Anlagethema im Brennpunkt

Wo Warren Buffett und Ray Dalio mit Blick auf Anleihen irren

Wer die allgemeine Finanzberichterstattung der jüngsten Zeit verfolgt hat, gewinnt leicht den Eindruck, dass Fixed-Income-Anlagen derzeit eine ausgesprochen schlechte Idee sind. Laut der amerikanischen Investmentlegende Warren Buffett droht...

Wo Warren Buffett und Ray Dalio mit Blick auf Anleihen irren

Wer die allgemeine Finanzberichterstattung der jüngsten Zeit verfolgt hat, gewinnt leicht den Eindruck, dass Fixed-Income-Anlagen derzeit eine ausgesprochen schlechte Idee sind. Laut der amerikanischen Investmentlegende Warren Buffett droht Fixed-Income-Anlegern sogar weltweit eine düstere Zukunft, während dem US-Hedgefonds-Manager Ray Dalio zufolge Anleihenanlagen aus ökonomischer Sicht mittlerweile „dumm“ sind.

Buffett und Dalio verschweigen hierbei allerdings die Tatsache, dass es mit einer globalen Perspektive und einem sektorübergreifenden Ansatz durchaus möglich ist, ein Anleiheportfolio mit einer moderaten Duration von drei bis vier Jahren aufzubauen und dabei Renditen von rund 4% zu erzielen. In der Regel bemühen sich aktive Manager, mit einer kontinuierlichen Rekalibrierung des Zins- und Kreditrisikos auf veränderte Bedingungen zu reagieren. Da sich das Zinsrisiko derzeit ganz offenkundig kaum auszahlt, dürften sie nun stattdessen auf das Kreditrisiko setzen. Im Frühjahr 2020 prognostizierten die Ratingagenturen zum Teil alarmierende Ausfallquoten. Doch zwölf Monate später sehen wir bei Investment-Grade- und High-Yield-Anleihen aus den USA bereits mehr Anhebungen als Herabstufungen – und dieselben Ratingagenturen gehen nun davon aus, dass wir Ende 2021 weniger als 5% High-Yield-Ausfälle in den USA und weniger als 3% in Europa erleben könnten.

Vor diesem Hintergrund rechnen wir damit, dass Manager sich auf der Bonitätsskala weiter nach unten orientieren und ihre prozyklischen Risiken erhöhen werden, weil sie einerseits von der erwarteten Spread-Verengung im Zuge der Konjunkturerholung profitieren wollen und andererseits einen gewissen Schutz vor der Zinsschwäche suchen, den höher verzinste Anleihen für gewöhnlich bieten.

Eine ausgeprägte Konjunkturerholung dürfte sich natürlich auf breiter Basis positiv auf das Kreditrisiko auswirken. Dabei sollte der Fokus auf denjenigen Marktsegmenten liegen, in denen das Kreditrisiko attraktiver ist als das Zinsrisiko. Hierzu ein Beispiel: Ein Anleger kauft heute eine Unternehmensanleihe mit Investment-Grade-Rating und einem Spread von 30 Basispunkten (BP) gegenüber Treasuries. Der größte Teil des Risikos dieser Position stammt aus den Treasuries – denn sollte die Treasury-Rendite um 30 BP auf 2% steigen, ist es auch bei einer sehr guten Performance des Unternehmens unwahrscheinlich, dass sich sein Spread um 30 BP verengt und die Entwicklung der Treasuries ausgleicht. Bei einer High-Yield-Anleihe mit einem Spread von 300 BP stehen die Chancen dagegen deutlich besser, dass das Kreditrisiko das Zinsrisiko schlägt.

Globale Anleihenanleger müssen zudem entscheiden, wo eine Zinsschwäche die größte Belastung darstellen würde, wenn die Renditen der Staatsanleihen weiter steigen: Sie müssen die richtige Renditekurve auswählen, auf die sie beim Kreditrisiko setzen.

Schutz vor Renditeanstieg

Wir sehen die europäische Renditekurve gegenüber ihrem US-Pendant mittelfristig als stabiler an, was sich durch das massive Ankaufprogramm der Europäischen Zentralbank ebenso erklärt wie durch unsere deutlich gelassenere Prognose für das Wirtschaftswachstum und die Inflation in der Eurozone. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Anleger US-Anleihen vollständig meiden sollten. Angesichts der Wachstumsentwicklung in den USA erwarten wir für die kommenden Jahre einige besonders attraktive Gelegenheiten bei niedriger bewerteten Anleihen, die in der Kurve gerade bei Anleihen mit drei- bis fünfjähriger Laufzeit zu erwarten sind – denn in diesem Bereich dürfte die kürzere Duration Anleger vor dem zu erwartenden Wertverlust aufgrund steigender Treasury-Renditen schützen.

Unterm Strich erwarten wir für den Fixed-Income-Bereich im Jahr 2021 eine Verengung der Kreditrisiko-Spreads in fast allen Regionen und Sektoren und eine Renditekonvergenz der Ratingkategorien. Stand das zurückliegende Jahr 2020 ganz im Zeichen einer Marktrally im Vorfeld der Erholung der Fundamentaldaten, wird 2021 nach unserer Überzeugung vom Aufholen der Volkswirtschaften geprägt sein. Befeuert wird diese Entwicklung durch fiskalische Stimuli und die außergewöhnlichen geldpolitischen Maßnahmen. Diese Prognose unterliegt zweifellos einigen Ungewissheiten, da sie nur bei einem Erfolg der Covid-19-Impfkampagnen eintreten wird.

AT1-Titel besonders attraktiv

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass Anleihenanleger von einer prozyklischen Ausrichtung profitieren, wenn sie Renditen in einem fortschreitenden Zyklusverlauf anstreben. Wir haben einige Bereiche identifiziert, auf die Manager setzen könnten, um diese Strategie auch künftig zu verfolgen: Finanztitel, unbesicherte statt besicherter Anleihen, hybride Unternehmensanleihen, europäische CLOs und Emerging-Markets-Einzeltitel in Hartwährung.

Besonders Finanztitel haben sich in den letzten zwölf Monaten positiv entwickelt und sind mit einer besseren Kapitalausstattung als zuvor aus dieser schwierigen Zeit hervorgegangen: Für uns stehen sie ganz oben auf der Einkaufsliste. Wir erwarten, dass nachrangige Anleihen sich schneller erholen als vorrangige, weshalb uns Additional-Tier-1-Papiere (AT1) besonders attraktiv erscheinen.

Zu den Segmenten, die Manager unserer Ansicht nach derzeit unbedingt meiden sollten, zählen Produkte mit geringeren Spreads und längerer Laufzeit, besonders wenn sie an die US-Renditekurve gekoppelt sind. Auch prozyklische Sektoren sind zu meiden, die unter echtem strukturellen Druck stehen. Hierzu zählen der Automobil- und Reisesektor ebenso wie der Einzelhandel und Gewerbeimmobilien.

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