Vinay Sharma

„Infrastruktur ist gut geeignet für unruhige Zeiten“

Vinay Sharma, Portfoliomanager bei Union Investment, über Infrastrukturinvestments, ihre defensive Ausrichtung und warum sie sich langfristig meist lohnen.

„Infrastruktur ist gut geeignet für unruhige Zeiten“

Werner Rüppel.

Herr Sharma, was sind eigentlich Infrastrukturinvestments, welche Firmen verbergen sich dahinter?

Infrastrukturinvestments sind Anlagen in reale Vermögenswerte. Zur Infrastruktur zählen Straßen, Brücken, Krankenhäuser, Schulen, Kommunikationsdienste, Funktürme, Versorger wie zum Beispiel Wasserversorger und andere. Auf der Aktienseite investieren wir in Firmen, die solche Infrastruktur-Assets besitzen und meist die dazugehörenden Dienstleistungen anbieten.

Was ist das Besondere an dieser Assetklasse?

Zum einen handelt es sich um Dienste, die essenziell für die Gesellschaft und sozial notwendig sind, wie eben zum Beispiel Wasserversorgung, Heizung oder Telekommunikation. Zum anderen sind für Infrastruktur oft hohe Anfangsinvestitionen erforderlich. Dies macht es für einen zweiten Anbieter schwierig, in einen bestehenden Markt überhaupt hineinzukommen, denn die Eintrittsbarrieren sind hoch. Wirtschaftlich ist es häufig sinnvoll, dass bestimmte Dienste nur von einem Anbieter angeboten werden und nicht von mehreren. Darüber hinaus handelt es sich um längerfristige Assets, die sich über mehrere Jahre lohnen.

Sind Infrastrukturtitel daher weniger zyklisch als andere Aktien?

Ja, es handelt sich ja um Produkte, die stets gebraucht werden. Daher sind die Gewinne dieser Firmen weniger zyklisch als die Erträge von herkömmlichen Firmen.

Weisen Infrastrukturaktien eine niedrigere Volatilität und niedrigere Maximum Drawdowns als der Aktienmarkt insgesamt auf?

Das ist das Ergebnis, was wir für die Vergangenheit seit 2007 analysiert haben. Zunächst einmal ist die Volatilität der Gewinne von Infrastrukturaktien deutlich niedriger als die Volatilität der Gewinne im MSCI World oder insbesondere im Dax. Daher weisen auch die Kurse der Infrastrukturtitel eine geringere Volatilität auf. Und auch der Maximum Drawdown, der maximale Kursrückschlag, von Infrastrukturaktien fällt im Durchschnitt niedriger als die der typischen Aktienindizes aus. Allerdings sind auch Infrastrukturtitel immer noch Aktien. Sie schwanken weniger als andere Titel, aber ihre Kurse schwanken natürlich auch.

Bieten Infrastrukturtitel nicht auch ansprechende Dividenden?

Die Dividenden sind ein schöner Nebenaspekt. Aufgrund der relativen Stabilität der Gewinne schütten diese Aktien relativ hohe und vor allem stabile Dividenden aus. In unserem Portfolio beträgt die Dividendenrendite etwa 3,5%. Trotzdem richten wir unsere Investmententscheidungen nicht an der Höhe von Dividenden aus. Wichtiger für uns sind die stabilen Erträge der Infrastrukturaktien. Die Dividendenzahlungen dieser Infrastrukturtitel sind dann ein schönes Zubrot.

Warum bieten gerade diese Aktien einen guten Schutz gegen Inflation?

Weil bei etwa zwei Dritteln dieser Werte die Erlöse auf irgendeine Art und Weise an die Inflation gekoppelt sind. Wobei sich die Koppelung von Wert zu Wert unterscheidet, und die einzelnen Usancen im Detail recht unterschiedlich sind. Ein genaues Hinschauen ist also erforderlich. Viele Dienste oder Dienstleistungen haben auch eine monopolartige Stellung und werden reguliert, wie zum Beispiel Autobahngebühren in verschiedenen Ländern. Das muss aber kein Nachteil sein. Denn die Regulierung führt auch dazu, dass regelmäßig eine Anpassung der Preise oder Gebühren an die Inflation erfolgt.

Was sagen Studien dazu?

Viele Studien zeigen, dass sich gerade Infrastrukturtitel bei hoher Inflation gut schlagen. Das beruht ja auch auf guten Gründen, die ich gerade dargelegt habe.

Gibt es nicht auch politische Risiken?

Infrastrukturinvestments sind risikoärmer, aber nicht risikofrei. Es gibt viele Vorteile wie regelmäßige Erträge, wenig Wettbewerb etc. Aber es gibt auch ein Risiko, beispielsweise wenn sich die Regulatorik für ein Unternehmen zu seinen Ungunsten verändert. Denn solche Unternehmen sind in der Regel wenig flexibel. Daher gilt es genau auf regulatorische und politische Risiken zu schauen.

Können Sie Beispiele nennen?

Unternehmen, die an Nord Stream II beteiligt waren, haben natürlich durch die politische Entwicklung Verluste erlitten. Dieses Projekt war zwar von Beginn an mit einem politischen Risiko behaftet, doch hat kaum jemand mit der jüngsten Entwicklung gerechnet. In manchen Ländern wie zum Beispiel in Großbritannien sind auch neue Steuern auf Energiekosten eingeführt worden, was dann natürlich die Erträge von Energieunternehmen trifft.

Wie begegnen Sie als Vermögensverwalter den regulatorischen und politischen Risiken?

Zum einen schauen wir sehr genau auf die einzelnen Unternehmen und beachten regulatorische und politische Risiken. Ich achte dabei auch darauf, dass die Unternehmen im Einklang mit dem jeweiligen politischen Willen agieren. Das ist der beste Schutz. In unserem Aktienfonds können wir uns jederzeit von einem Titel trennen, wenn sich bestimmte Risiken ändern und uns dann zu hoch erscheinen. Wir sind da sehr flexibel. Zum anderen investieren wir weltweit und breit gestreut. Wir haben etwa 50 bis 60 Aktien im Portfolio, wobei wir von den Regionen her ähnlich ausgerichtet sind wie ein globaler Aktienfonds. Die Assetklasse Infrastruktur ist ja bereits relativ risikoarm und durch die breite Diversifikation reduzieren wir die Risiken zusätzlich.

Risikoreiche Technologietitel finden sich nicht im Portfolio eines Infrastrukturfonds?

Nein, in unserem Fonds investieren wir nicht in Tech-Titel. Wir haben einen klaren Branchenfokus und sind defensiv ausgerichtet. Das zahlt sich in Krisenzeiten aus. Aber wenn die Aktienmärkte durchstarten, dann weisen Tech-Investments oder zyklische Titel in der Regel natürlich höhere Kursgewinne als Infrastrukturinvestments auf.

Ihr Infrastrukturfonds ist nachhaltig ausgerichtet. Wie wählen Sie Einzeltitel unter Nachhaltigkeitsaspekten aus?

Der Fonds ist nach Artikel 8 qualifiziert. Wir haben in Sachen Nachhaltigkeit ein mehrstufiges System. Zum einen werden bestimmte Bereiche, wie beispielsweise Hersteller von Streubomben oder Themen wie Pornografie, für alle nachhaltigen Fonds von vorneherein ausgeschlossen. Zum anderen investieren wir nur in Firmen, die in unserem ESG-Score zu den besten 50 % einer Branche zählen. Wobei der ESG-Score auf externen und internen Informationen beruht und von unseren Branchenexperten ermittelt wird. Zu einem kleinen Teil kann ich auch in sogenannte Transformation Leaders investieren. Das sind Unternehmen, die noch nicht „grün“ sind, sich aber stark um Nachhaltigkeit bemühen und dabei große Fortschritte machen.

Sie investieren über einen Ucits-Fonds in gelistete Infrastrukturaktien. Nun legen auch immer mehr Private-Equity-Fonds in Infrastruktur an und kaufen teilweise auch gelistete Unternehmen aus diesem Sektor auf. Was sind die Gründe dafür?

Es gibt natürlich verschiedene Wege, um in Infrastruktur zu investieren, wobei alle Möglichkeiten Vor- und Nachteile haben. Bei einem Ucits-Fonds ist ein Anleger nicht langfristig gebunden. Er kann Anteile jederzeit kaufen und verkaufen. Das bietet ein hohes Maß an Flexibilität. Dass Private Equity in den vergangenen Monaten und Jahren besonders Infrastruktur entdeckt hat, und mehrfach sogar Infrastrukturunternehmen an der Börse aufgekauft hat, zeigt die Attraktivität der Assetklasse. Verlässliche stetige Erträge sind eben gefragt.

Was müssen Anleger noch beachten?

Die Assetklasse Infrastruktur ist gut geeignet für unruhige Zeiten. Doch auch wenn Infrastrukturaktien risikoärmer als der breite Aktienmarkt sind, so bleibt natürlich bei einem Aktienfonds ein grundsätzliches Aktienrisiko. Anleger sollten also dieses Risiko kennen und berücksichtigen und einen mehrjährigen Anlagehorizont haben.

Das Interview führte