Geldpolitik

Commerzbank sieht EZB-Tauben im Aufwind

Nach Einschätzung der Commerzbank ist die Dominanz der Befürworter einer eher lockereren Geldpolitik im EZB-Rat derzeit größer denn je. Das werde sich absehbar auf den EZB-Kurs niederschlagen.

Commerzbank sieht EZB-Tauben im Aufwind

ms Frankfurt

Die zunehmenden Diskussionen und Spekulationen über den weiteren Zinskurs der Europäischen Zentralbank (EZB) richten den Blick wieder verstärkt auf die Mehrheitsverhältnisse im EZB-Rat – also auf das Verhältnis von Befürwortern einer eher lockereren Geldpolitik („Tauben“) und den Befürwortern einer eher strafferen Geldpolitik („Falken“). Nach Einschätzung der Commerzbank dominieren die „Tauben“ im EZB-Rat aktuell „mehr denn je“. Das werde sich spätestens nach der März-Sitzung niederschlagen, so Commerzbank-Volkswirt Marco Wagner.

Vor der EZB-Zinssitzung an diesem Donnerstag veröffentlichte die Commerzbank nun eine Aktualisierung ihres EZB-Hawkometers. Darin ordnet sie nur den niederländischen Zentralbankchef Klaas Knot als klaren „Falken“ im 26-köpfigen Rat ein. Bundesbankpräsident Joachim Nagel und vier weitere Notenbanker gelten demnach als „moderate Falken“. Dagegen sieht das Institut gleich 15 Ratsmitglieder als klare oder moderate „Tauben“ – darunter auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Chefvolkswirt Philip Lane. Auch die italienischen Notenbanker Ignazio Visco (Notenbankchef Italien) und Fabio Panetta (EZB-Direktorium) gelten als klare „Tauben“.

Für die Sitzung am Donnerstag scheint zwar eine weitere Zinserhöhung um 50 Basispunkte ausgemacht. Aber bereits für März ist die Lage umstrittener. EZB-Präsidentin Lagarde hatte Mitte Dezember auch für März eine Anhebung um 50 Punkte avisiert – was zuletzt auch einige „Falken“ bekräftigt hatten. Einige „Tauben“ scheinen aber durchaus auch offen für nur 25 Basispunkte. In diese Richtung äußerten sich zuletzt etwa Visco und Panetta. Nach März könnte es dann erst recht zu einer weiteren Drosselung des Zinserhöhungstempos kommen.

„Die Tauben im EZB-Rat werden immer lauter“, schreibt Commerzbank-Volkswirt Wagner nun in seiner neuen Analyse und schlussfolgert: „Auf der Sitzung im Mai dürften sie ein langsameres Tempo bei den Zinserhöhungen durchsetzen und danach den Zinserhöhungszyklus bei einem Einlagensatz von 3,25% beenden.“ Derzeit liegt der Satz bei 2,0%.

Bislang hält sich der EZB-Rat mit Aussagen zum mutmaßlichen Hochpunkt im aktuellen Zinszyklus stark zurück – genau wie mit Einschätzungen dazu, wo der neutrale Zins liegt, der die Wirtschaft weder stimuliert noch bremst. Vergangene Woche hatte der frühere Bundesbankvorstand Andreas Dombret, der immer noch bestens vernetzt ist, im Interview der Börsen-Zeitung gesagt, dass der neutrale Zins heute wohl deutlich höher liege als die 2,5%, die lange Zeit unterstellt worden waren (vgl. BZ vom 24. Januar).

Bereits einen Tag vor der EZB am Donnerstag entscheidet die US-Notenbank Fed am Mittwochabend über ihren weiteren Kurs. Gemeinhin wird erwartet, dass die US-Notenbanker ihr Zinserhöhungstempo erneut drosseln und ihren Leitzins nur noch um 25 Basispunkte anheben – nach einer ganzen Reihe von Zinserhöhungen um 50 und 75 Basispunkte zuletzt. Das dürften auch einige Euro-Notenbanker als zusätzliches Argument nutzen, bei den Leitzinsen künftig weniger aggressiv zu sein.