Geldpolitik

DekaBank erwartet Zinssignal der EZB

Die EZB steckt in einem Dilemma aus Rekordinflation und Konjunkturängsten wegen des Ukraine-Kriegs. Die Märkte setzen immer stärker auf baldige Zinserhöhungen. Im Rat ist das aber durchaus umstritten.

DekaBank erwartet Zinssignal der EZB

ms Frankfurt

Die DekaBank geht davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag Zinserhöhungsspekulationen dämpfen wird. EZB-Präsidentin Christine Lagarde werde zwar nicht so weit gehen, die Markterwartungen als un­realistisch zu bezeichnen, schreibt Deka-Volkswirt Kristian Tödtmann im Kommentar zum neuen Zinskompass, der jeweils vor einer geldpolitischen Sitzung in der Börsen-Zeitung erscheint. Sie könnte aber „den Märkten zu verstehen geben, dass sie der Diskussion im EZB-Rat bereits ein gutes Stück vorausgelaufen sind“. Der mittelfristige Inflationsausblick sei derzeit mit „außergewöhnlicher Unsicherheit“ behaftet – was eine Festlegung auf einen künftigen Zinspfad derzeit kaum möglich mache.

Zinswetten nehmen zu

In den vergangenen Tagen haben die Spekulationen an den Finanzmärkten auf baldige und merkliche Zinserhöhungen der EZB deutlich zugenommen. Zuletzt waren zwei Anhebungen noch in diesem Jahr fest eingepreist und die zunehmende Erwartung war, dass bis Dezember noch ein dritter Schritt folgen könnte. Für die kommenden zwölf Monate gehen die Finanzmärkte von einem Ausmaß an geldpolitischer Straffung aus, das im historischen Vergleich relativ groß ist. Hintergrund ist vor allem die Rekordinflation im Euroraum. Im März lag sie bei 7,5%.

Die EZB steckt dabei aber in einem Dilemma: Einerseits übertrifft die Inflation zwar weiter alle Erwartungen und der Ukraine-Krieg erhöht den Preisdruck zusätzlich – was für eine zügige Straffung der Geldpolitik spricht. Andererseits belastet aber vor allem der Krieg die wirtschaftlichen Aussichten – was für eine anhaltende geldpolitische Unterstützung spricht. Volkswirte warnen zunehmend vor einer Stagnation oder sogar einer Rezession. Auch der EZB-Rat­ hält eine technische Rezession für möglich – also zwei aufeinanderfolgende Quartale mit sinkender Wirtschaftsleistung.

Bei der März-Sitzung hatte der EZB-Rat das Tempo bei der Drosselung seiner billionenschweren Anleihekäufe erhöht und erstmals ein Enddatum in Aussicht gestellt – das dritte Quartal. Zugleich hatte er aber seinen Zinsausblick (Forward Gui­dance) so verändert, dass nach ei­nem En­de der Nettokäufe nicht di­rekt Zinserhöhungen folgen müssen. Wann dafür der richtige Zeitpunkt ist, ist unter den Notenbankern um­stritten. Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann hatte Ende März im Interview der Börsen-Zeitung für zwei Zinsschritte und ein Ende des Negativzinses bis Ende des Jahres plädiert (vgl. BZ vom 30. März).

Laut Tödtmann spricht die aktuelle konjunkturelle Lage im Euroraum weiter für eine deutlich weniger ex­pansive Ausrichtung der Geldpolitik. Der Kompasswert, der die für die EZB maßgeblichen Indikatoren zusammenfasst, gab im März auf 55,6 Punkte nach (siehe Grafik). Zuvor hatte er bei 61,2 Punkten gelegen.

Allerdings betont Tödtmann zu­gleich, dass insbesondere der Inflationsausblick auf mittlere Sicht extrem unsicher sei – „ unter anderem weil die Wiedereröffnung der Volkswirtschaft nach der Pandemie und der Krieg in der Ukraine auf komplexe Weise ineinandergreifen“. „Insofern erscheint es nach wie vor zu früh, um sich auf einen konkreten Fahrplan für mittelfristig bevorstehende Leitzinserhöhungen festzulegen“, so Tödtmann.

Stattdessen könnte die EZB aber bei dieser Sitzung und der anschließenden Pressekonferenz von EZB-Präsidentin Christine Lagarde das Prinzip der Optionalität ihrer Geldpolitik mit etwas mehr Inhalt füllen. „Dazu müsste sie genauer darlegen, welche zukünftigen Entwicklungen für eine schnellere und welche für eine eher langsame Normalisierung sprächen“, so Tödtmann.

Eine ganz besondere Bedeutung kommt nun den Inflationserwartungen zu, zumal mit Blick auf eine mögliche Lohn-Preis-Spirale. Zuletzt haben die mittelfristigen Inflationserwartungen an den Märkten merklich zugenommen und sind über die Marke von 2% geklettert – das mittelfristige Inflationsziel der EZB. „Unter den Mitgliedern des EZB-Rats ist umstritten, wie solide die langfristigen Inflationserwartungen verankert sind und in welchem Ausmaß ein stärkerer Anstieg der Löhne in den kommenden Jahren zum Preisauftrieb beitragen wird. Zu entsprechend unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen sie dahingehend, wie viel Eile bei der Normalisierung der Geldpolitik geboten ist“, so Tödtmann. „Durch den Krieg in der Ukraine und seine wirtschaftlichen Folgen werden diese Kontroversen eher größer. Denn während sich die Notenbanker einig sind, dass kurzfristig mit noch mehr Preisauftrieb zu rechnen ist, gehen die Meinungen über die etwas längerfristigen Implikationen auseinander.“ Auf der einen Seite könnten Lieferengpässe länger an­halten oder die hohe Inflation könnte sich verfestigen, indem sie stärker als erwartet auf die Löhne ausstrahlt. Auf der anderen Seite könnte sich die Nachfrage abschwächen und damit dämpfend auf die Teuerung wirken.

Bei der nächsten Zinssitzung im Juni werden die EZB-Volkswirte neue Projektionen für Wachstum und Inflation veröffentlichen. Dann werden auch neue wichtige Weichenstellungen der Notenbanker erwartet – insbesondere ein fixes Enddatum für die Anleihekäufe.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.
Es wurden keine Inhalte gefunden, die den Filterkriterien entsprechen.