GastbeitragAnlagethema im Brennpunkt (278)

China – das Powerhouse der globalen Umwelttechnologie-Lieferketten

China ist in der realen Ökonomie ein Powerhouse des Wandels zu einer umweltfreundlicheren Welt. Wenn man hingegen auf die weltweiten Kapitalströme schaut, ergibt sich ein völlig anderes Bild.

China – das Powerhouse der globalen Umwelttechnologie-Lieferketten

China – das Powerhouse der globalen Umwelttechnologie

Walter Liebe

Head of Intermediaries
bei Pictet Asset Management


Wenn es ein stabiles westliches Stereotyp über das Reich der Mitte gibt, dann ist es das Bild von katastrophaler Umweltzerstörung, dichtem Smog in den Großstädten und einer zügellosen Industrialisierung des Landes. Auch wenn dies in Teilen zutreffend ist, so erzählt dieses Bild nur die halbe Wahrheit – denn die Einstellung der chinesischen Regierung (und der Bevölkerung!) hat sich deutlich gewandelt. Zunehmende Umweltbelastungen drohten, den Machtanspruch der Regierung zu untergraben, daher wurden in den letzten Jahren immer strengere Regulierungen im Umweltbereich implementiert. Gleichzeitig begriff China sehr früh, dass die Technologien für regenerative Energie und die Elektrifizierung des Verkehrs ideale strategische Wachstumsfelder sind, um die chinesische Volkswirtschaft auf eine höhere Wertschöpfungsstufe zu heben. Anfangs heftig durch staatliche Subventionen angeschoben, haben chinesische Produkte Schritt für Schritt eine weltmarktbeherrschende Position aufgebaut. So stammen heute 85% der Solar-Komponenten, 70% der Offshore-Windanlagen, 71% der Elektrofahrzeuge und schon jetzt 39% aller Wärmepumpen aus chinesischer Produktion. In vielen Bereichen haben sich mittlerweile quasi-monopolartige Strukturen entwickelt.

Dass es sich dabei um substanzielle Beträge handelt, zeigt das Missverhältnis bei den Investitionen in die Energiewende im Jahr 2022 (Quelle: Bloomberg NEF): Während in Deutschland 55 Mrd. USD und in den USA 141 Mrd. USD investiert wurden, beliefen sich die Ausgaben in China auf 546 Mrd. USD, davon etwa die Hälfte für den Zubau von Erneuerbaren. Dies wird keine Eintagsfliege bleiben, denn im aktuell laufenden 14. Fünfjahresplan der KP Chinas sind erstmals die Ziele der Entwicklung einer Erneuerbare-Energien-Industrie, einer Industrie für Elektromobilität sowie ein Entwicklungsplan für den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft enthalten. Im Zuge dessen werden seit fünf Jahren keine Müllimporte aus dem Westen mehr zugelassen, sondern im Gegenteil in eine stärkere Wiederverwertung der heimischen Abfallmengen investiert. Aufgrund der Bedeutung der chinesischen Volkswirtschaft und des hohen CO2-Ausstoßes Chinas sind Verbesserungen im Umweltverhalten – so graduell sie auch erscheinen mögen – von hohem absoluten Nutzen für Umwelt und Klima weltweit.

China ist in der realen Ökonomie ein Powerhouse des Wandels zu einer umweltfreundlicheren Welt. Wenn man hingegen auf die weltweiten Kapitalströme an den Aktienmärkten schaut, ergibt sich ein völlig anders gelagertes Bild. Die meisten Anlagestrategien für Energy Transition haben einen ausgeprägten Fokus auf US-Unternehmen. Dies ist ein Abbild der Verfügbarkeit von börsennotierten Unternehmen. Die Mehrzahl der Produkte kommt aus China, die Aktienkäufe gehen in die USA und eben nicht in das Reich der Mitte. Dies hat damit zu tun, dass viele chinesische Unternehmen aus den Bereichen erneuerbare Energie, nachhaltiger Transport, Dekarbonisierung der Wirtschaft, Ressourceneffizienz und Umweltschutz am inländischen A-Shares-Markt gelistet sind und nicht als in den USA gehandelte ADRs (Hinterlegungsscheine). Da nicht alle westlichen Investoren einen Zugang zu A-Shares haben, sind diese Unternehmen in einschlägigen Themenfonds unterrepräsentiert – obwohl sie vielfach Weltmarktführer sind. Allein in diesen fünf Bereichen gibt es etwa 300 aus unserer Sicht investierbare Unternehmen, die für einen gut informierten und lokal versierten Investor eine gute Grundgesamtheit für ein Portfolio bilden. Hinzu kommt, dass die überwiegende Mehrheit von ca. 85% dieser Unternehmen private Eigentümer haben und keine Staatsunternehmen sind. Zudem ist bei Umwelttechnologien das Risiko einer regulatorischen Intervention der Behörden überschaubarer. Warum finden wir dieses Anlagesegment interessant? Weil die meisten Unternehmen profitabel wachsen, und zwar ohne Subventionen. Eine gute Voraussetzung für die globale Investitionswelle der Dekarbonisierungspläne der Regierungen.

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