Geldpolitik

Deka sieht frische Argumente für beide Lager

EZB-Chefin Christine Lagarde spricht von einem „wichtigen Treffen“, Marktteilnehmer und Analysten setzen auf mehr Klarheit über die neue geldpolitische Strategie: Die Euro-Währungshüter stehen vor einer wegweisenden Ratssitzung.

Deka sieht frische Argumente für beide Lager

rec Frankfurt

Von der mit Spannung erwarteten letzten EZB-Ratssitzung vor der Sommerpause erhoffen sich die Ökonomen der DekaBank mehr Klarheit über die neue geldpolitische Strategie und sehen zugleich den Boden für eine langfristig sehr lockere Geldpolitik bereitet. Die Anfang Juli veröffentlichte neue Strategie liefere der Europäischen Zentralbank (EZB) „zusätzliche Argumente, vorerst an ihrem stark expansiven Kurs festzuhalten“, schreibt Deka-Volkswirt Kristian Tödtmann im Kommentar zum Zinskompass, der stets im Vorfeld einer geldpolitischen Sitzung in der Börsen-Zeitung erscheint.

Seit Tagen fiebern Marktteilnehmer und Analysten den am Donnerstag anstehenden Beschlüssen des EZB-Rats und den anschließenden Erläuterungen von EZB-Chefin Christine Lagarde entgegen. Die Französin hat die Erwartungen zur Überraschung von Beobachtern zusätzlich angefacht, indem sie von einem „wichtigen Treffen“ sprach. Hintergrund ist die gerade beschlossene neue geldpolitische Strategie. Demnach strebt die EZB künftig auf mittlere Sicht eine Inflation von glatt 2% an und dürfte Abweichungen nach oben für gewisse Zeit tolerieren, ohne gegenzusteuern. Details sind Lagarde und die EZB bislang schuldig geblieben. Das gilt auch für die Verpflichtung zu besonders „kraftvollen und lang anhaltenden“ geldpolitischen Maßnahmen, solange die Inflation anhaltend die 2-Prozent-Marke zu unterschreiten droht, was de facto seit Jahren der Fall ist.

Besonderes Augenmerk liegt deshalb auf dem geldpolitischen Ausblick. Der EZB-Rat wird die sogenannte Forward Guidance anpassen. Beobachter spekulieren daher, ob sich die Änderungen vorerst auf die Perspektiven für Leitzinserhöhungen beschränken oder auch die Anleihekaufprogramme betreffen werden. Im Raum steht insbesondere die Frage, ob die EZB Inflationsraten von vorübergehend über 2% explizit zur Voraussetzung für eine Anhebung der Leitzinsen machen wird. Tödtmann rechnet wegen Differenzen im EZB-Rat „mit einer weniger verbindlichen Formulierung“. Auch geht der Deka-Volkswirt davon aus, „dass sich die EZB zumindest bei dieser Sitzung mit Signalen über zusätzliche Wertpapierkäufe zurückhalten wird“.

PEPP-Diskussionen schwelen

Im Fokus steht hierbei die Zukunft des Pandemienotfallkaufprogramms PEPP. Das im März 2020 aufgelegte Programm ist nach wiederholter Aufstockung und Verlängerung auf 1,85 Bill. Euro begrenzt und bis Ende März 2022 befristet. Circa zwei Drittel der Summe hat das Eurosystem aus EZB und den 19 nationalen Notenbanken verbraucht. Im Raum stehen mehrere Optionen. So könnte die EZB PEPP ersatzlos auslaufen lassen, was als unwahrscheinlich gilt. Sie könnte das reguläre Anleihekaufprogramm APP aufstocken. Denkbar ist aber auch, Kernelemente des PEPP – insbesondere ein hohes Maß an Flexibilität einschließlich der gezielten Unterstützung einzelner Euro-Länder wie Italien – auf ein neuartiges Programm zu übertragen, eine Art PEPP 2.0. Gegen eine Ausweitung oder Verstetigung sperrt sich insbesondere Bundesbankchef Jens Weidmann, der den Ausnahmecharakter samt zeitlicher Begrenzung des PEPP betont. „Es ist nicht zu erkennen, warum Weidmann seine Haltung zum PEPP aufgrund der neuen Strategie ändern sollte“, meint Tödtmann. Angesichts der virulenten Konflikte im EZB-Rat rechnet Tödtmann „mit keinen starken Signalen in diese Richtung“.

Gute Argumente gibt der EZB-Kompass auch den Hardlinern an die Hand. So hat die Konjunktursäule ihr Rekordniveau aus dem Mai abermals übertroffen und nähert sich laut Tödtmann „in spektakulärer Weise ihrer theoretischen Obergrenze von 100 Punkten“. Auch die Finanzierungs- und Inflationssäule hat leicht zugelegt. Im Ergebnis spiegele der aktuelle Kompasswert von 50,3 Punkten „eine äußerst kräftige wirtschaftliche Erholung, zunehmenden Preisauftrieb und im historischen Vergleich sehr günstige Finanzierungsbedingungen“ wider. Dies zeige, „dass die EZB den Expansionsgrad ihrer Geldpolitik eigentlich ein gutes Stück zurückfahren könnte“.

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