KreditwürdigAsset Backed Securities

Verbriefungen per saldo Gewinner der Zinswende

Verbriefungen sind per Saldo Profiteure der Zinswende. Deren positiver Renditeeffekt überwiegt den mit ihr verbundenen Anstieg der Risiken im Collateral.

Verbriefungen per saldo Gewinner der Zinswende

Kreditwürdig

Verbriefungen per saldo Gewinner der Zinswende

Von Ralf Raebel*)

Aktuelle Studien zur Entwicklung der europäischen Kreditmärkte zeigen, dass die Zinserhöhungen der EZB ihre Wirkung nicht verfehlen, allerdings mit gewissen Nebeneffekten. In der jüngsten EZB-Umfrage zum Kreditgeschäft im Euroraum berichten Banken über eine weitere erhebliche Verschärfung ihrer Vergabekriterien für Kredite an Unternehmen und für Wohnungsbaukredite. Umgekehrt ging auch die Kreditnachfrage von Unternehmen und Haushalten im ersten Quartal 2023 stark zurück. Dies liegt vor allem an den gestiegenen Zinssätzen, einem geringeren Finanzierungsbedarf und sich abschwächenden Wohnimmobilienmärkten.

Abschwächung der Kreditvergabe

Für den Rest des Jahres bleibt der Ausblick eher verhalten. Die anhaltende Verringerung der Zentralbankbilanz in Verbindung mit TLTRO-Rückzahlungen und dem Ende der APP-Reinvestitionen durch die EZB ab Ende Juni dieses Jahres sowie die zunehmende Weitergabe der Leitzinsanhebungen im Einlagengeschäft dürften die Refinanzierung der Banken weiter verteuern. Das sollte im zweiten Halbjahr zu einer weiteren Abschwächung der Kreditvergabedynamik beitragen. Angesichts der geopolitischen Unsicherheiten, der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der hohen Energiepreise erwarten die Bankmanager zudem steigende Kreditausfälle und höhere NPL-Quoten (Non-Performing Loans). Wie das Statistische Bundesamt Mitte Mai bekannt gab, brach die Zahl der Baugenehmigungen im März 2023 um fast 30% gegenüber dem Vorjahr ein. Das Neugeschäftsvolumen für Wohnungsbaukredite an private Haushalte sank im gleichen Zeitraum von 32,3 Mrd. auf rund 15,3 Mrd. Euro und damit auf weniger als die Hälfte. Eine aktuelle Analyse deutscher Hypothekenkredite zeigt, dass aufgrund der stark gestiegenen Hypothekenzinsen die anfänglichen Beleihungsausläufe (OLTV) im Neugeschäft deutscher Eigenheimfinanzierungen ebenfalls zurückgegangen sind, was aus Kreditrisikosicht positiv zu werten ist. Jedoch ist diese Entwicklung nicht zwingend (nur) auf strengere Kreditvergabestandards der Banken zurückzuführen. Es könnte auch sein, dass Kreditnehmer mehr Eigenkapital in eine Hausfinanzierung einbringen, um die laufende Belastung aus den Hypothekenzinsen zu begrenzen. So sanken auch die anfänglichen jährlichen Tilgungen von rund 2,8% im November 2020 auf nur noch rund 1,9% im März 2023. Dies ist kein schlechter Wert, wenn man den Anstieg der Hypothekenzinsen um gut 300 Basispunkte im gleichen Zeitraum betrachtet. Unabhängig davon schlagen sich die geringeren Tilgungen auch in höheren aktuellen Beleihungsausläufen (CLTV) über die Kreditlaufzeit nieder. Des Weiteren zeigt sich ein Trend, wonach die Kreditnehmer immer häufiger Bestandsimmobilien kaufen, anstatt einen Neubau zu finanzieren. Diese Entwicklung könnte die Ursache darin haben, dass nach den Erfahrungen der Corona-Pandemie die Bauträger ihre Vertragsbedingungen so angepasst haben, dass Lieferverzögerungen, Materialknappheit und hierdurch bedingte Verzögerungen bei der Fertigstellung (und deren Mehrkosten) sowie zwischenzeitige Preissteigerungen zulasten der Auftraggeber gehen. Aufgrund der damit kaum zu kalkulierenden Risiken eines Neubaus weichen die Hauskäufer daher auf Bestandsobjekte aus. Da ältere Gebäude weniger energieeffizient sind, könnte dieser Trend langfristig die Kreditqualität von Hypothekenportfolien belasten.

Differenziertere Betrachtung nötig

Für Verbriefungen (Asset Backed Securities, ABS) ergeben sich aus den skizzierten Entwicklungen unterschiedliche Implikationen mit Blick auf das künftige Emissionsvolumen, die Performance und Verwertungserlöse. Dabei muss zwischen Neuemissionen und Altbeständen und zwischen den verschiedenen ABS-Sektoren differenziert werden. Das schrumpfende Neugeschäft bei der Kreditvergabe dürfte sich tendenziell negativ auf das künftige Emissionsvolumen auswirken, wovon vor allem die diversen Wohnimmobilien-Segmente (RMBS) in Europa betroffen wären. Die verschärften Kreditvergabestandards dürften aber hinsichtlich der Ausfallrisiken einen positiven Effekt auf die fundamentale Performance künftiger Neuemissionen haben. Die Verwertungserlöse europäischer RMBS könnten niedriger ausfallen, sollte sich der in Deutschland konstatierte Trend zur Finanzierung älterer Gebäude auch in anderen EU-Ländern durchsetzen. Für die Emission von gewerblichen Immobilien- (CMBS) und KMU-Verbriefungen (SME ABS) bleibt das Umfeld sowohl mit Blick auf das Volumen als auch die Performance und die Verwertungserlöse nach wie vor schwierig. Von einer Zunahme bei Kreditausfällen und höheren NPL-Quoten in den Bankbilanzen dürften mittelfristig neben anderen Exit-Strategien auch NPL-Verbriefungen profitieren.

Mit Blick auf bereits ausstehende ABS ist vor allem der positive Renditeanstieg aufgrund steigender Geldmarktzinsen hervorzuheben. Von der EZB-Zinswende profitieren ABS als in der Regel variabel verzinste Anleihen und bleiben auch bei weiteren Zinserhöhungen attraktiv. Denn der Renditeanstieg geht nicht wie bei Festzinsanleihen mit entsprechenden Kursverlusten einher. Schattenseite der Zinswende sind allerdings gestiegene Risiken aufgrund der Beendigung des langjährigen Booms bei Wohn- und Gewerbeimmobilien. Bei älteren Transaktionen werden die Verwertungserlöse vor Preiskorrekturen aber meist noch durch historisch aufgebaute Bewertungsreserven hinreichend geschützt. Höhere Ausfallrisiken im Sicherheitenpool (Collateral) infolge der gestiegenen Zinsbelastung der Kreditnehmer werden zumeist durch eine gute historische Performance, Ratingpuffer sowie die in vielen Ländern üblichen langen Zinsbindungsfristen abgemildert. Die Nettoverlustentwicklung war zum Teil dank höherer Verwertungserlöse aufgrund von Knappheitspreisen infolge der Lieferkettenproblematik rückläufig. Insgesamt erachten wir aus Investorensicht den positiven Renditeeffekt infolge der Zinswende als höher als den damit verbundenen Anstieg der Risiken im Collateral. Buy-to-Let(BTL)-Kredite, als private professionelle Wohnimmobilienfinanzierungen, profitieren mittelbar von der Zinswende, weil viele potenzielle Käufer den Hauskauf verwerfen und nun als solvente Mieter verstärkt auf den Mietmarkt drängen. Dies kommt der Kreditqualität und der Miethöhe zugute und kann den Zinsanstieg bei BTL-Finanzierungen kompensieren. Allerdings wirken in vielen EU-Jurisdiktionen regulatorische Eingriffe deutlichen Mietsteigerungen entgegen.

*) Ralf Raebel ist ABS-Analyst bei der DZ Bank.