Unternehmensinsolvenzen

Erstmals seit der Finanz­krise mehr Firmen­pleiten

Zwar keine Pleitewelle, aber doch erstmals seit der globalen Finanzkrise steigende Unter­nehmens­insol­venzen. Experten erwarten, dass sich diese Entwicklung des Jahres 2022 fortsetzt.

Erstmals seit der Finanz­krise mehr Firmen­pleiten

ba Frankfurt

Im Jahr 2022 sind in Deutschland erstmals seit der globalen Finanzkrise 2009 wieder mehr Firmen insolvent geworden – die befürchtete Pleitewelle bleibt aber weiter aus. Experten erwarten für die kommenden Monate zwar steigende Fallzahlen, doch in einem eher moderaten Umfang. Ausnahme dürfte allerdings die Baubranche sein, die unter den erhöhten Finanzierungskosten infolge des geldpolitischen Straffungskurses der Europäischen Zentralbank (EZB) leidet.

Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) meldeten die deutschen Amtsgerichte im Jahr 2022 nach endgültigen Ergebnissen 14590 beantragte Unternehmensinsolvenzen. Das sind 4,3% mehr als im Vorjahr – in dem allerdings wegen der Corona-Pandemie die Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen bis Mai ganz oder teilweise ausgesetzt war. Die 2021 registrierten 13933 Fällen waren der niedrigste Wert seit Einführung der Insolvenzordnung 1999. Seit der Finanzmarktkrise 2009, als es zu einem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen von 11,6% gegenüber 2008 kam, ist die Fallzahl im Vorjahresvergleich stets zurückgegangen, wie die Wiesbadener Statistiker betonten. Im Vergleich zum Vorkrisenniveau ist die Insolvenzzahl weiter deutlich niedriger: 2019 waren es noch 18749.

Im Februar 2023 stiegen die beantragen Unternehmensinsolvenzen um 10,8% zum Vormonat, nachdem sie im Januar noch um 3,2% gesunken waren. Dabei handelt es sich allerdings nur um Geschäftsaufgaben, die im Zuge eines Insolvenzverfahrens ablaufen, nicht jedoch solche aus anderen Gründen beziehungsweise vor Eintritt akuter Zahlungsschwierigkeiten, betonten die Wiesbadener Statistiker. Der Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ergab für Februar gleichfalls einen Anstieg der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften.

Die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger aus den 2022 gemeldeten Unternehmensinsolvenzen bezifferten die Amtsgerichte auf rund 14,8 Mrd. Euro. Den Rückgang im Vergleich zu den rund 48,3 Mrd. Euro an Forderungen im Jahr 2021 bei gleichzeitigem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen führen die Statistiker darauf zurück, „dass im Jahr 2021 mehr wirtschaftlich bedeutende Unternehmen Insolvenz beantragt haben als im Jahr 2022“.

Unter den Branchen war 2022 vor allem das Baugewerbe mit 2 698 Fällen betroffen – das sind 11,3% mehr als im Vorjahr. Beim Handel (einschließlich Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen) verzeichnete Destatis mit 2 239 Verfahren ein Plus von 5,5%. Bei den Verbraucherinsolvenzen kam es hingegen zu einem Rückgang um 16,6%. Damit scheine der Nachholeffekt wegen der seit Oktober 2020 anzuwendenden Neuregelung zur schrittweisen Verkürzung von Restschuldbefreiungsverfahren von sechs auf drei Jahren „inzwischen beendet“, kommentierten die Statistiker.

Trotz des hohen Zinsniveaus – wobei der Zinsgipfel erst in einigen Monaten erreicht sein dürfte –, des Ukraine-Kriegs und der Verunsicherung in der Finanzwirtschaft erwartet Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID), für 2023 „allenfalls einen moderaten Anstieg der Unternehmensinsolvenzen“. In einzelnen Branchen, wie etwa der Baubranche, würden die Insolvenzrisiken allerdings allein schon aufgrund des Zinsanstiegs deutlich größer ausfallen.

Der Einzelhandel hingegen dürfte besonders mit dem Strukturwandel zu kämpfen haben, während Klinik- und Pflegeeinrichtungen die besonderen Belastungen im Gesundheitssystem gerade in Hinblick auf die bestehenden Planungsunsicherheiten zu spüren bekämen, sagte Niering. Wie bereits in der Corona-Pandemie beschleunigten in einigen Branchen auch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs den allgemeinen Veränderungsprozess in spürbarer Weise: „Gerade der Einzelhandel mit der erneuten Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof ist hierfür ein deutliches Beispiel.“

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