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Conte hofft auf neuen Regierungsauftrag

Italiens Premierminister Giuseppe Conte hat am Dienstag bei Staatspräsident Sergio Mattarella seinen Rücktritt eingereicht. Mattarella kündigte an, heute Gespräche mit allen politischen Kräften des Landes über die Bildung einer neuen Regierung...

Conte hofft auf neuen Regierungsauftrag

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Italiens Premierminister Giuseppe Conte hat am Dienstag bei Staatspräsident Sergio Mattarella seinen Rücktritt eingereicht. Mattarella kündigte an, heute Gespräche mit allen politischen Kräften des Landes über die Bildung einer neuen Regierung aufzunehmen. Angesichts der schweren Wirtschaftskrise und der Coronavirus-Pandemie strebt er eine schnelle Lösung der Regierungskrise und eine stabile Regierung an.

Conte hofft, von Mattarella den Auftrag zur Bildung einer dritten Regierung nach 2018 und 2019 zu erhalten. Einstweilen führt er die Regierungsgeschäfte kommissarisch. Er bemühte sich intensiv um eine breitere Unterstützung und versuchte, unabhängige Abgeordnete und Senatoren, Vertreter der kleinen Zentrumspartei und der Mitte-Rechts-Partei Forza Italia des Ex-Premiers Silvio Berlusconi auf seine Seite zu ziehen. Auch eine erneute Regierungsbeteiligung der Partei Italia Viva von Ex-Regierungschef Matteo Renzi, der die Regierungskrise mit dem Rückzug seiner Partei ausgelöst hatte, ist nicht ausgeschlossen.

Allerdings sind hierfür erhebliche persönliche und politische Gegensätze zu überwinden. Renzi hat für eine Rückkehr zahlreiche Bedingungen gestellt, etwa die Annahme von Krediten des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zur Sanierung des Gesundheitssystems. Das lehnt vor allem die 5-Sterne-Bewegung ab. Die bisherigen Koalitionspartner, die sozialdemokratische PD, die Kleinstpartei LeU und die 5 Sterne, wollen Conte weiter unterstützen.

Die beiden Oppositionsführer Matteo Salvini und Giorgia Meloni dringen auf baldige Neuwahlen. Dagegen ist Berlusconi, dessen Partei Forza Italia ebenfalls dem Rechtsbündnis angehört, nuancierter. Zwar will auch er kein Bündnis mit Conte und den Linksparteien eingehen, er gibt sich aber offen für eine Beteiligung an einer Expertenregierung der „nationalen Einheit“. Als möglicher Premierminister einer solchen Regierung werden der Ökonom Carlo Cottarelli und vor allem Marta Cartabia, Ex-Präsidentin des Verfassungsgerichts, gehandelt.

Sollte es nicht schnell zu einer Regierungsbildung kommen, dürfte es auf Neuwahlen hinauslaufen. Das wollen vor allem die bisherigen Regierungsparteien, aber auch die kleineren Parteien des Zentrums, um die Conte wirbt, vermeiden. Wahlen würden Umfragen zufolge die rechtspopulistischen Parteien Lega und Fratelli d’Italia sowie Berlusconis Forza Italia an die Macht bringen.

Ex-Premierminister Romano Prodi rief zur Eile auf und wies auf die große Besorgnis in Europa über Italien hin. Carlo Bonomi, Chef des Industriellenverbandes Confindustria, kritisierte, dass schon viel zu viel Zeit verloren worden sei. Die bisherige Regierung habe nicht die Kraft für notwendige Reformen gehabt. Die Vorstellungen zur Verwendung der Mittel des Wiederaufbauprogramms entsprächen nicht den Leitlinien der Europäischen Union.

In Italien herrscht große Sorge, dass sich die Auszahlung der Mittel wegen der Krise verzögert. Der Internationale Währungsfonds (IWF) reduzierte seine Wachstumsprognose für 2021 auf 3%. Die Regierung in Rom geht bisher von einem Zuwachs um 6% aus.

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