„Der Wachstumsausblick unterstützt Festverzinsliche“
„Der Wachstumsausblick unterstützt Festverzinsliche“
Im Interview: Benjamin Dietrich
„Der Wachstumsausblick unterstützt Festverzinsliche“
Portfoliomanager von Lazard: Der AT1-Markt wird überleben – Noch zu früh, die Laufzeiten stärker zu verlängern
Benjamin Dietrich ist für Anleihen verhalten zuversichtlich. Der Portfoliomanager von Lazard Asset Management verweist unter anderem auf die Tatsache, dass es wieder Kupons gibt, und auf das mäßige Wirtschaftswachstum. Allerdings ist es seiner Meinung nach noch zu früh, Laufzeiten stärker zu verlängern.
Herr Dietrich, der Kollaps der Silicon Valley Bank und die notwendig gewordene Rettung der Credit Suisse haben eine Vertrauenskrise ausgelöst. Wie ordnen Sie die Turbulenzen ein? Ist die Lage mit der Großen Finanzkrise vergleichbar?
Die Qualität der Bankbilanzen ist heute deutlich höher als in der Finanzkrise. Das gilt auch nach dem historischen Stresstest durch den rapiden Zinsanstieg. Die Eigenkapital- und Liquiditätsausstattungen sehen solide aus, auch wenn man bedenkt, dass die Risikogewichtung besonders bei Staatsanleihen diese etwas schönt. Das verbesserte interne Risikomanagement und die adäquatere Regulierung sind ebenfalls auf der Habenseite zu verzeichnen. Dennoch gibt es Anlass zur Vorsicht. Die zyklischen Risiken sind nicht von der Hand zu weisen. Außerdem sehen wir uns mit einer völlig neuen Dynamik konfrontiert. In der Finanzkrise dauerten Bankanstürme noch Wochen, nun sind es aufgrund der stärkeren Vernetzung teilweise nur Stunden. Die Einlagensicherung muss neu gedacht werden. Vielleicht wäre eine temporäre Einlagengarantie sinnvoll, um Druck vom Kessel zu nehmen.
Bankanleihen, gerade auch Nachrangtitel, haben sich bis vor kurzem großer Beliebtheit erfreut. Wie stehen Sie zu dem Sektor?
Wie eine Fußballmannschaft braucht ein ausgewogenes Portfolio grundsätzlich Angreifer und Verteidiger. Banknachranganleihen sind Teil der Angriffsreihe und können so eine wichtige Rolle für den Portfoliokontext spielen. Besonders bei den besten Emittenten kann es sich lohnen, in der Kapitalstruktur nach unten zu schauen. Allerdings sind wir seit einigen Monaten aufgrund der Konjunktur- und Zinsrisiken sowie deren unzureichender Reflexion in den Bewertungen konservativ aufgestellt. Wir halten in unserer Strategie daher gegenwärtig kein Nachrangexposure. Die aktuellen Korrekturen eröffnen hier potenziell Chancen, aber wir greifen nicht in fallende Messer. Im Senior-Rang größerer Emittenten halten wir hingegen ohne Bauchschmerzen auch weiter Bankanleihen.
Welche Folgen erwarten Sie nach der Credit-Suisse-Rettung für den AT1-Markt?
Der AT1-Markt wird überleben, solange der Regulierer das als zielführend erachtet. Davon gehen wir aus. Zu angemessenen Risikoprämien wird sich auch die Nachfrage stabilisieren. Zudem wird die schweizerische Behandlung der Kapitalstruktur aus unserer Sicht nicht Schule machen. Das haben die wichtigsten Regulierer bereits deutlich gemacht. Es ist aber wichtig zu betonen, dass bei der Credit Suisse im Vergleich zur Aktie nur so vorgegangen werden konnte, weil ja gerade keine Insolvenz eingetreten ist. AT1-Anleihen sind aus unserer Sicht allerdings keine Kern-, sondern eher Satelliteninvestments.
Welche Auswirkungen auf die Geldpolitik und die Wirtschaft erwarten Sie?
Die Zentralbanken haben sich viel zu stark auf das moderate Inflationsumfeld nach der Finanzkrise verlassen und Lehren aus der längeren Wirtschaftshistorie außer Acht gelassen. Daher haben sie verkannt, dass die pandemieinduzierte Kombination aus fiskal- und geldpolitischen Stimuli im Zusammenhang mit den Angebotsengpässen eine völlig andere Inflationsdynamik entfachen konnte. Dass dann erst mit einer Verzögerung von einem Jahr auf die Preisanstiege reagiert wurde, ist ein historischer Folgefehler, für den wir jetzt alle mit deutlichen Kaufkraftverlusten bezahlen. Das war kein gutes Risikomanagement. Die Kerninflation ist ein Supertanker, der sich nur langsam umkehren lassen wird. Daher müssen die Märkte nun lernen, auf längere Sicht ohne die gewohnte Unterstützung eines laxen Zentralbankregimes auszukommen. Die Zinserhöhungen werden mit verringertem Tempo weitergehen und dann sollten wir über den Betrachtungshorizont auf den Zinsplateaus verharren. Das wird das Wachstum weiter bremsen. Die Bankenkrise ist ein zusätzlich dämpfender Faktor. Für den Ausblick sind daher weitere stagflationäre Tendenzen nicht von der Hand zu weisen. Es ist wichtig, dass die Zentralbanken die Inflation nicht zu früh als besiegt ansehen, denn eine zweite, noch stärkere Inflationswelle wie Anfang der achtziger Jahre wäre verheerend.
Wie sollten sich Anleiheinvestoren in diesem Umfeld generell aufstellen?
Die gute Nachricht ist, dass wir wieder einen Kupon verdienen. Insofern stehen wir deutlich besser da als noch vor einem Jahr. Der Wachstumsausblick unterstützt festverzinsliche Papiere zusätzlich, aber die Unsicherheiten bezüglich der Inflation bedeuten auch, dass wir nicht rasch wieder auf die Zinstiefs schielen sollten. Wie nach der Eurokrise, als Länder wie Griechenland und Irland zunächst hochkorreliert abverkauften, sich dann aber stark auseinanderentwickelten, erwarten wir nun nach Pandemie und Krieg Ähnliches auf globaler Ebene. Es wird Gewinner und Verlierer geben. Wir fokussieren uns daher über Länder, Sektoren und Unternehmen darauf, wer auch bei höheren Zinsniveaus eine überzeugende Schuldentragfähigkeit beweist. Zusätzlich erscheint es noch zu früh, die Laufzeiten stärker zu verlängern.
Welche Segmente bevorzugen Sie?
Gegenwärtig bevorzugen wir staatliche und staatsnahe Anleihen mit kürzeren Laufzeiten. Die inversen Kurven helfen, dass diese hohen Qualitäten dennoch gute Erträge erlauben. Die Reinvestitionsrisiken sind akzeptabel, weil wir davon ausgehen, dass die Zentralbanken nicht so schnell wieder auf Zinssenkungen einschwenken wie vom Markt impliziert. Solide, mit investmentwürdigen Ratings versehene Unternehmensanleihen sind ebenfalls gute Investments. Auch hier vermeiden wir noch längere Laufzeiten. Zudem richten wir einen starken Fokus auf Nachhaltigkeit. In Zeiten des beschleunigten Wandels kann das entscheidend sein, gerade auch aus ökonomischer Sicht.
Sollte man um High-Yield-Anleihen derzeit einen Bogen machen?
Wir glauben, dass die Risikoprämien noch nicht hoch genug sind, um hier bereits wieder aggressiver vorzugehen. Es gibt zwar keine kurzfristige Fälligkeitskonzentration und das nominale Wachstum des letzten Jahres war auch für schwächere Schuldner hilfreich, aber der Konjunkturausblick und die kommende Fokussierung des Anleihenmarktes sowie des Banken- und auch Schattenbankensektors auf bessere Risiken bedeuten hier Ungemach. Die Identifikation von HY-Unternehmen, die sich anschicken, in den investmentwürdigen Ratingbereich heraufgestuft zu werden, ist hingegen immer sinnvoll, aber es gibt gegenwärtig weniger Kandidaten. Risikoreichere Vermögensgegenstände finden historisch erst mehrere Monate nach der letzten Zinserhöhung ihren Boden. Erst dann sollte man den Blick wieder stärker auf ambitioniertere Vermögensgegenstände richten.
Wie beurteilen Sie die Aussichten für inflationsgeschützte Anleihen?
Im neuen, höheren Inflationsregime sind inflationsgeschützte Staatsanleihen die eigentlichen risikolosen Vermögensgegenstände. Die gehandelten Realrenditen sind im vergangenen Jahr stark angestiegen und sichern nun Erträge, die über den Kaufkrafterhalt hinausgehen. Die Realrendite von fünfjährigen TIPS liegt beispielsweise bei knapp 1,4%. Nominal wird diese Basisrendite dann um die Inflation nach oben angepasst und bietet so eine exzellente Absicherung gegen Tail-Risiken aus der Inflationsentwicklung. In der derzeit höchst komplexen Kapitalmarktwelt ist das wie eine Oase in der Wüste.
Bieten Schwellenländeranleihen interessante Chancen?
Ja, die Zentralbanken wissen dort aus der Historie, wie man mit höheren Inflationsregimes umgeht. Sie haben daher beherzter agiert und teilweise bei der Inflationsbekämpfung größere Fortschritte gemacht als die Industrieländer. Auch die Risikoprämien sind nach dem Abverkauf des letzten Jahres wieder deutlich attraktiver. Dennoch wird sich auch in diesem Bereich die Spreu vom Weizen trennen. Es gilt mit Augenmaß zu selektieren. Historisch hohe Schuldenniveaus bedeuten für Schwellenländer, wie in allen Bereichen des Anleihemarkts, dass in den nächsten Jahren drei wesentliche Faktoren kritisch für den Erfolg sein werden: Qualität, Qualität und Qualität.
