Das heikle elfte Sanktionspaket von EU und USA
Das heikle elfte Sanktionspaket
EU-Kommission will auch auf China zielen – Blick richtet sich auf G7-Gipfel
rec Brüssel
Wenige Tage vor dem Gipfeltreffen der führenden Industriestaaten in Japan laufen im Kreise der G7 Verhandlungen über weitere Sanktionen gegen Russland auf Hochtouren. Genau genommen wollen einige Beteiligte, allen voran die EU-Kommission, mit dem inzwischen elften Sanktionspaket nicht mehr nur auf Russland, sondern auch auf mutmaßliche Unterstützer zielen. Das ist sowohl innerhalb der EU als auch im Konzert der G7-Staaten umstritten und macht die Verhandlungen so heikel.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bekräftigte am Montag in Brüssel, die EU und die G7-Partner arbeiteten an ähnlichen Sanktionspaketen. Dazu gehören neben Gastgeber Japan allen voran die Vereinigten Staaten. Sie führen seit Russlands Angriff auf die Ukraine vor mehr als einem Jahr die Reihen der Unterstützer mit umfangreichen Waffenlieferungen an. Sie drängen wie die EU auf zusätzliche Sanktionen, allerdings mit unterschiedlichen Ansätzen.
Einig ist man sich, was die grundsätzliche Stoßrichtung des elften Sanktionspakets betrifft, über das Unterhändler der EU-Staaten seit Monaten beraten: Es geht darum zu verhindern, dass Sanktionen umgangen werden. Nach Angaben von EU-Kommissionchefin von der Leyen hat sich das Handelsvolumen von Drittstaaten jenseits der EU mit Russland teilweise vervielfacht. Für sie klare Indizien, dass Waren aus der EU trotz umfangreicher Exportverbote über Umwege in Russland landen.
Dieses Umgehen von Sanktionen will die EU-Kommission laut von der Leyen auf zwei Wegen erschweren: Erstens sollen solche Transitgeschäfte für Unternehmen in der EU künftig unter Strafe stehen. Einigkeit gibt es darüber allerdings nicht. Noch heikler ist der zweite Ansatz. Er zielt auf sogenannte Dual-Use-Güter: Waren, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Die Mitglieder der Pro-Ukraine-Koalition haben solche Exporte längst verboten. Andere sind da offenkundig nicht so streng.
Warnungen aus Peking
Zu den Verdächtigen zählt China. In Brüssel kursieren Listen, auf denen auch die Namen mehrerer Firmen aus dem Reich der Mitte auftauchen sollen, die im Verdacht stehen, Dual-Use-Güter nach Russland zu liefern. Die EU-Kommission erwägt, Sanktionen wegen Verstößen gegen Exportverbote auf sie auszuweiten. Extraterritorial heißt das in der Fachsprache – und ist rechtlich wie politisch hoch umstritten. Peking warnt deshalb eindringlich und droht mit Vergeltung. Darauf angesprochen, sagte von der Leyen am Montag, ihr sei es „ernst“.
Die USA würden am liebsten noch weiter gehen und ein automatisches Exportverbot für Lieferungen nach Russland verhängen, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Das würde bedeuten: Die G7 müssten Ausnahmen für einzelne Warengruppe definieren, die von Sanktionen ausgenommen sind. Gegen diesen radikalen Schritt soll es in der Bundesregierung Vorbehalte geben.
Die USA streben zumindest eine abgespeckte Variante an, die sich auf die für das russische Militär sensibelsten Bereiche beschränkt. Dabei beruft Reuters sich auf Insider in Washington. Die genauen Bereiche, für die diese neuen Regeln gelten sollen, würden noch diskutiert. Laut einem US-Beamten, den Reuters zitiert, sei davon auszugehen, „dass es in einigen wenigen Bereichen, insbesondere in Bezug auf die russische Verteidigungsindustrie, zu einer geänderten Politik kommen wird“. Mehr Klarheit soll der G7-Gipfel ab Freitag in Hiroshima bringen.