergebnis erhöhte sich ihre Kernkapitalquote damit um 0,4 Prozentpunkte auf 16,1%, obwohl zugleich eine Flut an Einlagen die aggregierte Bilanzsumme um 9% auf knapp 190 Mrd. Euro anschwellen ließ. Während den Banken gut 9 Mrd. Euro an Einlagen zuflossen, nahm das Kreditvolumen um knapp 7 Mrd. Euro zu (siehe Tabelle).

Pandemiebedingte Verwerfungen bei ihrer gewerblichen Kundschaft hätten die Institute im vergangenen Jahr noch nicht gesehen, mit Blick auf den weiteren Verlauf gebe es aber wohl Fragezeichen, fasste Verbandspräsident Roman Glaser die Lage zusammen. Der Risikoaufwand habe 2020 keine Auffälligkeiten gezeigt und liege allenfalls leicht über Vorjahr.

Diese Einschätzung deckt sich mit der Bewertung durch die Sparkassen Baden-Württembergs. Deren Präsident Peter Schneider hatte im Februar erklärt, im ersten und bislang im zweiten Lockdown seien nicht so viele Firmenkunden ausgefallen wie befürchtet, hieß es. Davon lasse man sich aber nicht blenden. „Herausfordernd“ wird 2021 Glaser zufolge für die konsumnahen Branchen Touristik und Gastronomie. Welchen prozentualen Anteil diese am Kreditportfolio haben, wurde am Donnerstag nicht konkret beziffert. Im Moment gebe es keine Branche, die ein Klumpenrisiko darstelle, hieß es. Die jüngst beschlossenen Lockdown-Lockerungen nannte Glaser ein überfälliges Signal an die Wirtschaft und die Menschen. Mit Blick auf Tourismus, die Gastronomie und den Veranstaltungssektor aber stünden wichtige Beschlüsse nach wie vor aus.

Ein 3-prozentiger Abrieb im Zinsüberschuss, den die Institute mit Provisionserträgen nicht aufzufangen vermochten, ließ das Betriebsergebnis der Institute vor Risiko um 4,6% auf 1,17 Mrd. Euro fallen. Der Jahresüberschuss dürfte laut BWGV „in etwa“ auf dem Vorjahresniveau von 325 Mill. Euro liegen. Angesichts des strukturell unter Druck stehenden Zinsertrags ortet Glaser beim Provisionsüberschuss noch „Luft nach oben“. Regelmäßiges Fondssparen werde einen der Schwerpunkte in der Beratung der Institute bilden.

Das Wort von einer Fusionswelle will sich der Verbandspräsident ungeachtet des Zinstiefs, des regulatorischen Aufwands sowie der Pandemie indes nicht in den Mund legen lassen. Es sei von der Statistik widerlegt, erklärte er mit Verweis auf eine zwar stetig, jedoch kaum in verschärftem Tempo sinkende Anzahl von Mitgliedsinstituten im BWGV.

Eher scheint ihn der zuletzt zu beobachtende Rückgang der Anzahl der Genossenschaftsmitglieder zu beschäftigen. Zu diesem habe „sicher die uns von der europäischen Bankenaufsicht aufgezwungene Diskussion über die Ausschüttungspolitik beigetragen“, erklärte er. 2020 fiel die Zahl der Mitglieder um 0,8% (siehe Grafik).

Auswirkungen des über die Greensill Bank verhängten Moratoriums auf die Genossenschaftsbanken Baden-Württembergs befürchtet er eigenen Angaben zufolge nicht. Bei einer Bilanzsumme der Greensill Bank von nur 4,5 Mrd. Euro ergebe sich keine systemdestabilisierende Situation, die Finanzaufsicht habe rasch reagiert und zudem ein Geschäftsmodell offengelegt, „das schlicht und einfach nicht dem einer Sparkasse oder Volks- und Raiffeisenbank entspricht“, sagte Glaser. Zum Fall der mit Zinswetten in Schieflage geratenen Volksbank Heilbronn, zu deren geplanter Verschmelzung auf die VR Bank Schwäbisch Hall-Crailsheim zur Jahresmitte sowie zu etwaigen Belastungen für den BWGV bzw. den Bundesverband BVR wollte sich Glaser nicht äußern und verwies auf einen „laufenden Prozess der Aufarbeitung und der Gestaltung der Zukunft der Bank“.

Volks- u. Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg
Vorläufige Geschäftszahlen für 2020
 in Mrd. Euro 2020Veränderung (%)
Zinsüberschuss2,66−3,1
Provisionsüberschuss1,141,7
Verwaltungsaufwand2,650,3
Betriebsergebnis vor Risiko 1,17 −4,6
Kernkapital15,54,8
Bilanzsumme188,88,9
Kundeneinlagen141,66,9
Kundenforderungen1156,2
2020Vorjahr
Zahl der Bankstellen23742507
Zahl der Mitarbeiter (Vollzeitäquivalent) 20770 21270
Quelle: BWGVBörsen-Zeitung