Gaskrise

UBS sieht Rückschlags­gefahr für Europas Chemiewerte

Trotz robuster Ergebnisse aus der Berichtssaison zum zweiten Quartal sieht die UBS erhebliche Risiken für Europas Chemiewerte. Eine mögliche Gasrationierung sei nicht in den Gewinnprognosen enthalten.

UBS sieht Rückschlags­gefahr für Europas Chemiewerte

xaw Frankfurt

Eine mögliche Gasrationierung birgt nach Ansicht der Schweizer Großbank UBS noch erhebliches Rückschlagspotenzial für Europas Chemiewerte. Zwar habe sich in der Berichtssaison zum zweiten Quartal des laufenden Jahres ein starkes Momentum bezüglich der Ergebnisentwicklung gezeigt – bisher habe nur Covestro den Ausblick für das Gesamtjahr 2022 gesenkt, zahlreiche Konkurrenten hätten ihre Prognosen sogar angehoben.

Konjunkturumfeld eingetrübt

Daraus lasse sich aber noch längst nicht ableiten, dass Befürchtungen schärferer Gewinnrückgänge unangebracht seien. Angesichts schwach gefüllter Auftragsbücher und fragiler Konjunkturindikatoren sei aber Vorsicht angebracht. So seien die Verbraucherstimmung und die Einkaufsmanagerindizes in Europa zuletzt erneut deutlich zurückgegangen. Die UBS liegt mit ihren Ebitda-Schätzungen für die Branche in Bezug auf das Gesamtjahr 2023 folglich rund 10% unter den Konsensprognosen.

Ein entscheidender Unsicherheitsfaktor für Europas Chemiekonzerne und ihre Aktien besteht laut den Analysten des Geldhauses in der Entwicklung der Gasflüsse über die Pipeline Nord Stream 1. Diese sei maßgeblich dafür, wie schwer eine mögliche Rezession in Europa ausfallen werde. Zwar habe Deutschland seine Abhängigkeit von russischem Gas seit Beginn des Ukraine-Kriegs bereits reduziert. Die Gefahr einer Gasrationierung bestehe aber weiterhin und sei bisher nicht in den Konsensprognosen für die Gewinnentwicklung der chemischen Industrie enthalten.

Zumindest hätten einige Branchenvertreter inzwischen Szenarios für diesen Ernstfall entwickelt. Bei Covestro etwa würde ein Rückgang der Verfügbarkeit von Erdgas um 25% laut Konzernangaben pro Monat Ebitda-Belastungen im mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich nach sich ziehen. Dabei seien negative Einflüsse durch den Verlust von Kunden allerdings noch nicht berücksichtigt. Dennoch setzen die UBS-Analysten Covestro angesichts der bereits starken Kursrückgänge im laufenden Jahr auf „Neutral“ – bei BASF raten sie dagegen zum Verkauf.

Abhängigkeit von Heizöl

Das Management könne das Hauptwerk in Ludwigshafen zwar auch bei um 50% niedrigerer Gasverfügbarkeit in reduziertem Umfang weiterbetreiben. Dies werde aber teilweise durch Milderungsmaßnahmen ermöglicht, für die eine ausreichende Verfügbarkeit von Heizöl wichtige Voraussetzung sei. Zugleich müsse die Nutzung gasbetriebener Produktionsstätten, zum Beispiel für Ammoniak oder Alkine, wohl stark zurückgefahren werden.

Für alle europäischen Chemiekonzerne gelte indes, dass die Versorgungslage mit Energierohstoffen weiterhin schwierig planbar sei. Insbesondere die indirekten Auswirkungen einer möglichen Gasrationierung seien kaum berechenbar.

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