Windkraft und Rüstung sind bei Anlegern gefragt
Windkraft und Rüstung sind bei Anlegern gefragt
Einen Tag vor dem Zinsentscheid in den USA herrscht an Europas Aktienmärkten gespannte Ruhe. Investoren warteten zunächst ab und wollten nicht auf dem falschen Fuß erwischt werden, hieß es von Börsianern. Allerdings bewegten sich einige Aktien dann doch merklich, darunter Windenergie-Titel, Rüstungswerte und der deutsche Industriekonzern Thyssenkrupp.
Der Dax stieg bis zum Mittag um 0,4% auf 24.136 Punkte. Der MDax legte um 0,1% zu. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 trat gegen Mittag nahezu auf der Stelle bei 5.720 Punkten. Das Rekordhoch von Mitte November bleibt nach der jüngst starken Erholung aber weiter in Sichtweite.
„Wir sehen eine Aktienrally mit angezogener Handbremse“, kommentierte Marktanalyst Jochen Stanzl von der Consorsbank die Dax-Gewinne an diesem Handelstag. Es fehle jedoch die richtige „Überzeugung“.
Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar von RoboMarkets verwies auf den US-Markt für Staatsanleihen, wo die Renditen stiegen. Die zehnjährige Staatsanleihe rentiere höher als im September vergangenen Jahres, als die Fed mit ihren Zinssenkungen begann, schrieb er und nannte dies „eine ungewöhnliche Diskrepanz im Vergleich zu den anderen Lockerungszyklen“. Steigende Renditen, so erläuterte er, führten am langen Ende zu höheren Kreditkosten für Unternehmen und Haushalte und konterkarierten damit die positiven Auswirkungen von Leitzinssenkungen durch die Notenbank.
Thyssenkrupp unter Druck
Mit einem drohenden Fehlbetrag im neuen Geschäftsjahr vor Augen haben sich am Dienstag viele Anleger von den Aktien von Thyssenkrupp getrennt. Die Papiere des Stahl- und Industriekonzerns sackten um 7% ab. Die kürzlich auf den Weg gebrachte Sanierung der kriselnden Stahlsparte wird den Essenern im neuen Geschäftsjahr millionenschwere Verluste einbrocken. Weil das Unternehmen dafür hohe Rückstellungen bilden muss, dürfte 2025/26 (per Ende September) unter dem Strich ein Fehlbetrag von 400 bis 800 Millionen Euro auflaufen, teilte Thyssenkrupp am Morgen mit.
Hellofresh nahmen mit minus 4,9% den vorletzten Platz im MDax ein. Die US-Bank Morgan Stanley senkte ihre Bewertung für das Papier des Kochboxen-Versenders auf „Underweight“ – bei einem ebenfalls gesenkten Kursziel von 5,50 Euro. Analyst Luke Holbrook hob hervor, dass Hellofresh im US-Markt für Fertiggerichte Marktanteile zu verlieren scheine.
Um 7,4 Prozent abwärts ging es im SDax für Evotec. So platzierte die Beteiligungsholding des dänischen Pharmakonzerns Novo Nordisk Aktien von Evotec zu 5,10 Euro das Stück, wie aus Platzierungsunterlagen hervorgeht, die der Nachrichtenagentur Bloomberg vorliegen. Insgesamt 9,4 Millionen Papiere – rund 5 Prozent des Grundkapitals – sollen verkauft werden.
Windenergie-Aktien gewinnen dank US-Urteil
Aktien aus dem europäischen Ökostrom-Sektor legen nach einer für die Branche positiven Gerichtsentscheidung in den USA zu. Siemens Energy zogen rund ein Prozent an, die Titel des deutschen Windkraftanlagenbauers Nordex um rund zwei Prozent. Auch die Aktien von RWE notierten leicht fester. Die dänischen Branchengrößen Vestas und Oersted gewannen in der Spitze rund 4% , die portugiesische EDP Renovaveis rund 1,5%.
Ein Bundesrichter hatte ein von US-Präsident Donald Trump verhängtes Verbot für neue Windkraftprojekte für rechtswidrig erklärt. Die Anordnung des Präsidenten hatte die Genehmigungen des Bundes für Windparks an Land und auf See praktisch gestoppt und Dutzende Projekte für saubere Energie blockiert. Der Gerichtsentscheid sei positiv für Windkraft-Werte wie etwa RWE oder Nordex, sagte ein Händler.
Zugleich verwies er auf den Einstieg des aktivistischen US-Investors Ananym Capital bei Siemens Energy als Treiber. Einem Insider zufolge drängt Ananym Capital den Energietechnikkonzern zu einer Trennung vom verlustreichen Windkraft-Geschäft. Nach Ansicht des Investors könne durch eine Abspaltung oder einen Verkauf des Windturbinen-Geschäfts der Aktienkurs um 40% steigen, sagte der Insider der Nachrichtenagentur Reuters.
Erholung bei Rüstungswerten
Deutsche Rüstungswerte blieben am Dienstag auf Erholungskurs. Aktien von Rheinmetall sind inzwischen wieder an ihre einfache 200-Tage-Durchschnittslinie zurückgekehrt, die als Barometer für den langfristigen Trend gilt. Vom Tief seit Ende April, auf das sie am 1. Dezember mit 1.410 Euro gefallen waren, haben sie sich inzwischen wieder um etwa 18% erholt.
Der Druck durch die neue US-Initiative für ein Kriegsende in der Ukraine ist zunächst einmal verflogen. Eine überarbeitete Version des US-Plans soll nach Angaben der Staatsführung in Kiew an diesem Dienstag an Washington übermittelt werden – und deutlich veränderte Züge tragen. Der von der US-Regierung ausgearbeitete Plan sei inzwischen von 28 auf 20 Punkte gekürzt worden, teilte Präsident Wolodymyr Selenskyj ukrainischen Journalisten mit. Außenminister Johann Wadephul äußerte sich derweil skeptisch zu den Erfolgsaussichten angesichts der russischen Forderungen nach Gebietsabtretungen durch die Ukrainer.
Militärexperten wie auch Analysten hatten zuletzt ohnehin immer wieder betont, wie wenig der Ausgang des Ukraine-Kriegs an der Bedrohungslage und damit dem Rüstungsbedarf ändern würde.
Auch Papiere des Panzergetriebe-Herstellers Renk und des Sensorspezialisten Hensoldt holten am Dienstag weiter auf. Rheinmetall, Renk und Hensoldt liegen klar unter ihren Höchstständen von Anfang Oktober, aber allesamt im Jahr 2025 auch weiterhin dreistellig im Plus.
