Abgang von "Professor Lockdown" bietet Chance zum Umdenken
Von Andreas Hippin, LondonMach, was ich sage, aber nicht, was ich tue: Diese Maxime wird eigentlich bigotten Hohepriestern unterstellt, doch “die Wissenschaft” entwickelt sich ja zunehmend zur Religion unserer Zeit. Professor Neil Ferguson (51) vom Imperial College, der sich als “Professor Lockdown” einen Namen gemacht hat, lebt es vor. Während er der Normalbevölkerung soziale Distanz verordnete, um die Coronavirus-Pandemie einzudämmen, wollte er nicht darauf verzichten, seine Geliebte zu sehen. Mindestens zwei Mal reiste sie allen Ausgangsbeschränkungen zum Trotz quer durch die britische Metropole, um ihn zu sehen, wie der konservative “Telegraph” aufdeckte. Dabei verbrachte er kurz zuvor zwei Wochen in Selbstisolation, nachdem ein Coronavirus-Test ein positives Ergebnis gezeigt hatte. Forschung umstrittenFür öffentliche Empörung sorgte nicht, dass beide mit anderen Partnern verheiratet sind oder dass es sich bei der Geliebten um eine linke Klimaaktivistin handelt. Dabei hätten durchaus Sicherheitsbedenken geltend gemacht werden können, schließlich nahm Ferguson an den geheimen Lagebesprechungen der Regierung teil. Doch was die Menschen wirklich auf die Palme brachte, war die von Ferguson vorgelebte Haltung, dass Regeln für die anderen gelten, aber nicht für einen selbst.Es sei “einfach nicht möglich”, dass Ferguson weiter die Regierung berate, sagte Gesundheitsminister Matt Hancock. Der um aufsehenerregende Zahlen nie verlegene Wissenschaftler war schließlich gezwungen, die Beratergremien Sage (Scientific Advisory Group on Emergencies) und Nervtag (New & Emerging Respiratory Virus Threats Advisory Group) zu verlassen. Im vergangenen Monat musste bereits Catherine Calderwood, Schottlands Chief Medical Officer, ihr Amt niederlegen, weil sie während des Lockdowns zwei Mal ihren Zweitwohnsitz angesteuert hatte.Fergusons Abgang bietet der britischen Regierung die Chance zum Umdenken. Schließlich sind seine Forschungsergebnisse alles andere als unumstritten (vgl. BZ vom 1. April). Seine apokalyptischen Prognosen hätten nicht dabei geholfen, eine Lockerung der Ausgangsbeschränkungen einzuleiten. Der Gedanke, nur die Wahl zwischen Kontaktsperre und Massensterben zu haben, wurde bereits durch das Beispiel Schwedens widerlegt. Für viele ist es längst an der Zeit, neue Töne anzuschlagen.