Zeit der Entscheidungen
Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt (341)
Zeit der Entscheidungen
Die verbleibende Hälfte des laufenden Anlagejahres wird geprägt sein von wegweisenden politischen Entscheidungen. Es ist weltweites „Superwahljahr“ − Länder, die rund 80% der Aktienmarktkapitalisierung, 60% des globalen Bruttoinlandsprodukts und 40% der Weltbevölkerung repräsentieren, gehen an die Urnen. Einen Höhepunkt davon stellen die US-Präsidentschaftswahlen im November dar. Wer danach ins Weiße Haus einzieht, wird außenpolitisch von entscheidender Bedeutung sein, Gleiches trifft auf die Mehrheitsverhältnisse im Kongress für die US-Innenpolitik zu.
Aber auch auf der wirtschaftlichen Ebene werden in der zweiten Jahreshälfte wichtige Weichen gestellt. Dabei stehen einmal mehr die Zentralbanken im Fokus. Genauso interessiert werden die Marktbeobachter verfolgen, wie schnell und in welcher Breite sich die enormen Investitionen der großen Technologiekonzerne in die Grundlagen der künstlichen Intelligenz (KI) in sinnvolle Anwendungen umsetzen und damit monetarisieren lassen.
Damit stehen auch Anleger vor einer Reihe wichtiger Entscheide. Vor allem drei Aspekte sollten hier Priorität haben.
Erstens: Die Vorbereitung auf niedrigere Zinssätze. In einigen wichtigen Wirtschaftsräumen haben bereits Zinssenkungen begonnen und im Zuge kontinuierlich fallender Inflationsraten erwarten wir bei UBS Global Wealth Management weitere davon in der zweiten Jahreshälfte und darüber hinaus – schon allein, um die inflationsbereinigten Zinsen konstant zu halten. Die Abkühlung des Arbeitsmarktes und Anzeichen, dass die stark durch Wohnkosten und KFZ-Versicherungen verzerrte Inflation in den USA sich abschwächt, dürften es auch der US-Notenbank Fed erlauben, ab September die Zinsen zu senken. In Folge werden aktuell noch überschüssige Barbestände voraussichtlich an Attraktivität verlieren. Festverzinsliche Wertpapiere mittlerer Duration sind hier eine Alternative.
Zweitens: Die Nutzung der KI-Chancen. Für ein weiterhin angemessenes Engagement in diesem Bereich sprechen anhaltend hohe Investitionen in die KI-Infrastruktur und erhöhte, aber nicht übertriebene Bewertungen (der globale IT-Sektor handelt aktuell mit einem Kurs Gewinn-Verhältnis von rund 26x; im Jahr 2000 handelte der Nasdaq bei 60x). In der zweiten Jahreshälfte dürfte der Fokus vor allem auf der Monetarisierung liegen, also auf der Frage, inwieweit Unternehmen zeigen können, dass sie KI in sinnvollen Anwendungen kommerziell erfolgreich umsetzen und damit die enormen Investitionen gerechtfertigt sind. Wir mögen insbesondere Halbleiterunternehmen, die von hohen KI-Investitionen profitieren, sowie vertikal integrierte großkapitalisierte Technologieunternehmen, die in der gesamten KI-Wertschöpfungskette gut positioniert sind.
Drittens: Auf die Präsidentschaftswahl in den USA vorbereiten. Da die US-Wahlen näher rücken, ist es wichtig, sich an den Grundsatz zu erinnern, dass Anleger an der Wahlurne und nicht mit ihrem Portfolio abstimmen sollten. Die Wahlen dürften jedoch zu verstärkten Marktschwankungen und unterschiedlichen Entwicklungen auf Sektorebene führen und wir glauben, dass Anleger die Risiken entsprechend steuern sollten. In einem Szenario eines republikanischen Sieges sowohl im Weißen Haus als auch im Kongress könnten beispielsweise innerhalb von US-Aktien Sektoren wie zyklische Konsumgüter und erneuerbare Energien unter Druck geraten. Auf der anderen Seite denken wir, dass Finanzwerte in diesem Szenario profitieren dürften. Außerdem sind wir der Meinung, dass Gold eine wirksame Absicherung sein kann gegen Sorgen bezüglich Geopolitik, Inflation oder des hohen US-Haushaltsdefizits.
Unser Gastautor Maximilian Kunkel ist Chefanlagestratege für Deutschland und für das Segment Global Family and Institutional Wealth (GFIW) bei UBS Global Wealth Management.